Dax unter 8300 Punkten „Gefährliche Abwärtsspirale“: Panikverkäufe an den Börsen

Die Deutsche Börse in Frankfurt ist momentan wegen des Coronavirus für Besucher gesperrt. Doch auch drinnen herrscht Ausnahmezustand. Quelle: dpa

In den vergangenen drei Wochen hat der Börsenindex Dax fast 40 Prozent eingebüßt. Erneut bricht unter Anlegern Panik aus. Auch Gold fällt.

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Wegen der Furcht vor einer weltweiten Rezession durch die Coronavirus-Pandemie fiel der Dax bis zum Montagnachmittag um zeitweise mehr als zehn Prozent auf ein Fünfeinhalb-Jahres-Tief mit nur noch 8279 Punkten. Auch die Börsen in London, Paris, Madrid und Mailand verbuchten Kursverluste in ähnlicher Größenordnung. Der EuroStoxx50 büßte zeitweise mehr als zehn Prozent ein und notierte mit 2302 Zählern so niedrig wie zuletzt vor knapp acht Jahren. Schon die Vorgaben über Nacht aus Japan waren mit einem Minus von 2,5 Prozent zum Handelsschluss ein schlechtes Vorzeichen.

Am Sonntag hatte die US-Notenbank Fed angesichts der Rezessionsängste wegen der Virus-Krise zu drastischen Mitteln gegriffen. In einer Notfallaktion senkte sie den Leitzins überraschend um einen ganzen Prozentpunkt auf fast null Prozent und kündigte ein Maßnahmenpaket in Koordination mit anderen Notenbanken an, die ihre Geldpolitik ebenfalls lockerten. Doch auch dies beruhigte die Marktteilnehmer am Montag nicht.

Eigentlich waren die Beschlüsse der Fed erst für Mittwoch geplant gewesen – und Analysten hatten nur mit einer Zinssenkung um 0,50 Prozentpunkte gerechnet. „Die geldpolitischen Maßnahmen, so wirkungsvoll sie auch immer sein werden, schüren in einem ersten Schritt mehr Panik, als dass sie zur Beruhigung beitragen“, sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader. „Eine gefährliche Abwärtsspirale hat sich in Gang gesetzt.“

Der Goldpreis ist unter Druck und die Fed pumpt noch mehr Liquidität in den US-Geldmarkt. Es deutet sich die Wiederauflage einer Krise an, die 2008 das Weltfinanzsystem und die Weltwirtschaft fast ruiniert hätte.
von Frank Doll

Auch die angekündigten Konjunkturprogramme der Regierungen scheinen nicht zu verfangen, sagte BayernLB-Analyst Manuel Andersch. „Schließlich kommt das Wirtschaftsleben in vielen Teilen Europas durch mehr oder minder strikte Ausgangsverbote, Grenz- und Schulschließungen stark zum Erliegen.“

Erst am Donnerstag hatte der Dax mit dem zweitgrößten prozentualen Tagesverlust in seiner gut dreißigjährigen Geschichte unter der Marke von 10.000 Zählern geschlossen. Auf Wochensicht ergab sich ein Minus von rund 20 Prozent, in den vergangenen vier Wochen sind es sogar insgesamt knapp 40 Prozent. Die Bewertungsverluste an den Börsen seien die höchsten seit der großen Finanz- und Schuldenkrise vor zwölf Jahren, merkte Stratege Nick Nelson von der Bank UBS an. Anleger nehmen mit ihren aggressiven Aktienverkäufen weit niedrigere zukünftige Gewinne der Unternehmen vorweg. Nun brauche es als Initialzündung umfassende fiskalpolitische Programme in der EU und den USA.

Laut Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank liegt der Verdacht nahe, dass die Zinssenkung der Fed „nicht nur aus konjunkturstützenden Gründen vollzogen wurde, sondern um auch einer Austrocknung der Geldmärkte entgegenzuwirken“. So betrachtet wäre der Schritt aus Marktsicht wenig beruhigend. „Auch das ungewöhnliche Timing am Sonntagabend lässt auf Nervosität der Fed schließen.“

Gold profitiert nur kurz

Die drastische US-Zinssenkung setzte der Währung des Landes zu. Der Euro verteuerte sich im Gegenzug um 0,8 Prozent auf 1,118 Dollar. Gefragt blieb auch die als sichere Anlage geltende Schweizer Währung. Dies drückte den Dollar 0,7 Prozent ins Minus auf 0,9425 Franken.

Die „Antikrisen-Währung“ Gold konnte ihre Anfangsgewinne dagegen nicht halten und verbilligte sich um 5,0 Prozent auf 1453 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Offenbar mussten weitere Anleger das Edelmetall verkaufen, um Verluste in anderen Bereichen auszugleichen.

Touristik-Aktien und Banken stürzen ab – Drägerwerk mit Plus

Industrie-, Banken- und Versicherer-Aktien erleiden extreme Verluste, dagegen halten sich Hightechs wie Apple, Microsoft, Amazon und SAP relativ gut – ein Lichtblick. Auch der Vergleich mit dem 1987er-Crash macht Mut.
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Am Aktienmarkt kamen wegen der internationalen Reisebeschränkungen erneut die Touristikwerte unter die Räder. Der europäische Branchenindex brach um mehr als 16 Prozent ein, so stark wie nie zuvor. Die in London notierten Titel von TUI stürzten sogar um 40 Prozent auf ein Fünf-Jahres-Tief von 218 Pence ab. Der Reisekonzern mit Sitz in Hannover beantragte wegen wegbrechender Buchungen Staatshilfe. Die Aktien von Lufthansa, Air France-KLM und die British Airways-Mutter IAG sowie den Billig-Fliegern Ryanair und EasyJet fielen um bis zu 30 Prozent. Die Bundesregierung will gegen Mittag mit Branchenvertretern die Lage der Luftfahrtindustrie in Zeiten von Corona erörtern.

Auch Finanzwerte wurden aus den Depots der Anleger geworfen. Der europäische Bankenindex notierte so niedrig wie zuletzt vor 32 Jahren. Die Geldhäuser leiden unter der Aussicht auf langfristig niedrige Zinsen, die die Margen im klassischen Kreditgeschäft belasten.

Gefragt waren dagegen die Titel von Drägerwerk, die um gut 28 Prozent nach oben schossen. Am Freitag hatte die Bundesregierung 10.000 Beatmungsgeräte bei der Medizintechnik-Firma bestellt. Auch andere Länder reißen sich um solche Apparate, die zur Behandlung von Coronavirus-Patienten benötigt werden.

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