Dax-Umfrage Angst und Panik sind verflogen

Nach dem heftigen Einbruch an den Aktienmärkten als Folge des Brexit-Votums haben sich die Kurse wieder stabilisiert. Doch kommt bald wieder ein Rückschlag? Antworten darauf gibt eine exklusive Analyse der Anlegerstimmung.

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Händler an der Frankfurter Börse schauen auf Ihre Bildschirme: Die Erleichterung der Anleger nach dem Brexit-Schock ist zu spüren, derzeit gibt es keine Anzeichen für einen erneuten Kurseinbruch. Quelle: AP

Düsseldorf Genauso überraschend wie das Ergebnis des Brexit-Referendums kam, genauso heftig stürzte der Dax ab: Der deutsche Leitindex brach zunächst um zehn Prozent ein, holte jedoch im weiteren Wochenverlauf die Hälfte des Verlustes wieder auf. Genauso heftig war in der vergangenen Woche die Anlegerstimmung gesunken. „Wir sehen in diesen Tagen Angst und Panik an den Finanzmärkten, was für eine Gegenbewegung spricht“, meint Börsenexperte Stephan Heibel am vergangenen Montag.

Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx, wertet für seine Prognosen zur künftigen Dax-Entwicklung die Ergebnisse der wöchentlichen Handelsblatt-Umfrage unter mehr als 2.300 Anlegern aus. Diese Umfrage ermittelt die Börsenstimmung, also ob Anleger die aktuelle und die künftige Entwicklung positiv oder negativ beurteilen. In vielen Fällen sind die Ergebnisse Kontraindikatoren.

Vereinfacht gesagt: Wenn die Anleger zu euphorisch sind, ist dies ein Indiz für bald fallende Kurse. Konkrete Erwartungen zur künftigen Börsenentwicklung lassen sich aber nur ableiten, wenn man die Antworten zu allen vier Fragen, aus denen die Erhebung besteht, zusammen auswertet. Entsprechend galt die Angst und Panik vor einer Woche als Indiz für eine Gegenbewegung.

Doch hat sich im Rahmen der Gegenbewegung die Stimmung schnell wieder normalisiert. Angst und Panik unter den Anlegern sind wie weggeblasen: Das Lager derer, die in der aktuellen Bewegung einen Abwärtstrend erkennen, ist um 37 Prozentpunkte auf 23 Prozent gefallen. Diese Ex-Pessimisten sind in das Lager der Neutralen (plus 23 Prozentpunkte auf 42 Prozent) und der gut Gelaunten (plus 13 Prozentpunkte auf 18 Prozent) gewechselt. Dadurch ist der kurzfristige Sentiment-Indikator von extremer Niedergeschlagenheit in den neutralen Bereich gesprungen.

Parallel zur Stimmungsaufhellung hat sich auch die Polarisierung der vergangenen Woche abgeschwächt. Die meisten Anleger fühlen sich in ihren Erwartungen mehr oder weniger bestätigt (plus 20 Prozentpunkte auf 43 Prozent) oder sehen ihre Erwartungen kaum erfüllt (plus sieben Prozentpunkte auf 22 Prozent). Nur noch knapp jeder Vierte wurde völlig überrascht, nur zwölf Prozent haben auf eine so starke Gegenbewegung gesetzt.


Positive Erwartungshaltung

Pessimisten haben diese Woche durch das nunmehr niedrigere Niveau im Dax an Argumenten verloren. Entsprechend verkleinerte sich das Lager derer, die das deutsche Börsenbarometer in drei Monaten in einem Abwärtsimpuls sehen, um fünf Prozentpunkte auf 17 Prozent. Hingegen erwarten 38 Prozent (plus zehn Prozentpunkte) eine Seitwärtsbewegung und 33 Prozent (-vier Prozentpunkte) steigende Kurse. Der Pessimismus der Vorwoche ist kleiner, dadurch ist die Erwartungshaltung unter dem Strich sehr positiv.

Privatanleger haben den Ausverkauf nach dem Brexit zum Aufbau von Positionen genutzt. Vor einer Woche wollten 41 Prozent der Umfrageteilnehmer kaufen, heute nur noch 30 Prozent (minus elf Prozentpunkte). Die Käufer sind in das neutrale Lager übergesiedelt, das um zwölf Prozentpunkte auf 59 Prozent anwuchs. Nur noch elf Prozent (minus ein Prozentpunkt) wollen in den kommenden zwei Wochen verkaufen.

Der Schock des Brexits wurde also schnell überwunden, Privatanleger haben sich antizyklisch Aktien gekauft und warten nun weitere Kurssteigerungen ab. „Jegliche Extremwerte in der Sentimenterhebung sind auf ein neutrales Niveau zurückgekommen“, fasst Börsenexperte Stephan Heibel das Ergebnis der aktuellen Umfrage zusammen. Die Stimmung sei neutral, der Zukunftsoptimismus positiv, aber noch nicht besorgniserregend. Es bestehe auf dem aktuellen Kursniveau noch immer eine große Kaufbereitschaft.

Auch Joachim Goldberg, der die Anlegerstimmung im Auftrag der Deutschen Börse analysiert, kommt bei seiner Umfrage zu einem ähnlichen Ergebnis: Privatanleger nutzten seiner Beobachtung zufolge den Ausverkauf zum Aufbau von Positionen, nun sei man zuversichtlich, dass die Folgen schon nicht so schlimm sein würden, wie im ersten Augenblick befürchtet.

Ein Blick über den Teich zeigt: In den USA wurde das Brexit-Referendum nicht so emotional beantwortet wie bei uns, entsprechend blieb ein heftiger Ausschlag der dortigen Sentiment-Indikatoren aus. Der dortige „Angst-und-Gier Index“ steht mit 63 Prozent im positiv-neutralen Bereich. Investmentmanager nutzten in den USA den kleinen Rückschlag, um ihre Positionen auszubauen und sind nunmehr zu 75 Prozent investiert (zuvor waren es 69 Prozent). Auch Privatanleger sind ein wenig optimistischer geworden, liegen damit jedoch noch immer unterhalb ihres historischen Wertes. „Von Euphorie kann bei US-Privatanlegern also keine Rede sein“, stellt Heibel fest.


Analysten senken Kursziele

Auch die US-Börsenbriefe haben das Brexit-Votum zur Kenntnis genommen, die Anzahl der Kaufempfehlungen sank von 40,7 Prozent auf nur noch 26,9 Prozent . Ähnlich sieht es bei Analysten aus, die in großer Zahl ihre Kursziele zurückgenommen haben, ohne jedoch das Rating zu senken. Meist wurde die neue Situation, die bereits eingepreist war, im Kursziel nachvollzogen.

Was aber trotz der gesenkten Analysten-Kursziele gegen sinkende Kurse an den US-Börsen spricht: Die Zahl der Absicherungsgeschäfte, um sich vor fallende Kurse zu schützen, ist sehr hoch. Und bei der laufenden Rally in den USA, wo die Indizes auf bestem Wege zu historischen Höchstständen sind, müssen Anleger nun aber Zug um Zug ihre Absicherungen verkaufen, damit die Verluste nicht zu groß werden. Das dürfte die Rally weiter anheizen.

Und in Deutschland? Hierzulande hat der heftige Stimmungseinbruch laut Umfrage vergangener Woche bereits ab Dienstag dieser Woche für eine große Gegenbewegung gesorgt. Nun notieren die Stimmungsindikatoren wieder in neutralen Bereichen. Das deutet auf weiter seitwärts tendierende Kurse hin, entsprechend dürfte es das erst einmal gewesen sein mit der Gegenbewegung. „Für weiter steigende Kurse müssen wir nun auf Quartalszahlen warten, die in den kommenden Wochen veröffentlicht werden“, meint Heibel.

Und der Brexit? Nach Meinung von Heibel dürfte sich in den Medien das Szenario durchsetzen, das von möglichst wenig Auswirkungen ausgeht. Der Tanker EU hat nicht nur einen Schuss vor den Bug bekommen, sondern er ist getroffen worden. Doch vorerst hält der Tanker noch Kurs. „Wir werden erst in den kommenden Monaten sehen, ob der Treffer wichtige Funktionen der EU zerstört hat“, so der Sentimentexperte.

War's das also? War der Brexit also ein kurzes, heftiges Ereignis an den Finanzmärkten und gehen die Anleger wir nun wieder über zur Tagesordnung über? „Die Tagesordnung beinhaltet die allgemeine Erholung und führt zumindest zu einer Stabilisierung auf dem aktuellen Kursniveau, wenn nicht sogar zu weiter steigenden Kursen“, meint Heibel. Zumindest gibt es keine Indizien für einen erneuten Einbruch.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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