Dax-Umfrage „Es ist noch Luft nach oben“

Der Dax hat seine Jahresendrally gestartet – und auch die Börsenstimmung steigt auf einen neuen historischen Höchststand. Eine exklusive Umfrage zeigt, was das für den Aktienmarkt in den kommenden Tagen bedeutet.

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Institutionelle Anleger haben derzeit eine hohe Cashquote. Das spricht für weiter steigende Aktienkurse. Quelle: dpa

Düsseldorf Am Mittwoch vergangener Woche hat der Dax seine monatelange Seitwärtsphase beendet. Der deutsche Leitindex sprang schnell über das bisherige Jahreshoch von 10.827 Punkten und stieg am Freitag bis auf 11.213 Zähler. Eine Entwicklung, die für Teilnehmer am Handelsblatt-Dax-Sentiment nicht überraschend kam. Denn für den Börsenexperten Stephan Heibel war am vergangenen Montag der Ausbruch nur eine „Frage der Zeit“. Seiner Ansicht nach verfügten „institutionelle Anleger seit dem Sommer 2012 nicht mehr über so viele Barreserven wie zur Zeit. Ich werte das als klares Zeichen dafür, dass es genug Anlagevermögen an der Seitenlinie gibt, das nur darauf wartet, in den Markt gegeben zu werden.“

Wöchentlich wertet Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx, die Ergebnisse des Handelsblatt-Dax-Sentiments aus, einer Umfrage unter mehr als 2.300 Anlegern. Seine anschließende Analyse der Daten gibt Investoren Anhaltspunkte für ihre Geldanlage.

Um 6,6 Prozent ist der Dax nach dem Ausbruch aus der monatelangen Seitwärtsphase nach oben geschnellt. „Zusammen mit diesem Kurssprung verzeichnen wir einen bislang noch nie gesehenen Anstieg der Stimmung“, betont der Sentimentexperte.

Zwei Drittel der Anleger sehen den deutschen Leitindex in einem Aufwärtsimpuls – ein Plus von 61 Prozentpunkten im Vergleich zur Umfrage der Vorwoche. Im Gegenzug leerte sich sowohl das Lager derer, die eine Seitwärtsbewegung sehen (minus 51 Prozent auf lediglich neun Prozentpunkte), als auch die Gruppe der Pessimisten, die an einen Abwärtsimpuls glauben (minus 24 Prozent auf nur noch zwei Prozent). „Der Sentiment-Index erreicht heute den höchsten Stand in seiner Historie“, stellt der Animusx-Inhaber fest. Seit September 2014 befragt das Handelsblatt wöchentlich Anleger zur Börsenstimmung.

Die extrem hohe Euphorie der Anleger ist ein Kontraindikator und mahnt zur Vorsicht. Denn bei solch einer extrem positiven Stimmung sind viele Anleger investiert und fallen als mögliche Käufer aus, sollten die Kurse nachgeben. Doch für eine Sentimentanalyse ist dieser Indikator nur einer von mehreren, die berücksichtigt werden müssen.

Immer wieder geben die Antworten auf die vier Fragen interessante Details preis. Noch vor einer Woche hat kaum jemand auf steigende Kurse spekuliert. Doch in der aktuellen Umfrage gibt ein Drittel der Teilnehmer an, die Rally voll und ganz erwartet zu haben – ein Plus von 22 Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche. Für weitere 35 Prozent (minus fünf Prozentpunkte) haben sich die Erwartungen an die vergangene Handelswoche zum größten Teil erfüllt. Fazit: Die Selbstzufriedenheit der Anleger war seit einem Jahr nicht mehr so hoch wie jetzt.


Erwartungen haben sich deutlich abgekühlt

Und wie soll es nach dem Kurssprung weitergehen? Eine kurze Rally, mehr aber nicht, erwarten 19 Prozent (plus zwölf Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) der Umfrageteilnehmer. Sie gehen beim Dax in drei Monaten von einer Topbildung aus. Nur noch 19 Prozent (minus 16 Prozentpunkte) erwarten nachhaltig steigende Kurse, mit 36 Prozent (plus vier Prozentpunkte) gehen die meisten von einer Seitwärtsbewegung in drei Monaten aus. Damit hat sich die Erwartung deutlich abgekühlt.

Während 27 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) noch auf den angefahrenen Zug aufspringen möchten, denken 23 Prozent (plus zehn Prozentpunkte) bereits wieder ans Verkaufen. Auf jeden Fall hat die Rally Bewegung in die Investitionsabsichten gebracht. Nur noch jeder Zweite weiß noch nicht, ob er in den kommenden zwei Wochen am Markt aktiv werden möchte. Vor einer Woche waren es noch zwölf Prozentpunkte mehr.

Ein Blick auf das Sentiment der Stuttgarter Börse Euwax, das auf realen Trades mit Hebelprodukten auf den Dax basiert, zeigt: Privatanleger haben sich parallel zum Dax-Kurssprung stärker gegen mögliche Kursverluste abgesichert. Für Heibel ist das ein klassischer Kontraindikator: „Das spricht dafür, dass diese Rally noch weiterlaufen kann.“

In den USA zeigt sich ein anderes Bild. Der dortige „Angst-und-Gier-Index“, dem technische Marktdaten des Indexes S&P 500 zugrunde liegen, zeigt mit 85 Prozent eine extreme Gier an. So haben auch institutionelle Anleger ihre Investitionsquote auf 101,6 Prozent erhöht, setzen also mit Hebelprodukten auf weiter steigende Kurse.

Blogger und Börsenbriefschreiber geben zu 46 Prozent Kaufempfehlungen, und US-Privatanleger sind zu 43 Prozent bullish gestimmt. „Das sind dort schon deutliche Warnzeichen, insbesondere weil in den USA inzwischen kaum noch Absicherungsgeschäfte getätigt werden“, meint Heibel. Dies ergebe sich aus der sogenannten Put/Call-Ratio, dem Verhältnis von Optionen auf steigende und auf fallende Kurse.


Verschnaufpause ist jederzeit möglich

Für den Sentimentexperten existiert erneut ein grundverschiedenes Stimmungsbild in den USA und in Deutschland. Während in den USA deutliche Warnsignale zu sehen sind, die das Ende der Rally verkünden, gibt es in Deutschland noch Luft nach oben.

Zwar herrsche unter den Anlegern Euphorie - und gemäß der Sentimenttheorie ist Euphorie ein Kontraindikator und somit eine Warnung vor fallenden Kursen. Doch die fallenden Kurse müssen nicht sofort eintreten, vielmehr zeigen die historische Daten beim Dax-Sentiment, dass eine Rally nach starken Stimmungssprüngen durchaus ein paar Wochen weiterlaufen kann, bevor es zu einer Korrektur kommt.

Ein weiteres Argument für steigende Kurse: Die Erwartung der Anleger ist noch sehr gedämpft, von Zukunftsoptimismus kann nicht die Rede sein. Zudem stützt die defensive Haltung der Privatanleger, die wir aus dem Euwax-Sentiment abgelesen haben, diese Meinung. Die Kursrally könnte noch ein paar Tage weiterlaufen.

Zudem lag die Cashquote von Institutionellen vor zwei Wochen auf einem extrem hohen Niveau. Eine so hohe Cashquote wird nur langsam über viele Wochen abgebaut: Durch Käufe, die dann tendenziell Aktienkurse stützen.

Eine Verschnaufpause nach der fulminanten Rally der vergangenen Woche hält Heibel aufgrund der Euphorie jederzeit für möglich. Doch die Verschnaufpause sollte dann schon sehr bald durch institutionelle Anleger wieder für weitere Aktienkäufe genutzt werden, die ihre hohen Barbestände weiter reduzieren wollen.

In den USA sieht es anders aus, dort kommt die Rally ins Stocken: Das könnte daran liegen, dass mit zunehmender Anzahl von Tweets des designierten US-Präsidenten Donald Trump immer mehr Branchen, die zuvor als große Profiteure seiner Präsidentschaft gesehen wurden, Probleme bekommen: Pharma- und Biotechfirmen, Industrieunternehmen und Rüstungsfirmen. Der ein oder andere US-Anleger stellt in diesen Tagen fest, dass er hinsichtlich bestimmter Branchen vielleicht zu optimistisch war. „Es würde mich also nicht wundern, wenn der Dax in der kommenden Woche erneut eine bessere Performance zeigt als der Dow Jones“, meint Heibel.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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