Dax-Umfrage Anleger sind in Kauflaune

Weil der EU-Verbleib der Briten wahrscheinlicher geworden ist, legt der Dax heute eine Rally hin. Doch sind diese Kursgewinne nachhaltig? Laut einer exklusiven Analyse sind viele Investoren verunsichert.

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Investieren wenn der Dax strauchelt

In der abgelaufenen Woche hat der Dax zum dritten Mal in Folge mehr als zwei Prozent nachgegeben und schloss am vergangenen Freitag bei 9.631 Zählern. Brexit-Sorgen kochten hoch und Absicherungsgeschäfte internationaler Anleger führten zu heftigen Kursverlusten. Zudem fand am vergangenen Freitag der dreifache Optionsverfalltag statt, der einmal pro Quartal für hohe Volatilität sorgt.

Statt eines Minus in Höhe von zwei Prozent hatte Börsenexperte Stephan Heibel am vergangenen Montag Pluszeichen für den Dax in der vergangenen Woche vorausgesagt. „Da ich dem Brexit geringe Chancen einräume …., erwarte ich für die kommenden Tage steigende Kurse“, sagte er am vergangenen Montag.

Diese Prognose trat - etwas verspätet - dann am heutigen Montag ein: Der Dax kletterte in den ersten Handelsminuten auf 9.900 Punkte und machte die Verluste der Vorwoche mehr als wett.

Für seine Prognosen wertet der Inhaber des Analysehauses Animusx die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage zur Börsenstimmung, Sentiment genannt, unter mehr als 2.300 Anlegern aus.

Von dem Minus der Vorwoche in Höhe von zwei Prozent waren auch die Teilnehmer an der aktuellen Umfrage überrascht. Denn jeder Fünfte betrachtet inzwischen diese Entwicklung opportunistisch als Bodenbildung – ein Plus von 16 Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche.

Mit knapp der Hälfte der Teilnehmer geht die Mehrzahl jedoch nach wie vor von einem Abwärtsimpuls aus (plus vier Prozentpunkte auf 49 Prozent.) Sahen vor einer Woche noch 42 Prozent eine Seitwärtsbewegung im Dax, so sind diese Woche 18 Prozent davon ins Lager der Bodenbildung übergesiedelt.


Große Verunsicherung macht sich breit

Und es macht sich große Verunsicherung breit: 31 Prozent (plus drei Prozentpunkte) wurden von dem anhaltenden Ausverkauf völlig überrascht und weitere 28 Prozent (unverändert) haben kaum tiefere Kurse erwartet. Nur noch jeder Dritte (minus vier Prozentpunkte) gibt an tendenziell tiefere Kurse erwartet zu haben.

Mit steigender Verunsicherung und gedrückter Stimmung unter den Anlegern steigt jedoch der Optimismus, die Zuversicht über künftig steigende Kurse. 39 Prozent (plus sechs Prozentpunkte) erwarten für den Dax in drei Monaten höhere Kurse, weitere 32 Prozent gehen von einer Seitwärtsbewegung aus.

An eine anhaltende Abwärtsbewegung glauben nur noch 15 Prozent (minus vier Prozentpunkte). „Es erscheint logisch, dass mit tieferem Bewertungsniveau im Dax künftig steigende Kurse die Folge sein werden“, meint Heibel.

Entsprechend macht die Kaufbereitschaft bei den Umfrageteilnehmern einen großen Sprung: Mit 30 Prozent wollen um 11 Prozentpunkte mehr Anleger in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen als noch vor einer Woche. Weiterhin zwölf Prozent (minus zwei Prozentpunkte) wollen lieber verkaufen aber nur noch 58 Prozent (minus neun Prozentpunkte) wollen vorerst abwarten.

„Die Stimmung ist gedrückt, doch der Optimismus ist groß“, meint Heibel. „Anders als in den Vorwochen folgt dem hohen Optimismus inzwischen auch eine große Kaufbereitschaft, so dass ich derzeit zumindest mit einer Gegenbewegung rechne“.

Das derzeit alles dominierende Thema an den Börsen ist das Referendum um den Brexit, das am Donnerstag in Großbritannien abgehalten wird. Die Chancen stehen laut Umfragen gut für einen Brexit, wenn man sich jedoch die Quoten englischer Wettbüros anschaut, wo echtes Geld eingesetzt wird, dann setzt kaum jemand auf den Ausstieg der Briten aus der EU. Dieser Widerspruch führt zu den heftigen Kursausschlägen an den Börsen, Ungewissheit ist das Schlimmste für Anleger.


"Negative Auswirkungen werden überschätzt"

„Aufgrund des inzwischen übergroßen Optimismus halte ich eine Rally im Falle des Verbleib der Briten in der EU für kurzlebig, die derzeit große Verunsicherung dürfte meiner Einschätzung nicht für länger anhaltende Kurssteigerungen reichen“, analysiert der Sentimentexperte.

Wann genau jedoch der Tiefpunkt der Korrektur zu erwarten sei, oder ob wir ihn bereits hinter uns haben, lasse sich in diesem turbulenten Stimmungsumfeld schwer bestimmen. Heibel muss die Anleger vertrösten: „Eine wesentlich bessere Aussage dürfte unsere Sentimentumfrage direkt nach dem Referendum am kommenden Wochenende geben.“

Optimistischer in der Hinsicht ist Sentiment-Experte Joachim Goldberg, der die Stimmungsumfrage der Deutschen Börse auswertet. Denn während bei einem Verbleib der Briten in der EU allenthalben mit einer Erleichterungsrally für den Dax gerechnet wird, mögen viele sich nicht ausmalen, was im Falle eines Brexit auch für den heimischen Aktienmarkt angesagt ist.

„Doch wir gehen wir davon aus, dass die negativen Auswirkungen einer solchen Entscheidung weithin überschätzt werden“, meint Goldberg. Denn bereits nach kurzer Zeit dürfte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass mit einem Brexit-Votum nicht einfach ein Schalter umgelegt wird. Außerdem bestehe das größte Problem vieler langfristiger Investoren weiterhin darin, wie sie ihre derzeit hohe Liquidität gewinnbringend anlegen können. „Dabei dürfte die Aktie nach wie vor eine gesuchte Anlageklasse darstellen.“

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist

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