
Die Branchen könnten kaum unterschiedlicher sein - dennoch haben Linde, BMW, SAP oder Bayer etwas gemeinsam: Der schwache Euro hat im ersten Quartal die Geschäfte der Dax-Konzerne kräftig beflügelt. Manchem Unternehmen wie dem Nivea-Hersteller Beiersdorf rettete der niedrigere Kurs der Gemeinschaftswährung gar den Jahresauftakt. Doch nicht alle deutschen Börsenschwergewichte profitieren vom Wertverlust des Euro gegenüber Dollar und Co.
Insgesamt war der Jahresauftakt nach Berechnung der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) für die Dax-Größen bei Umsatz und Gewinn das beste erste Quartal überhaupt. Der Umsatz stieg zusammengerechnet um neun Prozent auf 336 Milliarden Euro. Die Abwertung der europäischen Gemeinschaftswährung sorgte quasi für ein kleines Konjunkturprogramm. Exporte außerhalb der Eurozone erhielten dadurch einen Schub, weil deutsche Waren dort billiger wurden und die Nachfrage nach ihnen anzog.





EY schätzt den positiven Effekt im ersten Quartal auf mindestens 17 Milliarden Euro. Das heißt: Mindestens 60 Prozent ihres Umsatzwachstums verdankten die Unternehmen im deutschen Leitindex dem schwachen Euro. Die Gewinne hinkten zwar hinterher. Ihr Ergebnis vor Zinsen und Steuern steigerten die Dax-Konzerne nur um 3 Prozent auf 32,8 Milliarden Euro. Dennoch war auch das ein Rekord.
In den ersten drei Monaten notierte die Gemeinschaftswährung im Schnitt bei 1,10 US-Dollar und damit rund ein Fünftel niedriger als Anfang 2014. Auch gegenüber dem chinesischen Yuan und dem britischen Pfund büßte der Euro an Wert ein. Begonnen hatte die Talfahrt des Euro Mitte vergangenen Jahres, als sich abzeichnete, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Finanzmärkte mit Geld überschwemmen wird, um die zu schwache Preisentwicklung zu stoppen und die Wirtschaft anzukurbeln.
Zum Teil starke Gewinnschübe
So manchem Unternehmen wie dem Nivea-Hersteller Beiersdorf rettete der niedrige Euro-Kurs das Quartal. Aus eigener Kraft wäre der Konzern in den ersten drei Monaten so gut wie gar nicht gewachsen. Bei anderen Unternehmen, die auch ohne Rückenwind vom Euro zugelegt hätten, beschleunigte sich das Wachstum, etwa bei Fresenius, Linde, Adidas oder BMW. Der Softwarekonzern SAP verdankte fast die Hälfte seines bereinigten Umsatzanstiegs von 22 Prozent den Währungen. Bayer hob mit Verweis auf die Währungseffekte gar seine Prognose für das laufende Jahr an.
Der schwache Euro kann starke Zuwächse bescheren
Zertifikate (ohne feste Laufzeitgrenze) auf einen langfristigen Rückgang des Euro gegenüber dem Dollar (aktuell ist ein Euro = 1,06 Dollar)
Quelle: Banken, Thomson Reuters
Euro-Dollar-Shortzertifikate für risikofreudige Investoren
Kurs (in Euro): 41,11
Stoppkurs (in Euro): 35,20
Funktion: Wandelt Verluste des Euro gegen den Dollar etwa mit 2,4-fachem Hebel in Gewinne um; sinkt Euro um 10 Prozent auf 0,95 Dollar, steigt Zertifikat um 20 bis 25 Prozent; Knockout-Schwelle (aktuell 1,4998 Dollar) liegt 41 Prozent über aktuellem Euro-Dollar-Kurs; Totalverlustgefahr wenig wahrscheinlich
Emittentin (Ausfallprämie): Deutsche Bank (0,6 Prozent = geringes Ausfallrisiko)
ISIN: DE000DT5CJA9
Chance/Risiko: 8/7
Euro-Dollar-Faktor-Shorts für Spekulanten
Kurs (in Euro): 23,50
Stoppkurs (in Euro): 15,90
Funktion: Steigt und fällt täglich fünfmal so stark wie der Euro gegen den Dollar; sinkt Euro an einem Tag um 1,5 Prozent, steigt Zertifikat um 7,5 Prozent; keine Knockout-Schwelle, dafür leichte Verluste in Seitwärtsphasen und hohe Verluste bei Erholung des Euro.
Emittentin (Ausfallprämie): Commerzbank (0,7 Prozent = geringes Ausfallrisiko)
ISIN: DE000CZ60BQ6
Chance/Risiko: 10/9
Ganz so weit ging die Telekom nicht. Die Umrechnungseffekte, so stellte Finanzchef Thomas Dannenfeldt klar, hätten keine Bedeutung für das operative Geschäft. Dennoch: Das für dieses Jahr angepeilte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen dürfte bei einem Wechselkurs von im Schnitt 1,13 Dollar je Euro rund eine Milliarde höher ausfallen, rechnete der Finanzchef vor. Auch der Autohersteller Daimler erwartet dank der Währungseffekte einen Gewinnschub von einer Milliarde Euro.
Doch der schwache Euro hat durchaus auch eine Kehrseite. Fallen Kosten in US-Dollar an, dann kann das teuer werden. Rohstoffe, die in Dollar gehandelt werden, kosten plötzlich mehr, was etwa die Lufthansa beim Kauf von Kerosin zu spüren bekommt. Auch der Rückversicherer Munich Re kann sich nur bedingt über den schwachen Euro freuen. Zwar fallen die Prämieneinnahmen im Ausland höher aus, allerdings werden die versicherten Schäden ebenfalls in der jeweiligen Währung beglichen.
Der Deutschen Bank, die zwar im Tagesgeschäft von den Schwankungen an den Finanzmärkten profitiert, tat wiederum die 2,5 Milliarden Dollar schwere Strafe von britischen und amerikanischen Behörden wegen des Libor-Skandals um manipulierte Zinssätze so besonders weh. Der Stahlkonzern ThyssenKrupp machte Währungseffekte dafür verantwortlich, dass sich seine Schulden von Ende Dezember bis Ende März um rund 400 Millionen auf 4,6 Milliarden Euro erhöhten. Der Konzern finanziert seine Auslandsgeschäfte oft in der jeweiligen Währung.
Wie geht es nun weiter? Der Euro legte zuletzt gegenüber dem Dollar wieder zu. Die meisten Marktbeobachter gehen aber davon aus, dass der Dollar mit einem Anziehen der US-Konjunktur und der zu erwartenden Zinswende in den USA wieder an Fahrt gewinnen wird. EY-Experte Thomas Harms mahnt dennoch zur Vorsicht. „Auch ein schwacher Euro wird nicht dauerhaft überdecken können, dass die Weltwirtschaft aktuell an Dynamik verliert“.