Dax-Umfrage „Wir sind dem Boden der Korrektur nahe“

Die Stimmung unter den Anlegern am deutschen Aktienmarkt lässt sich mit einem Wort gut beschreiben: Panik. Diese eher seltene Situation bot in der Vergangenheit oftmals eine kurzfristige Kaufgelegenheit.

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Düsseldorf Vor einer Woche war für den Börsenexperten Stephan Heibel klar: Fallende Kurse sind Kaufgelegenheiten, allerdings sei es aufgrund der widersprüchlichen Stimmungslage sehr schwer abzuschätzen, wie weit der Dax noch sinken könne, bevor sich seine mittelfristige Perspektive der Rally-Fortsetzung durchsetzt. „Schlimmstenfalls wenden sich Anleger nach diesen turbulenten Tagen von der der Börse ab und kehren erst nach dem Sommer zurück“, sagte er am vergangenen Montag.

Tatsächlich ist der Dax in der vergangenen Woche nochmals deutlich gefallen und beendete den Handel bei 12.162 Punkten. Der starke Euro sowie die Kartellvorwürfe der Automobilbranche belasteten den deutschen Leitindex.

Heibel wertet für seine Kursprognosen die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment unter mehr als 2600 Anlegern aus. Dabei achtet der Inhaber des Analysehauses Animusx vor allem auf Kontraindikatoren, also ob die Anleger extrem negativ oder positiv gestimmt sind.

Entsprechend den Kursverlusten attestieren laut der aktuellen Umfrage knapp die Hälfte (49 Prozent) der Teilnehmer dem deutschen Leitindex einen Abwärtsimpuls - zwölf Prozentpunkte mehr als noch vor einer Woche. Knapp ein Drittel (minus sechs Prozentpunkte) geht von einer übergeordneten Seitwärtsbewegung aus. Andere Meinungen gibt es kaum, so einig waren sich Anleger selten. „Die Stimmung unter den Anlegern ist somit auf das tiefste Niveau seit dem Brexit-Votum gefallen, also tiefer als nach dem Wahlsieg Donald Trumps“, resümiert Stephan Heibel.

So lässt sich - im Gegensatz zu den USA - die Stimmung unter den Anlegern mit „Panik“ beschreiben. „Das ist in der Regel zumindest kurzfristig eine gute Gelegenheit für eine Spekulation auf steigende Kurse“, meint der Animusx-Inhaber. Erst später werde sich zeigen, ob wir bereits den Boden der Korrektur getroffen haben, oder ob die Korrektur in ein paar Tagen nochmals Fahrt aufnehme.

Ein Blick in die Historie der Handelsblatt-Umfrage zeigt: Noch panischer war die Stimmung nach dem Brexit-Votum Ende Juni das vergangenen Jahres. Nach der Umfrage am 25./26. Juni des vergangenen Jahres stieg die Frankfurter Benchmark in der Folgewoche um mehr als 500 Punkte – von 9214 Zählern am Montag (27.6. 2016) auf 9800 Zähler am Freitag (1.7.2016).

Etwas „weniger panisch“ waren die Anleger nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten Mitte November 2016. Damals fiel der Dax zunächst um 400 Punkte (von 9800 auf 9400 Zähler), ehe der deutsche Leitindex Anfang Dezember innerhalb von zwei Wochen um 1000 Punkte auf 10.481 Zähler stieg.


Höhere Kaufbereitschaft vorhanden

Ein paar Anleger haben laut der aktuellen Umfrage auf diesen Kurseinbruch spekuliert: Die Zahl derjenigen, deren Erwartungen zum Dax vergangene Woche „voll und ganz“ erfüllt haben, ist um drei Prozentpunkte auf zehn Prozent gestiegen. Jeder Dritte (plus drei Prozentpunkte) wurde jedoch von der Dax-Entwicklung überrascht, weitere 23 Prozent (plus vier Prozentpunkte) wurden sogar auf dem falschen Fuß erwischt. Nur noch jeder Dritte (minus zehn Prozentpunkte) hat diese Entwicklung zum größten Teil so erwartet. Damit ist die Selbstzufriedenheit der Anleger auf einem sehr tiefen Niveau, wenngleich diese Unzufriedenheit vor wenigen Wochen noch größer war.

Der Optimismus hingegen springt weiter an: 36 Prozent (plus ein Prozentpunkt gegenüber der Vorwoche) erwarten für den Dax in drei Monaten steigende Kurse, während nur noch 18 Prozent (minus ein Prozentpunkt) einen Abwärtsimpuls fürchten. Von einer Bodenbildung gehen 14 Prozent aus (plus drei Prozentpunkte), eine Seitwärtsbewegung erwartet jeder Dritte (minus ein Prozentpunkt). Damit steigt der Zukunftsoptimismus weiter an und erreicht erneut das höchste Niveau des laufenden Jahres.

Und Anleger wollen ihrer Überzeugung Taten folgen lassen: 22 Prozent (plus drei Prozentpunkte) möchten in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen, nur noch 15 Prozent (minus ein Prozentpunkt) wollen sich von Aktien trennen. Weiterhin abwarten möchten 63 Prozent (minus zwei Prozentpunkte). „Die Investitionsbereitschaft war seit dem Wahlsieg Trumps nicht mehr so groß“, lautet das Fazit des Sentiment-Experten.

Der Blick auf andere Indikatoren zeigt: Das Sentiment der Stuttgarter Börse Euwax bricht ein. Privatanleger, die über die Euwax auf einen steigenden oder fallenden Dax spekulieren, haben ihre Long-Positionen der Vorwochen aufgelöst und sind nun überwiegend neutral positioniert. Nach Heibels Meinung warten sie gespannt auf einen Zeitpunkt, zu dem sie wieder einsteigen können. Denn Interesse ist vorhanden, das Wort Dax ist bei der Google-Suche auf ein neues Jahreshoch gesprungen. Allerdings könne das durch die Google-Suche gemessene Interesse auch auf Angst beruhen und bedeuten, dass Anleger sich von ihren Positionen verabschieden wollen.

Im Gegensatz zu den privaten sind institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminebörse Eurex absichern, weiterhin stark short abgesichert. Das heißt: Sie haben überdurchschnittlich viele Puts gekauft, die bei fallenden Kursen an Wert gewinnen.


In den USA ist ein Korrektur fällig

In den USA zeigt der auf technischen Marktdaten basierende „Angst-und-Gier-Index“ des Auswahlbarometers S&P 500 mit 73 Prozent schon fast extreme Gier der Anleger an. Ganz korrekt zeigt erst ein Wert von 75 Prozent extreme Gier an. Anders als Dax und Euro-Stoxx markierten Dow Jones und S&P an der Wall Street erst Ende vergangener Woche noch neue Allzeithochs. „In den USA ist eine Korrektur also fällig“, meint Heibel. Denn extreme Gier deutet auf fallende Kurse hin, weil in solchen Phasen sehr viele Anleger investiert sind als Nachkäufer bei eventuell fallenden Kursen ausfallen.

Auch institutionelle Anleger haben ihre Investitionsquote um zehn Prozentpunkte auf 94 Prozent erhöht und spiegeln damit ebenfalls die große Gier wider. Der Bulle/Bär-Index der US-Privatanleger steht mit 10,14 Prozent ebenfalls so hoch wie seit Ende Januar nicht mehr.

„In Deutschland sind wir dem Boden der Korrektur nahe“, fasst Heibel die Indikatoren zusammen. „Abgesehen davon, dass wir derzeit unsere wichtigste Industrie selber demontieren, waren die überwiegenden Quartalszahlen bislang sehr gut.“

In den USA hingegen sei eine Korrektur an den Aktienmärkten überfällig. Ob die zwei Tage Kursverluste in der vergangenen Woche bereits reichen, müsse sich erst zeigen. Auch in den USA seien die Quartalszahlen überwiegend positiv gewesen. „Doch wir befinden uns mitten im Sommerloch und es wäre nicht überraschend, wenn die aktuelle Korrektur irgendwann einfach endet und eine Gegenbewegung in den USA einige Wochen auf sich warten lässt“, meint der Sentiment-Experte.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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