Dax-Umfrage Anleger tupfen sich den Angstschweiß von der Stirn

Die Probleme mit der Deutschen Bank sind offenbar bereits abgehakt, nun haben Investoren die Jahresendrally fest im Visier. Doch diese Sorglosigkeit könnte kontraproduktiv sein, zeigt eine exklusive Analyse.

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Finanzmarktexperte Robert Halver von der Baader Bank fasst sich an die Stirn. Nach der Erholung am Aktienmarkt setzt sich unter Anlegern die Überzeugung durch, dass wir noch eine schöne Jahresendrally erleben werden. Quelle: dpa

Düsseldorf Reichte der Ausverkauf am Freitag (30. September) für einen Panik-Boden, als Ausgangspunkt für nachhaltig steigende Kurse? Denn der Schock über die hohe Strafandrohung gegen die Deutsche Bank hatte den Dax an dem Freitag auf 10.200 Punkte gedrückt.

Diese Frage aus der Vorwoche konnte Börsenexperte Stephan Heibel nicht eindeutig beantworten. Die Chance für eine heftige Gegenbewegung ist in diesem sprunghaften Markt jederzeit gegeben, der Dax könne dann in Richtung 10.800 Punkte springen, sagte er am vergangenen Montag. Doch ob sich darauf eine nachhaltige Rally aufbaue, sei noch ungewiss.

In der vergangenen Handelswoche folgte eine Erholungsbewegung, die jedoch bereits bei 10.634 Punkte auslief und damit nicht über die obere Begrenzung der Seitwärts-Spanne von 10.800 Punkte führte. Die Aussicht auf eine einvernehmliche Lösung zwischen der US-Justiz und der Deutschen Bank sorgte in der abgelaufenen Woche für Entspannung.

„Es scheint, als tupften sich Anleger den Angstschweiß von der Stirn, richteten ihr Krönchen und bereiteten sich auf die anstehende Berichtssaison vor“, meint Heibel. Doch eine Entscheidung, ob der Dax über 10.800 ausbricht oder unter 10.200 Punkte fällt, stehe noch aus. „Vielleicht werden wir in dieser Woche eine Entscheidung sehen, immerhin werden wir erste Quartalszahlen erfahren“, meint der Sentimentexperte.

Der Inhaber des Analysehauses Animusx wertet die wöchentliche Handelsblattumfrage Dax-Sentiment unter mehr als 2300 Anlegern aus. Die werden befragt, wie sie aktuell die Aktienmärkte einschätzen. Die anschließenden Prognosen zur Dax-Entwicklung sollen Orientierung für die Geldanlage bieten.


Schock steckt noch in den Gliedern

Das aktuelle Ergebnis der Umfrage zeigt: Einen Aufwärtstrend sehen derzeit nur elf Prozent, einen Abwärtsimpuls zwölf Prozent (minus 17 Prozent gegenüber der Vorwoche). Die neutrale, abwartende Stimmung zeigt sich deutlich in der Einschätzung, dass der Dax sich derzeit in einer Seitwärtsbewegung befindet. Die ist um zwölf Prozentpunkte auf 66 Prozent angestiegen. Damit ist die Angst der Vorwoche verflogen.

Doch der Schock steckt noch in den Gliedern: Nur sieben Prozent haben auf steigende Kurse spekuliert, elf Prozent hingegen gingen von weiter fallenden Kursen aus. 82 Prozent der Umfrageteilnehmer (plus zehn Prozentpunkte) haben diese Entwicklung mehr oder weniger oder kaum erwartet. „Ich werte das dahingehend, dass viele Umfrageteilnehmer inzwischen neutral positioniert sind“, erläutert Heibel. „Schwankungen im Dax zwischen 10.200 und 10.800 Punkten interpretieren die Anleger als Seitwärtsbewegung“.

Eine interessante Entwicklung gab es bei der Erwartungshaltung. Unter den ersten Abstimmungsteilnehmern waren überproportional viele Pessimisten, erst im Verlauf der Abstimmung, die von Freitag früh bis ins Wochenende hinein lief, kam verstärkt Optimismus auf. So gehen letztlich mit 38 Prozent die meisten Umfrageteilnehmer von steigenden Kursen im Dax in drei Monaten aus, 19 Prozent von fallenden Kursen. Fast jeder Dritte erwartet eine anhaltende Seitwärtsbewegung aus.

Die meisten erwarten also für irgendwann in der Zukunft einen Ausbruch des Dax nach oben und entsprechend wollen 24 Prozent der Umfrageteilnehmer (plus ein Prozent) in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen, nur zwölf Prozent (minus zwei Prozent) wollen Positionen verkleinern. 64 Prozent geben an, vorerst abzuwarten.

Das Sentiment der Stuttgarter Börse Euwax zeigt eine zunehmende Sorglosigkeit der Privatanleger. Die Gefahr eines Ausverkaufs wird derzeit so gering eingeschätzt wie zuletzt kurz nach dem Brexit-Ausverkauf. Wie es scheint, haben viele Anleger den durch die Deutsche Bank verursachten Ausverkauf genutzt, um ihre Absicherungen zurückzufahren und sich wieder optimistischer zu positionieren.

Nach dem Brexit-Votum Ende Juni 2016 folgte eine kräftige Rally von 9.300 auf 10.600 Punkte im Dax. In dieser Zeit hatten Anleger ihre Absicherungen kontinuierlich hochgefahren. Dieser Indikator der Euwax basiert auf marktnahen Privatanleger-Orders in Hebelprodukten auf den Dax.


Anleger werfen Sorgen über Bord

In den USA steht der „Angst-und-Gier-Index“ bei 53 und zeigt damit eine neutrale Verfassung der technischen Börsenindikatoren an. Institutionelle Anleger haben ihr Engagement auf 78,5 Prozent zurückgefahren. Blogger und Börsenbriefschreiber geben nur noch 37,5 Prozent Kaufempfehlungen aus, was ebenfalls eine neutrale Stimmung widerspiegelt.

„Es setzt sich unter Anlegern die Überzeugung durch, dass wir noch eine schöne Jahresendrally erleben werden“, lautet das Fazit von Heibel. Doch wann diese starte, darüber gebe es noch keine klare Meinung. Viele Umfrageteilnehmer gehen zuvor von nochmals deutlich tieferen Kursen aus und warten, bis sie sich für die erwartete Rallye positionieren

Besonders kritisch ist in seinen Augen die niedrige Shortposition von Anlegern, die eine große Sorglosigkeit widerspiegelt. Sollten die Kurse tatsächlich absacken, gegebenenfalls unter die untere Unterstützung der aktuellen Handelsspanne bei 10.200 Punkten, dann könnte diese Sorglosigkeit schnell in Angst umschlagen und eine Abwärtsbewegung verstärken.

Ängste könnten gerade in dieser Woche auftreten, denn in der vergangenen Woche sorgte ein Bloomberg-Artikel für Verunsicherung: Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeite Szenarien aus, wie sie ihr Anleihekaufprogramm in Höhe von monatlich 80 Milliarden Euro schrittweise zurückfahren könnte. Derzeit läuft das Programm bis März 2017, danach könnte, so der Bericht, die EZB beginnen, das Volumen um monatlich zehn Milliarden Euro zu senken.

Ob dieser Bericht stimmt oder nicht ist nach Ansicht des Sentimentexperten zunächst einmal zweitrangig. In Folge dieses Berichts werden nun Marktteilnehmer jede Konjunkturinformation kontrovers diskutieren: Eine bessere Konjunktur ist nicht mehr uneingeschränkt positiv zu werten, da die EZB ihre Liquiditätsflutung um so schneller zurückfahren könnte, je besser sich die Konjunktur entwickelt. Diese nunmehr geänderte Wahrnehmung von Konjunkturdaten könnte in den kommenden Tagen für Spannungen sorgen.

Langfristig, und da haben die Umfrageteilnehmer recht, ist eine bessere Konjunktur natürlich positiv zu werten und eine schrittweise Zurücknahme der Liquiditätsflutung sollte, sofern dies maßvoll geschieht, einen Aufschwung nicht vereiteln. Mit ihrer Erwartung von einer Jahresendrally könnten die Anleger also richtig liegen. „Doch ob sich diese Erkenntnis schon diese Woche in steigende Kurse umsetzt, oder aber ob zunächst nochmals Verwirrung aufkommt, das ist nicht eindeutig zu klären“, meint Heibel.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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