Dax-Umfrage Anleger wollen Rally nicht verpassen

Dieselskandal und starker Euro: Für Investoren sind das nur vorübergehende Belastungen für deutsche Aktien. Sie wollen sogar verstärkt Wertpapiere kaufen. Die Konstellation bietet großes Überraschungspotenzial.

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ARCHIV - ILLUSTRATION - Die große Anzeige in der Börse in Frankfurt am Main (Hessen) zeigt am 15.01.2014 die Dax-Kurve und verschiedene Börsenkurse (Aufnahme mit Doppelbelichtung). Foto: Daniel Reinhardt/dpa (zu dpa

Düsseldorf Vor einer Woche beschrieb Börsenexperte Stephan Heibel die Stimmung der Anleger mit Panik. Und leitete daraus eine zumindest kurzfristig gute Gelegenheit für eine Spekulation auf steigende Kurse ab. Tatsächlich sprang der Dax in der vergangenen Woche kräftig auf und ab und endete mit einem Wochenplus von 1,1 Prozent bei 12.298 Punkten.

Wöchentlich wertet der Inhaber des Analysehauses Animusx die Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment unter mehr als 2600 Anlegern aus. Zusammen mit anderen Indikatoren prognostiziert er, wie sich der deutsche Leitindex in den kommenden Handelstagen entwickeln könnte.

Dabei achtet er vor allem auf Extremwerte, die oft Kontraindikatoren sind. Sind beispielsweise die Anleger euphorisch und erwarten Kursgewinne, ist das ein Indiz für bald fallende Notierungen. Denn in diesem Fall sind fast alle investiert und fallen als Käufer aus, sollten die Kurse nachgeben.

Laut der aktuellen Umfrage sind sich die Umfrageteilnehmer weitgehend einig: Die Kursverluste im Dax sind vorbei. Noch in der Vorwoche sah knapp die Hälfte der Anleger den deutschen Leitindex in einer Abwärtsbewegung. Diese Zahl ist aktuell auf 35 Prozent gefallen. Von einer Seitwärtsbewegung gehen nun 37 Prozent (plus vier Prozentpunkte) aus, von einer Bodenbildung 15 Prozent (plus fünf Prozentpunkte). Immerhin sechs Prozent (plus drei Prozentpunkte) meinen, schon wieder einen Aufwärtsimpuls zu erkennen.

Und mit 45 Prozent (plus elf Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) geben die meisten Umfrageteilnehmer an, diese Entwicklung zum größten Teil erwartet zu haben. Weitere acht Prozent (minus zwei Prozentpunkte) haben sogar darauf spekuliert. Insbesondere diejenigen, die vom plötzlichen Kurseinbruch vor einer Woche überrascht wurden (minus elf Prozentpunkte auf 13 Prozent), sind diese Woche selbstzufriedener. Immerhin 34 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) sehen ihre Erwartungen kaum erfüllt.


Optimismus springt nach oben

„Etwas überrascht bin ich von dem sprunghaft angestiegenen Optimismus“, meint Heibel. Denn in drei Monaten erwarten nun 45 Prozent (plus acht Prozentpunkte) der Anleger einen Aufwärtsimpuls. Eine Abwärtsbewegung fürchten 19 Prozent (plus ein Prozentpunkt), von einer Seitwärtsbewegung gehen 23 Prozentpunkte aus (minus sechs Prozentpunkte). Damit ist der Optimismus auf das höchste Niveau seit Mitte 2015 gesprungen. Das war kurz bevor in den USA die Zinswende eingeleitet wurde, der Dax brach in den folgenden neun Monaten um 25 Prozentpunkte ein.

Die Investitionsbereitschaft bleibt auf moderat positivem Niveau. In den kommenden zwei Wochen plant jeder vierte Anleger, Aktien zuzukaufen (plus drei Prozentpunkte), 13 Prozent hingegen wollen Aktien verkaufen (minus zwei Prozentpunkte). Vorerst abwarten wollen 63 Prozent (minus ein Prozentpunkt).

Ein Blick auf andere Indikatoren zeigt: Spekulanten haben ihre Short-Positionen, mit denen sie von fallenden Kursen profitieren, deutlich verringert. Die ehemals großen Shortpositionen in einigen deutschen Einzeltiteln sind in den vergangenen Wochen deutlich verkleinert worden.

So notiert das entsprechende Sentiment der Börse Stuttgart, das anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den Dax ermittelt wird, mit 3,27 Punkten im moderat optimistischen Bereich. „Privatanleger, die an der Euwax handeln, sind also optimistisch, noch lange aber nicht euphorisch positioniert“, lautet das Fazit des Sentimentexperten. Institutionelle Anleger hingegen, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, sind neutral positioniert.

In den USA zeigt der „Angst-und-Gier-Index“ des Börsenbarometers S&P 500 mit 59 Prozent eine neutrale Verfassung an. Dieser Indikator wird anhand technischer Marktdaten ermittelt.

Institutionelle Anleger sind in den USA mit einer Investitionsquote von 93 Prozent unterwegs. Das ist ein hohes Niveau, liegt aber im Durchschnitt der vergangenen Monate. US-Privatanleger haben eine Bulle/Bär-Quote von vier Prozent und sind somit ebenfalls neutral gestimmt.

„Stimmungstechnische Schieflagen, aus denen wir eine Bewegungsrichtung an den Aktienmärkten ableiten könnten, liegen in den USA nicht vor“, fasst Heibel zusammen. Er herrsche quasi ein Sommerloch vor.


Eine gefährliche Stimmungslage

Für den Sentimentexperten werden der Dieselskandal sowie auch der starke Euro-Wechselkurs hierzulande von vielen Anlegern offensichtlich als vorübergehende Belastungen wahrgenommen, die jedoch nicht an der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands rütteln würden. „Anders kann ich mir das Ergebnis der aktuellen Sentimentumfrage nicht erklären: Der Optimismus war seit zwei Jahren nicht mehr so groß“, erläutert der Animusx-Inhaber. Man sei sich zwar offensichtlich noch nicht sicher, ob man das Schlimmste im Dax-Sommertheater bereits gesehen habe, doch für diesen Herbst gingen erstaunlich viele Anleger von einer kräftigen Rally aus. Es werde offensichtlich nur noch die Frage gestellt, wann der beste Kaufzeitpunkt ist. „Das ist eine gefährliche Stimmungslage“, so Heibel.

Denn in den vergangenen Wochen habe sich das Sicherheitsnetz, das aus Sicht der Sentiment-Theorie über Monate unter der Dax-Rally eingezogen war, aufgelöst. Dieses Netz bestand aus den vielen Short-Spekulationen, mit denen sich Anleger monatelang vor fallenden Kursen abgesichert oder auf Kursverluste spekuliert hatten. Solche hohe Engagements bewirken aus Sentimentsicht eher das Gegenteil: Bei fallenden Kursen realisieren die Anleger schnell Gewinne und beim Verkauf von Short-Produkten kaufen sie wieder den Dax und stützen damit den Index.

Doch nun wird die Rally zunehmend von Anlegern auch als Rally wahrgenommen. Es scheint, dass so langsam Druck aufkommt und Anleger auf steigende Kurse setzen, um nicht den nächsten Rally-Schub zu verpassen. „Diese positive Erwartungshaltung bildet die Grundlage für ein großes Überraschungspotenzial – leider auf der negativen Seite“, erläutert Heibel.

Die Folge des Verhaltens: Leicht abbröckelnde Kurse könnten von den optimistisch eingestellten Anlegern frühzeitig zum Positionsaufbau genutzt werden. „Ich fürchte jedoch, dass eine eventuelle Verkaufswelle durch internationale, institutionelle Anleger von den heimischen Privatanlegern nicht aufgefangen werden könnte“, so der Animusx-Geschäftsführer. Und dann wären viele Anleger mit ihren Positionen schnell deutlich im Minus und würden alsbald die Verkaufswelle verstärken.

Auf der anderen Seite habe der Dax jedoch bereits kräftig Federn gelassen, und unter Anlegern besteht laut Umfrage eine große Investitionsbereitschaft: Anleger wollen verstärkt Aktien kaufen. Die Frankfurter Benchmark könnte bei 12.100 Punkten ihren Boden gefunden haben. Wenn nun Kurse langsam steigen, dürfte Kaufdruck aufkommen, ausgelöst durch Anleger, die nun bei der Rally dabei sein wollen, der den Dax deutlich höher befördert.

„Es ist die Frage, wie nachhaltig eine solche Rally sein wird, denn das Pulver der Privatanleger dürfte schnell verschossen sein“, meint Heibel. Für eine länger anhaltende Rallye müsste seiner Einschätzung nach der Euro ein wenig Federn lassen, denn die feste europäische Gemeinschaftswährung Euro der vergangenen Wochen habe dazu geführt, dass der Dax unter Druck geriet, während internationale Börsen neue Rekorde feierten. „Ein schwacher Euro könnte internationale Anleger zurück auf das Dax-Parkett rufen und dann die Rally in Richtung 13.000 Punkte treiben.“

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