Dax unter Druck Wie Anleger den Börsensturm zu ihrem Vorteil nutzen

Der Kursrutsch an der Börse war der stärkste seit 50 Jahren. Das Beben am Aktienmarkt zu Jahresanfang dürfte den Auftakt zu schwierigen Wochen markieren. Was Anleger erwartet, wann der Einstieg lohnt.

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Sturm an der Wall Street: Der Jahresanfang an den Börsen dürfte der Auftakt zu schwierigen Wochen markieren. Quelle: dpa Picture-Alliance

Selbst 40 Milliarden Dollar Gewinn können die Wall Street nicht beruhigen. So viel Ertrag für das abgelaufene Jahr meldeten zusammengerechnet die Finanzgiganten Citigroup und Wells Fargo. Ihre Kurse fielen trotzdem um jeweils rund sechs Prozent und zogen Bankpapiere weltweit mit herunter. In Frankfurt etwa sackte der Kurs der Deutschen Bank auf ein Sechsjahrestief. Und selten hat am Main der Spruch, daran können sich nur noch Ältere erinnern, so gut gepasst wie dieser Tage. Mehr als elf Prozent minus – so viel Verlust fuhr der Deutsche Aktienindex in den ersten beiden Handelswochen des jungen Jahres ein, nahezu ohne Unterbrechung. Das letzte Mal, so die Commerzbank, fielen die Kurse deutscher Standardwerte so deutlich wenige Wochen vor dem Mord an Malcom X in New York.

Das war 1965. Damals fielen Aktien zwei Jahre lang weiter. Erst nach einem Verlust von einem Drittel fand der Markt im Januar 1967 seinen Boden. Diesmal könnte es schneller gehen, was nicht heißt, dass die Verluste – ausgehend vom Jahresendstand 2015 bei 10.743 Punkten – geringer sein müssen. Zum ersten Mal seit Jahren stellen Investoren wieder die Risiken einer Aktienanlage in den Vordergrund. Sprich: Die Zeiten, in denen sie allein im Vertrauen auf weiter billiges Geld der Notenbanken kauften, sind offenbar vorbei. Auf einmal zählen wieder klassische Argumente: Wie teuer ist ein Aktienengagement – isoliert betrachtet, nicht nur im Vergleich zu meist niedrig verzinsten Anleihen? Was ist von der Konjunktur zu erwarten, und wie wird sich diese Erwartung auf die Unternehmensgewinne auswirken? Wie prekär ist die geopolitische Lage?

Dax-Bewertung bei ausgewählten Punkteständen

Wer den Preis einer Aktienanlage ermitteln will, sollte derzeit am besten mit harten Zahlen der Vergangenheit arbeiten statt mit Schätzungen. Denn in den vergangenen sechs Jahren haben sich die Gewinnerwartungen der Analysten fünf Mal als deutlich zu optimistisch erwiesen. In diesen sechs Wachstumsjahren 2010 bis 2015 schafften die 30 Dax-Unternehmen addiert im besten Jahr 2014 einen Jahresgewinn von 59,7 Milliarden Euro, das entspricht umgerechnet 592 Dax-Punkten; der Durchschnitt lag bei 528 Punkten. Jeweils zum Jahresende bewerteten Investoren den Dax zumindest mit dem elffachen Jahresgewinn, das heißt, sie gestanden den Werten im Schnitt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von wenigstens 11 zu. In der Euphorie lag das Dax-KGV bei 23 und im zeitlichen Durchschnitt bei 14. Es gibt kaum Indizien, dass die 30 Dax-Unternehmen demnächst rasende Gewinnsteigerungen hinlegen. Selbst wer darauf setzt, dass der Rekordertrag der vergangenen sechs Jahre (592 Punkte) wieder erreicht wird, und dabei dem Dax die Durchschnittsbewertung der vergangenen Jahre zutraut (KGV 14), der kommt auf einen Jahresendstand von nur knapp 8300 Punkten (592 x 14). Alles darüber ist Spekulation auf dauerhaft höhere Erträge der Dax-Unternehmen oder auf Bewertungszuschläge in Form höherer KGVs. Die wären aber nur gerechtfertigt wenn sich wenigstens einige der zahlreichen Risiken in Luft auflösten. Fazit: Auf dem aktuellen Niveau von rund 9300 Punkten sind also, fundamental gesehen, weitere Rückschläge keine Überraschung. Auch die Charttechnik mahnt zur Vorsicht.

Alle Dax-Aktien im Check für 2016

Zumal sich die Konjunkturperspektiven schon zu Jahresbeginn eingetrübt haben. China etwa, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, ist nach neuesten Zahlen vom vergangenen Dienstag 2015 so schwach gewachsen wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Das chinesische Bruttoinlandsprodukt kletterte um 6,9 Prozent nach 7,3 Prozent im Jahr zuvor. Die Rohstahlproduktion sank in der Volksrepublik im vergangenen Jahr erstmals seit 1981, die Stromproduktion sogar erstmals seit 1968. Prompt hat der Internationale Währungsfonds (IWF) darauf die Wachstumsperspektiven für die Weltwirtschaft zurückgedreht. Der IWF erwartet ein Plus von nur noch 3,4 Prozent 2016 und 3,6 Prozent im nächsten Jahr – jeweils 0,2 Prozentpunkte weniger als bisher. Für China rechnet er mit einer Wachstumsabschwächung auf 6,0 Prozent 2017.

„China befindet sich wirtschaftlich in einem grundlegenden Wandel. Der bisherige Kurs des Wachstums um jeden Preis hat zu erheblichen Fehlallokationen von Geld geführt und in einigen Industrien massive Überkapazitäten geschaffen“, sagt Ekkehard Wiek, Asien-Fondsmanager bei Straits Invest in Singapur. Diese Überkapazitäten drücken auf Chinas Exportpreise, bringen damit auch die Preise und Gewinnmargen ausländischer Konkurrenten unter Druck. „Es war illusorisch, zu glauben, dass eine solch gravierende Umwälzung ohne größere Schrammen abgehen würde“, so Guy Wagner, Chefinvestor der Banque de Luxembourg.

Ölpreis und Zinswende

Schrammen hinterlässt auch die Entwicklung der Ölpreise. Das Ende der internationalen Sanktionen gegen den Iran hat Öl in der abgelaufene Woche auf den tiefsten Stand seit rund 13 Jahren und deutlich unter die Marke von 30 Dollar gedrückt. Der Ölpreiscrash um nunmehr 75 Prozent erhöht die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten und schwächt das geopolitisch wichtige Russland. Dazu droht eine Pleitewelle bei Unternehmen, die sich über Hochzinsanleihen finanzieren, vor allem aus dem Öl- und Energiesektor. Dort liegen die Durchschnittszinsen bei 17 Prozent pro Jahr. Untragbar. Das inzwischen massiv erhöhte Risiko von Unternehmenspleiten drückt, kaum verwunderlich, auch aufs Gemüt von Aktieninvestoren.

Zusätzlich belastet die allgemeine Zinswende in den USA, nachdem die US-Notenbank Fed ihren Leitzins am 16. Dezember erstmals seit fast einer Dekade erhöht hatte.

Zwar hat die leichte Anhebung von 0,25 auf 0,5 Prozent keine „nennenswerte Auswirkungen auf die Realwirtschaft“, sagt Ralf Zimmermann, Chefstratege der Lampe Bank. Aber „möglicherweise hat die Börse die negativen Auswirkungen dieser Zinswende dennoch unterschätzt. Die bis dato vorherrschende Börsendialektik hat sich geändert.“ Gute Nachrichten trieben die Kurse, aber schlechte drückten sie nicht unbedingt, weil die Marktteilnehmer danach stets Unterstützung durch die US-Notenbank bekamen. Das ist nun vorbei. Schlechte Nachrichten sind jetzt wieder genau das: schlecht. Zimmermann: „Die Märkte müssen ohne neuen Treibstoff der Fed auskommen, und das wissen sie auch.“

Steigende Unternehmensgewinne würden da helfen. Doch die auch in den USA üblicherweise positiv gestimmten Analysten erwarten aktuell den stärksten Gewinnrückgang der börsennotierten US-Unternehmen seit der Finanzkrise 2008. Bereits im zweiten und dritten Quartal 2015 waren die Gewinne der meisten US-Unternehmen gefallen. Für die 500 Konzerne im Index S&P 500 erwartet die DZ Bank im vierten Quartal einen weiteren Rückgang um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahreswert. Das wäre die erste Gewinnrezession über drei Quartale in Folge seit Anfang 2009. Vor allem Exportwerte leiden unter dem starken Dollar und Nachfrageschwäche aus China und den Schwellenländern. Es spricht also nichts dafür, dass die für den Dax wichtige Wall Street Unterstützung bietet.

Wer sein Aktiendepot gegen Kursrückschläge schützen will, kann Shortzertifikate oder Verkaufsoptionsscheine einsetzen. Beides sind sehr bewegliche Anlagevehikel, die steigen, wenn der Dax fällt. Die in WirtschaftsWoche 45/2015 empfohlenen Verkaufsoptionsscheine etwa steigen 11,7-mal so stark, wie der Dax fällt. Bisher sind sie gestiegen: Um 160 Prozent binnen knapp drei Monaten. Allerdings, kommt es an den Aktienmärkten zu einer Erholung, schmelzen die Gewinne schnell dahin. Wer jetzt absichert, greift lieber zu einem Zertifikat mit der ISIN DE000CZ93L44, das die Bewegung des Dax nur vervierfacht. Da diese Zertifikate nicht automatisch verfallen und keine Laufzeitgrenze haben, eignen sie sich auch für eine längere Baisse. Eine ähnliche Absicherung liegt binnen eines Monats 25 Prozent vorne (DE000CZ35ES8).

Fallende Kurse sind aber nicht nur für Besitzer solcher Papiere gut. Allen, die seit Jahr und Tag Spargelder horten, bieten sie die Chance, sich zu vernünftigen Preisen langfristig höhere Renditen zu sichern. Eine Daimler-Aktie etwa kostet aktuell den achtfachen Gewinn des abgelaufenen Jahres und bringt 4,7 Prozent Dividende. Sollte der Kurs noch einmal 20 Prozent nachgeben, liegt das KGV für dieses Jahr bei lächerlichen sechs, der Dividendenertrag dieses Frühjahr bei sechs Prozent. Ähnlich viel wirft die Münchener-Rück-Aktie bei deutlichen Rückschlägen ab. Immerhin um die vier Prozent Rendite würde die Telekom-Aktie bei einem größeren Rückschlag bringen, bei einem akzeptablen KGV von dann 14 und recht sicheren, weil von der Weltkonjunktur wenig abhängigen Einnahmen.

Und vielleicht ist dann selbst für Vorsichtige Wells Fargo einen Blick wert. Seit 1970 hat sich der Börsenpreis der traditionell als konservativ geltenden Bank verhundertfacht – Dividenden nicht mal eingerechnet.

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