Dax-Umfrage „Das kann nicht lange gutgehen“

Der deutsche Leitindex erreicht in der Sommerpause ein Jahreshoch nach dem nächsten. Doch laut einer exklusiven Umfrage braut sich am deutschen Aktienmarkt derzeit eine gefährliche Mischung zusammen.

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Händler an der Frankfurter Börse: Sorgenfalten auf dem Gesicht dürfte es für viele Anleger geben, sollte die Prognose von Stephan Heibel wahr werden und die Kurse bald fallen. Quelle: Reuters

Düsseldorf Der Dax hat eine grandiose Woche hinter sich. Das deutsche Börsenbarometer stieg um 3,3 Prozent und markierte mehrfach neue Jahreshoch – am heutigen Montag ein neues bei 10.802 Punkten. Für Leser des Dax-Sentiments keine sehr große Überraschung. „Vor dem Hintergrund des dünnen Handelsvolumens in diesen Sommerwochen ist es durchaus möglich, dass diese Stimmungslage bereits für höhere Notierungen ausreicht“, sagte Börsenexperte Stephan Heibel vor einer Woche.

Und da sich laut den Zahlen der Stuttgarter Börsen Euwax von vor einer Woche extrem viele Anleger gegen fallende Kurse abgesichert hatten, kam es es an einem Handelstag zu einem rasanten Kursanstieg von mehr als 260 Punkte. Denn angesichts steigender Kurse standen diese Anleger unter Druck, ihre Absicherungspositionen aufzulösen. Das beflügelte die Kurse deutlich. Ein weiterer Grund für das große Wochenplus: Es gab vor einer Woche nur noch wenig Verkäufer. Da reichten wenige verbliebene Käufer für höhere Kurse.

Basis für Heibels Prognosen zur künftigen Dax-Entwicklung ist die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage unter mehr als 2300 Anlegern zur Ihrer Einschätzung der aktuellen Börsenlage. Die Ergebnisse bewertet anschließend der Inhaber des Analysehauses Animusx und bietet Anlegern dadurch Orientierung für die Geldanlage.

Nun hat sich die Lage komplett verändert. Mit der Rally ist gleichzeitig auch die Anlegerstimmung fast explodiert: Fast jeder zweite Umfrageteilnehmer sieht die aktuelle Börsenlage als Aufwärtstrend an – ein Plus von 31 Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche. Das Lager der Pessimisten ist auf der anderen Seite deutlich kleiner geworden: Abwärtsimpuls (nur noch vier Prozent), Bodenbildung (zwei Prozent) und Seitwärtsbewegung (minus 37 Prozentpunkte auf nur noch 17 Prozent) erkennen nur noch wenige. Angesichts der Rally sieht nun jeder Dritte (plus 15 Prozentpunkte) eine Topbildung, also ein Niveau, von dem aus die Kurse fallen werden.

Bei der Selbstgefälligkeit der Anleger gilt die Formel: Sie steigt mit steigenden Aktienkursen. Auf die Frage, ob sie den Börsenverlauf der vergangenen Woche so erwartet haben, antworteten 26 Prozent mit „voll und ganz“ – ein Plus von 16 Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche. Anders ausgedrückt: Mehr als jeder vierte Umfrageteilnehmer hat einen Anstieg von mehr als drei Prozent in vollem Umfang erwartet. „Eine menschliche Reaktion“, erläutert Heibel das Ergebnis. Schließlich würden sich die Anleger über steigende Kurse freuen. Entsprechend hält sich die Zahl derer, die von der Rally enttäuscht wurden, in Grenzen. Nur noch 31 Prozent insgesamt waren von Verlauf der vergangenen Woche enttäuscht.


Zahl der Verkäufer steigt

Ein bedenkliches Ergebnis der Umfrage: Die Zuversicht der Anleger sinkt. Nur noch 30 Prozent (minus neun Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) erwarten in drei Monaten steigende Kurse. 13 Prozent (plus zehn Prozentpunkte) erwarten, dass dann die Kursgewinne ein Ende finden und glauben dann an eine Topbildung. Fallende Kurse erwarten dann 22 Prozent (plus drei Prozentpunkten).

Auch die Investitionsbereitschaft hat sich deutlich gewandelt. Der Anteil derer, die in den nächsten 14 Tagen verkaufen wollen, ist um sieben Prozentpunkte auf 23 Prozent gestiegen. Die sind aus dem Lager der unentschlossenen Anleger gekommen. 54 Prozent (minus acht Prozentpunkte) wissen noch nicht, ob sie in den nächsten zwei Wochen handeln werden. Die Zahl der Käufer ist mit 22 Prozent praktisch gleich geblieben.

Fazit der Umfrage: Es braut sich eine gefährliche Mischung am Aktienmarkt zusammen. „Das kann nicht lange gutgehen“, meint Sentimentexperte Heibel. Die Zutaten der Mischung: Euphorie unten den Anlegern, gepaart mit einer sinkenden Zuversicht und gleichzeitig deutlichem Zuwachs an Verkäufern.

Seiner Ansicht nach könne der Aktienmarkt weiter steigen, doch eine Korrektur sei eher eine Frage von Tagen als von Wochen. Dies müsse seiner Ansicht nach keine länger andauernde Baisse sein, aber fallende Kurse in den nächsten Tagen seien unvermeidlich.

Was eine hohe Euphorie unter den Anlegern bedeutet, lässt sich mit dem Vergleich von ähnlichen Werte erklären. Derzeit ist das kurzfristige Sentiment auf über vier Prozent gestiegen. Solche hohen oder noch höhere Werte haben seit Beginn der Umfrage vor rund zwei Jahren fast immer eine Korrektur eingeleitet. So wie im Dezember 2015, als der Wert bei über fünf Prozent lag. Damals notierte das deutsche Börsenbarometer bei 11.293 Zählern und ging in eine Korrektur über, von der sich der Dax bis heute nicht komplett erholt hat.

Oder wie im April 2015: Damals erreichte der Dax sein bisheriges Allzeithoch bei 12.374 Punkten und das Sentiment lag bei 4,5 Prozent, signalisierte damit auch Euphorie unter den Investoren. Sowohl im Dezember als auch im April des vergangenen Jahres war die Zuversicht der Anleger sehr gering.


Gier in den USA geht zurück

Entspannt hat sich die Lage beim aktuellen Sentiment der Stuttgarter Börse Euwax. Zwar sichern sich immer noch viele Anleger gegen fallende Kurse ab, doch die Zahl ist im Vergleich zur Vorwoche deutlich gesunken. Dadurch ist eine Situation wie in der Vorwoche, als der Dax an einem Tag um 260 Punkte stieg, weniger wahrscheinlich geworden. Weil auch weniger Anleger bei fallenden Kurse ihre Absicherungspositionen verkaufen müssen, damit ihre Verluste nicht zu werden.

Für weiter fallende Kurse spricht auch der amerikanische „Angst-und-Gier-Index“, der anhand von technischen Indikatoren wie Volatilität und nicht per Umfrage ermittelt wird. Der liegt bei 70 und zeigt immer noch eine extreme Gier. Allerdings lag dieser in den vergangenen Wochen deutlich höher, am vergangenen Montag noch bei 80.

Dieser US-Index basiert auf der Annahme, dass Investoren von zwei Emotionen getrieben werden: Angst und Gier. Eine zu große Gier ist ein Indiz dafür, dass Kurse künftig fallen. Denn dann neigen Investoren dazu, auch bei eigentlich überteuerten Kursen zuzuschlagen. Sollten die Aktien dann plötzlich an Wert verlieren, können die Gierigen den Markt nicht mit neuen Käufen stützen, weil sie schon investiert haben.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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