Dax-Umfrage Anlegern sitzt der Schock in den Knochen

Mehr als 350 Punkte verlor der Dax in nur zwei Handelstagen - für die rallyverwöhnten Investoren eine ungewohnte Erfahrung. Viele glauben nun an den Anfang vom Ende der Rally. Was das für die kommenden Tage bedeutet.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Düsseldorf Am Mittwoch und Donnerstag der vergangenen Handelswoche passierte etwas, was viele Anleger nach der langen Rally kaum noch kennen: Der Dax brach ein. Mitten in einem Aufwärtstrend gab es zwei Tage mit heftigen Verlusten. Doch so schnell, wie der Dax in den Sinkflug überging, so schnell war der Sinkflug auch vorüber.

Dass diese Kursverluste zum großen Teil schnell wieder wettgemacht wurden, kam für der Leser des Dax-Sentiments nicht überraschend. Denn Anleger hatten vor einer Wochen verstärkt auf fallende Kurse spekuliert. „Das spricht deutlich gegen die Wahrscheinlichkeit eines heftigen Ausverkaufs im Dax“, meinte Börsenexperte Stephan Heibel am vergangenen Montag.

Woche für Woche prognostiziert er, wie der Dax sich in den kommenden Handelstagen entwickeln dürfte. Basis dafür ist die Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment unter mehr als 2400 Anlegern. Der Inhaber des Analysehauses Animusx betrachtet die Ergebnisse der Erhebung über die aktuelle und die künftige Börsenentwicklung vor allem als Kontraindikatoren. Vereinfacht gesagt: Sind Anleger beispielsweise zu pessimistisch, ist das eher ein Indiz für bald steigende Kurse. Weil dann viele ihre Aktien bereits verkauft haben und neue Käufe schnell zu höheren Kursen führen.

Und wie wird es in den kommenden Handelstagen weitergehen? „Aus Sicht der Sentimenttheorie wären in der kommenden Woche fallende Kurse eine Überraschung, ein Anstieg hingegen würde weitere Nachfrage nach sich ziehen und die Rallye weiter anheizen“, prognostiziert Heibel. Er erwartet aber, dass das Handelsvolumen gering bleiben wird.

Entsprechend den Turbulenzen am Mittwoch und Donnerstag ist die Stimmung der Anleger deutlich getrübt. Nur noch jeder Fünfte der Umfrageteilnehmer (minus zwölf Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) sieht in der aktuellen Dax-Entwicklung einen Aufwärtsimpuls, weitere 22 Prozent (minus 18 Prozentpunkte) gehen von einer Topbildung aus.

Dafür ist nun das Lager derer, die den deutschen Leitindex in einer Seitwärtsbewegung sehen, um 15 Prozentpunkte auf 35 Prozent angewachsen. Weitere 19 Prozent (plus 13 Prozentpunkte) werten diese Woche bereits als Abwärtsimpuls. Die Stimmung, die vor zwei Wochen noch euphorisch war, ist nunmehr neutral.


Rekordpessimismus ebbt ab

Es ist keine wirkliche Überraschung, dass es nach den heftigen Kurszuwächsen der Vorwochen irgendwann einmal zu einer kleinen Korrektur kommen musste. Dennoch wurden 15 Prozent (plus zehn Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) auf dem falschen Fuß erwischt, weitere 34 Prozent (plus 13 Prozentpunkte) haben diese Entwicklung kaum erwartet. 43 Prozent (minus 14 Prozentpunkte) sehen diese Korrektur zum größten Teil innerhalb ihrer Erwartungen. Acht Prozent der Umfrageteilenehmer (minus neun Prozentpunkte) haben sogar darauf spekuliert. Fazit: Die moderate Selbstzufriedenheit der Vorwochen ist somit binnen kürzester Zeit verflogen. Anleger sind verunsichert.

„Es überrascht mich, dass viele diese kleine Korrektur bereits als ausreichend empfinden, um ihre Erwartungen deutlich nach oben zu schrauben“, fasst der Animusx-Inhaber die Zukunftserwartungen der Anleger zusammen. Der Rekordpessimismus, der in den vergangenen Wochen gemessen wurde, bewegt sich damit wieder zurück in den neutralen Bereich.
So gehen nun 19 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) von einem steigenden Dax in drei Monaten aus. Unverändert 32 Prozent erwarten eine Seitwärtsbewegung und ebenfalls 33 Prozent (minus vier Prozentpunkte) gehen von einem Abwärtsimpuls in drei Monaten aus.
Die Investitionsbereitschaft ist nach dem Rücksetzer moderat: Jeder Fünfte (plus zwei Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) will in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen, 19 Prozent (minus vier Prozentpunkte) wollen verkaufen. Mit 61 Prozent (plus drei Prozentpunkte) warten die meisten vorerst ab.

Die Privatanleger, die an der Stuttgarter Börse Euwax handeln, sichern sich immer noch sehr stark vor möglichen Kursverlusten ab. Das Euwax-Sentiment, das auf realen Trades mit Dax-Hebelprodukten basiert, notiert auf einem entsprechend hohen Niveau.

„Dieser seit Wochen hohe Absicherungsbedarf erklärt auch, warum der Ausverkauf im Dax nur so kurz anhielt“, erläutert Heibel. Und die weiterhin hohen Short-Positionen deuten darauf hin, dass dies auch in den kommenden Tagen nicht schlechter sein wird.
Institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, haben ihre Shortpositionen hingegen bereits aufgelöst und setzen mehrheitlich schon wieder auf steigende Kurse.
In den USA notiert der „Angst-und-Gier-Index“ des S&P 500, der anhand von technischen Marktdaten berechnet wird, mit 51 Prozent von maximal 100 im neutralen Bereich. Auch in den USA sind die Absicherungsgeschäfte der Institutionellen auf niedrigem Niveau. Die Investitionsquote der Institutionellen hingegen verbleibt mit 92 Prozent auf hohem Niveau. US-Privatanleger hingegen sind vorsichtig, der Bulle/Bär-Index ist mit minus 10,4 Prozent deutlich bärisch.


Viele deutsche Anleger haben nicht investiert

Seit Jahresbeginn entwickeln sich die Aktienmärkte in den USA und Deutschland unterschiedlich. Der Dax hat mit einem Plus von 10,1 Prozent seitdem fast bereits doppelt so viel zugelegt wie der Dow–Jones-Index mit plus 5,3 Prozent. „Meiner Einschätzung nach liegt das an der sich kontinuierlich verbessernden Konjunktur in Europa sowie der gleichzeitig einziehenden politischen Stabilität durch den Wahlsieg Macrons“, meint Heibel.

In den USA hingegen kämpfe das politische Establishment aus Washington mit Geheimdiensten und Medien gegen den US-Präsidenten Donald Trump. „Das ist ein spannender Kampf, dessen Ausgang noch völlig ungewiss ist“, sagt der Sentimentexperte. Entsprechend ungewiss sei auch die Aktienmarktentwicklung in den USA. Deswegen schichten viele internationale Anleger ihr Kapital um, bevorzugt nach Europa.

Viele deutsche Anleger haben hingegen die Dax-Rally nur beobachtet und nicht profitiert. Deswegen kam in den vergangenen Wochen nur kurz eine euphorische Stimmung bei der Handelsblatt-Umfrage auf – trotz der hohen Kursgewinne.

Nach Ansicht von Heibel haben die Anleger auch den Rücksetzer in der abgelaufenen Woche nicht für einen Einstieg genutzt. Vielmehr interpretierten die Privatanleger diese Verluste als Anfang vom Ende der Rally und stockten teilweise die Absicherungspositionen noch weiter auf.

„Damit bleibt der Dax gut unterstützt, einen heftigen Kurseinbruch fürchte ich auch in den kommenden Tagen nicht“, fasst der Animusx-Geschäftsführer die Lage zusammen. Andererseits spitze sich die Auseinandersetzung in den USA immer weiter zu, sodass beherzte Investitionen in den Aktienmarkt, auch in den deutschen, eher ausbleiben dürften. Das Handelsvolumen dürfte abebben. „Gegebenenfalls könnten aber steigende Kurse irgendwann Deckungskäufe nach sich ziehen, was eine Rally weiter anheizen würde“, lautet seine Prognose.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%