Dax-Umfrage Schwung holen für den nächsten Aufwärtsschub?

An den Börsen herrscht seit Monaten eine Zwei-Klassengesellschaft: Die US-Märkte erklimmen ständig neue Allzeithochs, der Dax kommt kaum vom Fleck. Doch es gibt aber Anzeichen, dass sich diese Lage bald ändert.

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Der wichtigste deutsche Börsenindex bewegt sich derzeit knapp unter seinem Allzeithoch. Quelle: dpa

Düsseldorf Noch in der vergangenen Woche herrschte eine extrem euphorische Stimmung unter den Anlegern. Das kurzfristige Dax-Sentiment erreichte einen der höchsten Werte seit Start der Handelsblatt-Umfrage im September 2014. Ein Warnsignal: Denn aus Sicht der Börsenstimmung sind euphorische Anleger ein Indikator für bald fallende Kurse, weil - sehr vereinfacht – dann Anschlusskäufer fehlen. Der Dax fiel in der vergangenen Woche um 0,4 Prozent und ging mit 13.245 Punkten aus dem Handel.

Die entscheidende Frage lautet: Ist das der Anfang vom Ende der Rally? Oder holen Anleger nur Schwung für den Sprung zu neuen Allzeithochs?

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat Börsenexperte Stephan Heibel, der die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment unter mehr als 2800 Anlegern auswertet und interpretiert, die Daten seiner ausführlicheren Animusx-Erhebung analysiert. Seit 2006 werden darüber zumeist institutionelle Investoren wöchentlich zur Börsenlage befragt.

„Nach einem so extrem euphorischen Stimmungsimpuls, wie wir ihn vor einer Woche gesehen haben, ist in den folgenden zwei bis drei Wochen mit einer Konsolidierung zu rechnen“, lautet eine Erkenntnis des Animusx-Inhabers. „Doch wenn wir dann ein wenig weiter in die Zukunft blicken, dann ist ein extrem positiver Stimmungsimpuls kein Zeichen für ein Ende der Rally“. Im Gegenteil: Nach einer kleinen Konsolidierung werde in der Regel die Rally wieder aufgenommen und laufe noch für viele Monate.

Heibel schränkt allerdings ein: Eine so extrem euphorische Stimmung wie zum Jahresauftakt sei allerdings sehr selten. Somit seien keine große Zahl an historischen Vergleichsmöglichkeiten gegeben. Doch extrem bullische Stimmungen erzeugen seiner Meinung nach ein „Momentum“ - ein englischer Begriff, der ausdrücken soll, dass diese positive Stimmung viele Anleger mitreißt. „Dieses Momentum entwickelt häufig eine Eigendynamik, die an den Finanzmärkten erst nach vielen Wochen oder Monaten endet“, meint er.

Bereits in dieser Woche hat der Dax ein wenig konsolidiert, die Stimmung ist entsprechend zurückgekommen. „Damit wird in meinen Augen Schwung geholt für den nächsten Aufwärtsschub“.

Bemerkenswert und sehr ungewöhnlich ist die unterschiedliche Dax-Entwicklung im Vergleich zu den amerikanischen Indizes. Während die US-Aktienmärkte seit Monaten von Allzeithoch zu Allzeithoch stürmen, geht dem Dax regelmäßig frühzeitig die Luft aus. Seit dem vergangenen Sommer beträgt die Performance-Lücke zwischen Dow-Jones-Index und der Frankfurter Benchmark 20 Prozentpunkte.

Die Unterschiede liegen auf der Hand: In den USA peitscht eine Unternehmenssteuerreform die Wirtschaft an, in Deutschland lähmen die Probleme der Regierungsbildung. „Meiner Erwartung nach wird der Dax diese im Vergleich zum US-Markt schwache Entwicklung aufholen, sobald sich für das Problem der Regierungsbildung eine Lösung abzeichnet – egal ob dies eine GroKo sein sollte, oder Neuwahlen benötigt werden“, erläutert der Animusx-Geschäftsführer. „Ungewissheit lastet auf dem Dax, Gewissheit, welche auch immer, wird von Börsianern stets begrüßt.“

Hinter Umfragen zur Börsenstimmung wie dem Dax-Sentiment stehen zwei Annahmen: Wenn die große Masse von Anlegern bereits investiert hat, bleiben wenige übrig, die noch zusätzlich kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten. Umgekehrt gilt natürlich entsprechendes: Wenn die Anleger mehrheitlich nicht investiert haben, können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.

Die Euphorie der Vorwoche ist laut den aktuellen Ergebnissen auf jeden Fall verflogen. Damals sahen 65 Prozent der Anleger einen Aufwärtsimpuls, jetzt sind es nur noch 43 Prozent. Gut jeder Dritte meint, der Dax ist aktuell in einer Seitwärtsbewegung, ein Plus von 14 Prozentpunkten gegenüber dem vergangenen Montag. Um weitere sechs Prozentpunkte auf sieben Prozent ist das „Abwärtsimpuls-Lager“ gestiegen. „Der kurzfristige Sentiment-Index ist auf 3,5 Prozent gefallen und liegt damit im positiven Bereich, ist aber weit entfernt von Euphorie“, lautet das Fazit von Heibel. Noch vor einer Woche notierte dieser Indikator mit 6,4 Prozent extrem hoch, einem der höchsten Werte seit Beginn der Handelsblatt-Umfrage im September 2014.


Privatanleger setzen verstärkt auf steigende Kurse

Auch die Selbstzufriedenheit ist zurückgegangen: Nur noch 14 Prozent (minus 13 Prozentpunkte) wollen auf diese Dax-Entwicklung spekuliert haben. 52 Prozent (plus sechs Prozentpunkte) haben die Verschnaufpause jedoch zum größten Teil erwartet. Als „kaum erfüllt“ sieht jeder Vierte seine Erwartung an (plus sieben Prozentpunkte) an. Auf dem falschen Fuß wurde acht Prozent erwischt, deren Erwartungen wurden „überhaupt nicht erfüllt“.

Erneut untypisch ist die Entwicklung der Erwartung: Fast jeder Dritte (31 Prozent, plus zwei Prozentpunkte gegenüber Vorwoche) erwartet für den Dax in drei Monaten weiter steigende Kurse, 28 Prozent (minus ein Prozentpunkt) gehen von einer Seitwärtsbewegung aus. Und einen Abwärtsimpuls fürchten 16 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) für den Dax in drei Monaten.

Hingegen erwarten nur noch 23 Prozent (minus drei Prozentpunkte) eine Topbildung. Was daran ungewöhnlich ist: Die Erwartung an den Dax-Kursverlauf in drei Monaten fällt parallel zum kurzfristigen Sentiment. In der Vergangenheit haben sich diese beiden Indikatoren meist gegenläufig entwickelt.

Die Investitionsbereitschaft geht zurück, verbleibt aber auf einem relativ hohen Niveau. Nur noch 32 Prozent (minus vier Prozentpunkte) wollen in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen, 11 Prozent (plus ein Prozentpunkt) wollen hingegen verkaufen. 57 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) haben sich noch nicht entschieden.

Das Euwax-Sentiment der gleichnamigen Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, verharrt mit einem Wert von 9,98 auf sehr hohem Niveau. Das bedeutet: Anleger spekulieren massiv auf steigende Kurse. Denn dieser Indikator wird anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den deutschen Leitindex ermittelt.

„Diese Haltung der Anleger besteht nun schon seit Mitte November und führt so langsam dazu, dass die Gefahr eines Ausverkaufs steigt“, warnt der Sentimentexperte. Denn sollten die Notierungen ins Rutschen kommen, müssten die Anleger ihre Positionen nach und nach auflöse, um weitere Kursverluste ausufern zu lassen.

Auch institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, positionieren sich derzeit überwiegend long, das Put/Call-Ratio ist mit einem Wert von unter 1,2 deutlich unter dem Mittel von 1,5 und zeigt damit an, dass sich die Instis kaum absichern. Das könnte jedoch noch daran liegen, dass sich institutionelle Anleger Mitte Dezember für die Feiertage extrem stark abgesichert haben, um in der Urlaubszeit keine böse Überraschung zu erleben.

Der Blick auf der US-Börsen: Der „Angst-und-Gier-Index des Börsenbarometers S&P 500, der anhand technischer Marktdaten ermittelt wird, zeigt mit 77 Prozent langsam wieder Gier an. Kein Wunder. Denn der wohl wichtigste Börsenindex der Welt springt seit einem Jahr von Allzeithoch zu Allzeithoch und nun schlagen die technischen Indikatoren langsam Extremwerte an.

Derweil bleibt die Investitionsquote der institutionellen US-Investoren mit 58 Prozent extrem niedrig. „Da ist noch eine Menge Kapital an der Seitenlinie, das in den Markt investiert werden muss“, meint der Animusx-Inhaber.

Der Bulle/Bär-Index der US-Privatanleger ist nach dem extrem euphorischen Ausschlag der Vorwoche nun wieder auf ein normal-optimistisches Niveau zurückgekommen.

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