Dax-Umfrage „Eine Menge Argumente für einen Crash“

Der deutsche Aktienmarkt hat seine Erholungsrally abrupt beendet. Das hat die meisten Anleger überrascht. Was sich jetzt aus der aktuellen Gemütslage an den Börsen für die eigene Positionierung herauslesen lässt.

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Kaum ein Marktteilnehmer hat zum Wochenstart mit der plötzlichen Kehrtwende beim Dax gerechnet. Quelle: dpa

Frankfurt Der jüngste Kursrückgang am deutschen Aktienmarkt dürfte am Montag viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt haben. Die meisten Investoren hierzulande hatten sich zuletzt für eine Fortsetzung der vergangene Woche gestarteten Erholungsrally positioniert. Das ergibt sich aus den Ergebnissen der Handelsblatt-Umfrage zur aktuellen Börsenstimmung.

Wöchentlich werden bei dieser Erhebung mehr als 2.300 Anleger gefragt, wie sie die Lage an den Aktienmärkten einschätzen. Die Ergebnisse bewertet Stephan Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx. Seine Prognosen zur Dax-Entwicklung sollen Orientierung für die Geldanlage bieten.

„Die Feierlaune unter den Anlegern hat bereits am Freitag einen Dämpfer bekommen und heute hat der Dax erneut im Minus eröffnet“, sagt Heibel. Nach Einschätzung des Experten sollten sich die Börsianer davon aber nicht zu sehr verunsichern lassen.

Zwar gebe es jede Menge Argumente für einen Crash – insbesondere etwa das Ende der Einflussmöglichkeiten der Notenbanken könne jederzeit für Panik sorgen – „doch diese Angst gibt es schon lange“, gibt Heibel zu bedenken. Aus dem aktuellen Stimmungsbild jedenfalls ergebe sich unter dem Strich, dass nach der Unterbrechung der Aufwärtsbewegung eher eine Fortsetzung der Rally zu erwarten sei.

Hintergrund: Der Zukunftsoptimismus sei sowohl in Deutschland als auch in den USA zurückgegangen, befindet sich jedoch noch auf einem hohen Niveau. Gleichzeitig sei die Investitionsbereitschaft angesprungen. Man habe also auf eine kurze aber heftige Fortsetzung der Rally gebaut.

„Gemäß der traditionellen Sentiment-Theorie, die in der Anlegerstimmung einen Kontraindikator sieht, würde ich nun die Verschnaufpause zwar als Überraschung für die Anleger bezeichnen“, erläutert Heibel. Doch falls nach der Verschnaufpause eine Rally startet, die länger als nur bis Mitte Oktober anhält, käme dies für die Investoren genauso unerwartet. Es gebe noch viele Anleger, die bei steigenden Kursen zu einem späteren Zeitpunkt in Kaufzwang geraten könnten.

Die Ergebnisse der jüngsten Auswertung im Detail: Mit 37 Prozent sehen derzeit ein Drittel mehr Anleger einen Aufwärtstrend als noch vor einer Woche. Laut Heibels Beobachtungen kommen diese aus dem Lager der „Niedergeschlagenen“, deren Anteil um ein Drittel auf sieben Prozent zurückgefallen sei. Nur noch 42 Prozent sehen demnach eine Seitwärtsbewegung am deutschen Aktienmarkt – das sind sieben Prozentpunkte weniger als in der vergangenen Woche.


Die kurzfristige Gier steigt

„Gegenläufig zur Stimmung unter den Anlegern, die kräftig angestiegen ist, fällt der Zukunftsoptimismus“, ergänzt der Sentiment-Fachmann: Mit 35 Prozent erwarten nun etwa sechs Prozent weniger befragte Anleger für den Dax in den kommenden drei Monaten steigende Notierungen.

Gleichzeitig aber bleibt auch das Lager der Pessimisten mit 16 Prozent (minus zwei Prozent zur Vorwoche) verhältnismäßig klein. Mit einer Seitwärtsbewegung des wichtigsten deutschen Börsenbarometers rechnet inzwischen ein knappes Drittel (plus drei Prozent).

Auf kurze Sicht sollte es nach Einschätzung der Umfrageteilnehmer aufwärts gehen am hiesigen Aktienmarkt. Denn 27 Prozent – und damit fünf Prozentpunkte mehr als zuvor - wollen noch in den Markt investieren. Dagegen planen unverändert 16 Prozent schon wieder auszusteigen. 56 Prozent (minus fünf Prozentpunkte) – und damit die mit Abstand meisten Anleger – möchten zunächst noch hinter der Börsenseitenlinie abwarten.

Mit seinem vorangegangenen Handlungsvorschlag lag Stefan Heibel jedenfalls genau richtig: Als der Dax Anfang vergangener Woche noch rund 200 Punkte tiefer notierte als momentan, hatte der Fachmann vorgeschlagen, nach und nach zu investieren: „Nun würde ich langsam beginnen, schrittweise Positionen wieder aufzustocken“, lautete seine Empfehlung damals – allerdings, nicht ohne einzuschränken: „Doch auch hier gilt es, vorsichtig zu sein“, so Heibel am vergangenen Montag.

Denn falls der Dax zu früh einen Boden ausbilde, könnte eine Erholungsbewegung ebenfalls früh wieder auslaufen. So wie es derzeit zu beobachten ist: Mehr als anderthalb Prozent ist der deutsche Leitindex zum Wochenstart unter seinen Freitagsschlusskurs von 10627 Zählern gesunken.

An der weltweit taktgebenden Wall Street hat sich die Stimmung der Anleger zuletzt weiter aufgehellt. Hintergrund: Die dortigen Aktienmärkte befinden sich wieder Nahe ihrer Rekordniveaus. Der Technologieindex Nasdaq hat jüngst sogar ein neues Allzeithoch markiert.

Entsprechend ist der technische „Angst-und-Gier-Indikator“ auch wieder um 19 Prozentpunkte auf 60 Prozent gesprungen und liege damit im Bereich der leichten Gier. „Die Gier zeigt sich insbesondere in der Spekulationsfreude der Anleger in Anleihen minderer Qualität“, erklärt Heibel. Auch die Optionsabsicherung gegen fallende Kurse sei niedrig – dies spiegele eine gewisse Sorglosigkeit der Anleger wider.

Was ebenfalls ins Bild passt: Die Investitionsquote institutioneller Anleger in den USA ist um elf Prozentpunkte auf 79 Prozent angestiegen. „Das spiegelt ein verhältnismäßig hohes, nicht aber überhitztes Investitionsniveau wider“, ordnet der Experte seine Beobachtungen ein.

Blogger und Börsenbriefschreiber würden außerdem zu 52 Prozent Kaufempfehlungen ausgeben, ein klarer Sprung in den Optimismus im Vergleich zur Vorwoche. Der langfristige Zukunftsoptimismus gehen jedoch ähnlich wie hierzulande auch in den USA zurück: Inzwischen sei nur noch ein knappes Viertel „bullisch“ eingestellt.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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