Der zweite März 2015 ist der Tag, an dem sich der Volkswagen-Konzern ein letztes Mal in all seiner Pracht, seinem Größenwahn und seinem Aberglauben an die Kraft der eigenen Technik vor der Welt entfaltet. Am Abend vor der Eröffnung des Genfer Autosalons feiert der Konzern eine gigantische Zehn-Millionen-Euro-Party, es ist die protzigste von allen, ins rechte Licht gerückt von einer aufwendigen Lasershow, geschmückt mit international gefeierten DJs und Supermodels. Selbst Konzernchef Martin Winterkorn wirkt ergriffen, als die neuesten Modelle aus Wolfsburg nacheinander an ihm vorbeirollen. „Wir brennen für unsere Technologien und unsere Kunden“, sagt er.
Neun Monate später brennt es im Konzern tatsächlich lichterloh, er steckt in der größten Krise seiner Geschichte. VW-Ingenieure haben Motoren so manipuliert, dass sie bei Prüfungen der Behörden weniger Abgase produzieren als im Fahrbetrieb. Seit das Mitte September aufflog, geht es mit dem Autobauer abwärts. Die Aktie stürzte zeitweise um 40 Prozent ab, elf Millionen Fahrzeuge müssen in die Werkstatt. Allein das dürfte VW rund sieben Milliarden Euro kosten, wie viele noch für Schadensersatz und Strafen hinzukommen, lässt sich bisher nur schätzen.
Der Skandal zieht auch Kompetenz und Integrität der Manager in Zweifel. Denn entweder hatten sie die Kontrolle über ihr Unternehmen verloren – oder sie förderten und tolerierten Fehlverhalten, um der größte Autobauer der Welt zu werden.
So war es nicht nur bei Volkswagen. Die Deutsche Bank siecht seit Jahren unter der Last der Finanztricks ihrer Investmentbanker dahin. Die Kollegen von der Commerzbank mussten Anfang des Jahres mehr als eine Milliarde Euro wegen Verstößen gegen US-Handelssanktionen zahlen und erklären, warum ihr Ableger in Luxemburg reichen Kunden bei der Steuerflucht half. Beim Düngemittelkonzern K+S rückten Fahnder ein, weil unerlaubt giftige Abwässer in die Werra geflossen sein sollen. Und der Name des Sportartikelherstellers Adidas taucht immer wieder auf, sobald im skandalaffinen Weltsport ein neuer Skandal aufploppt. Keine Frage: 2015 war ein Schmuddeljahr im Dax. Wie lässt sich ein weiteres Jahr voller Unerfreulichkeiten vermeiden?
Compliance versagt
So unterschiedlich die einzelnen Skandale auch sind, viele Ursachen haben sie gemeinsam: Da geben Manager unrealistische Ziele vor und dulden keinen Widerspruch. Da werden Fehler bestraft und nicht als Chance gesehen, etwas besser zu machen. Da existieren gar keine oder viel zu laxe Kontrollen. Da wird im Zweifel weggeschaut, solange das Ergebnis stimmt. Und da wird darauf vertraut, dass schon nichts rauskommen wird. Dass der Gruppendruck im Unternehmen stärker ist als das schlechte Gewissen des Einzelnen.
Dabei sollte genau das alles eigentlich längst nicht mehr passieren: Seit der Pleite des auf Lug und Trug gebauten US-Energiehändlers Enron im Jahr 2001 hat weltweit eine Welle bester Absichten die Konzerne ergriffen. Jedes größere Unternehmen hat Compliance-Richtlinien, die detailliert regeln, was erlaubt ist und was nicht. Und jeder Konzern hat sich den Regeln der Corporate Governance, der guten Unternehmensführung verpflichtet.
Ist das bloß Stoff, aus dem Broschürenträume sind?
„Die Skandale machen einmal mehr deutlich, dass viel geredet und wenig bis gar nicht gehandelt wird“, sagt Manuel Theisen. Der Münchner Professor zählt zu den profiliertesten deutschen Experten für Corporate Governance. Und ist ernüchtert: „Das Führungsverhalten ist eklatant und so verheerend, dass man kaum mehr fassen kann, welche Fehltritte die schlimmsten waren.“ Oft fehle schon die wirksame Kontrolle durch den Aufsichtsrat, werde im Boom lockergelassen und in der Krise distanzlos zusammengehalten. „Da sitzt man schnell zusammen im falschen Boot, merkt es aber regelmäßig zu spät“, sagt Theisen.
Tatsächlich fangen die Probleme meist ganz oben an. Beim Stahlkonzern ThyssenKrupp etwa gedieh unter Berthold Beitz, dem greisen Vorsitzenden der mit dem größten Anteil am Konzern beteiligten Stiftung, und dem ihm treu ergebenen Aufsichtsratschef Gerhard Cromme ein Klima, in dem Kartellabsprachen und Korruption üppig wuchern konnten. Bei VW dominierten Mitglieder der Familien Porsche und Piëch das Kontrollgremium. Bis zum Zerwürfnis Anfang des Jahres galten Chefkontrolleur Ferdinand Piëch und Vorstandschef Martin Winterkorn als eng verbunden, vereint im Glauben, es als überaus brillante Ingenieure stets besser zu wissen als alle anderen.
Zu ehrgeizige Ziele verderben die Kultur
Wenn schon ganz oben weggeschaut wird, setzt sich das meist im ganzen Unternehmen fort. Bei der Deutschen Bank etablierte Josef Ackermann einst eine Art Schattenregierung. Das Group Executive Comittee galt als eigentliche Machtzentrale des Konzerns, seine Mitglieder waren aber weder der Kontrolle des Aufsichtsrats noch der Finanzaufsicht unterstellt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue Chef John Cryan das Gremium abgeschafft.
Es sind Strukturen, wie sie autoritäre Chefs wollen und fördern. Denn dann können sie umso ungestörter regieren, umso größere Ansprüche formulieren. Die größten Pannen treten nicht zufällig dort auf, wo auch die größten Pläne gedeihen. Ackermann wollte mit der Deutschen Bank eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent erreichen, seinen Abschied im Jahr 2011 mit einem Jahresgewinn von zehn Milliarden Euro krönen. Das Ziel war dabei stets wichtiger als der Weg. Die Händler, die in London den Referenzzins Libor ermittelten und letztlich manipulierten, kontrollierte die Bank überhaupt nicht, die IT-Systeme vernachlässigte sie so, dass sie später nicht mal von den um Aufklärung bemühten Aufsichtsbehörden angefragte Daten übermitteln konnte.
Die Folgen von Dieselgate
Die Entwicklung der Motorsteuergeräte-Software erfolgt in Zukunft unter strikter Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips.
Emissionstests werden künftig grundsätzlich extern und unabhängig überprüft.
Die Prüfstandswerte sollen stichprobenartig mit Real-Life-Test zur Emissionseinhaltung auf der Straße überprüft werden.
Seit Beginn des Jahres 2015 sind 6 von 10 Vorstandsposten neu besetzt worden. Zudem wurden neue Posten außerhalb des Vorstands – etwa der des Chefstrategen oder Leiter der Digitalisierung – geschaffen.
Sieben von dreizehn Markenchefs inklusive der Konzernspitze wurden im Laufe des Jahres 2015 ausgetauscht.
Auch VW hatte Großes vor, wollte Toyota als weltgrößten Autobauer abhängen. Dafür musste der Konzern den US-Markt überrollen, gelingen sollte das mit dem „Clean Diesel“. Das Projekt war so wichtig, dass es einfach funktionieren musste, wie auch immer. Mitarbeiter des Konzerns berichten von einem Klima, in dem nur die Meinung des Vorgesetzten zählt, Debatten unerwünscht sind und Mitarbeiterbefragungen halbherzig ausfallen. Widerspruch ist zwecklos.
Anwälte übernehmen die Kontrolle
Unternehmen, in denen es so oder so ähnlich läuft, kennt Thomas Schürrle gut. Der Deutschlandchef der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton ist gut verdrahtet in den deutschen Chefetagen, aber er wird dort auch gefürchtet. Viele Kanzleien haben in den vergangenen Jahren Abteilungen aufgebaut, die im Auftrag von Unternehmen deren Skandale aufklären, Debevoise gilt als die härteste von allen.
Als Siemens vor knapp zehn Jahren wegen weitverbreiteter schwarzer Kassen im Visier der US-Behörden und damit am Abgrund stand, engagierte der Konzern Debevoise für die Aufräumarbeiten. Die erledigte die Kanzlei so gründlich, dass ihre Anwälte zeitweise als die eigentlichen Chefs im Konzern galten. Das harte Vorgehen zahlte sich jedoch aus, es überzeugte die US-Behörden vom guten Willen der Münchner. Am Ende stand dann eine vergleichsweise niedrige Strafzahlung. Und, was noch wichtiger ist: Seitdem herrscht Ruhe.
Für Schürrle hat eine konsequente Aufklärung oberste Priorität, nach Möglichkeit soll das Unternehmen dafür eng mit Behörden und Staatsanwälten zusammenarbeiten. Der Anwalt motiviert auch die Angestellten, ihren Beitrag zu leisten, einen der ersten Termine macht er deshalb immer beim Betriebsrat.
Existenzbedrohende Strafen
Konsequentes Handeln ist besonders dann angesagt, wenn wie damals bei Siemens und aktuell bei Volkswagen und der Deutschen Bank US-Behörden involviert sind. Denn wenn die Unternehmen unzureichend kooperieren, können deren Strafen existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Die Deutsche Bank musste auch deshalb eine besonders hohe Strafe für die Manipulation der Libor-Zinssätze zahlen, weil sie bei deren Aufklärung nur widerwillig mitmachte.
Schürrle hat beobachtet, dass sich viele Unternehmen immer noch wegducken und hoffen, dass der Sturm an ihnen vorbeizieht. „Der Druck ist in Deutschland immer noch zu gering“, sagt er. Bestimmte Delikte wie Korruption sind schwer zu erfolgen, die Behörden bis auf wenige Ausnahmen schlecht ausgestattet. Folglich scheuten viele Unternehmen die Kosten für ein wirklich wirksames Kontrollsystem. Dabei zahle sich das aus. Natürlich ließen sich Missetaten nie ganz verhindern, ihre Folgen seien aber begrenzbar. „Unternehmen haben die Wahl, nur kleine Einzelfehler zuzulassen oder ganz große zu riskieren“, sagt Schürrle.
Um Letzteres zu verhindern, müssen die Botschaften von oben auch ankommen. Das misslang etwa bei dem Unternehmen, das seine Mitarbeiter via Internetfilm für moralische Fallstricke sensibilisieren wollte. Alle Beschäftigten im Vertrieb hatten die Schulung absolviert. Scheinbar. Denn bei einer Überprüfung kam heraus, dass sie den Lehrgang zur gleichen Zeit am gleichen Computer absolviert hatten. Die Abteilung hatte zusammengelegt, damit die Sekretärin die lästige Aufgabe am Wochenende für sie erledigte.
Mit solchen Situationen ist Günter Degitz bestens vertraut, der für die Beratung Alix-Partners im Auftrag von Unternehmen Fehlverhalten aufklärt und zu vermeiden hilft. Dabei geht es um technische und organisatorische Fragen wie die internationale Aufstellung der Organisation, die Unternehmen häufig vernachlässigten. Das Wichtigste jedoch sei der Wille, es tatsächlich besser zu machen.
„Oft stoßen Unternehmen durch interne Untersuchungen oder Hinweise von Mitarbeitern auf Fehlverhalten, gehen dem aber nicht entschlossen genug nach“, sagt Degitz. Gerade die eigenen Leute seien die wichtigste Quelle, gut die Hälfte aller Vorfälle komme durch Tipps aus den eigenen Reihen ans Licht. Und zwar nicht nur, wenn sie über die offiziellen Kanäle wie die vielerorts eigens eingerichtete Telefonhotline eingehen, sondern auch dann, wenn ein anonymes Schreiben auftaucht.
Falsche Anreize
Harte Schnitte an der Spitze sind oft notwendig, um den Bruch mit der unrühmlichen Vergangenheit glaubhaft zu machen. Als früherer Chef des Investmentbankings war Anshu Jain bei der Deutschen Bank dafür der falsche Mann, zumal er auch noch viele Getreue in Schlüsselpositionen beförderte. Ob der neue VW-Chef Matthias Müller als Ex-Boss der Konzerntochter Porsche wirklich für einen grundsätzlichen Wandel stehen kann, wird von Investoren und US-Behörden ebenfalls kritisch hinterfragt.
Wie ein – bisher – guter Umgang mit Schmuddeleien aussehen kann, zeigt ThyssenKrupp. Die Essener waren in mehrere Schmiergeldfälle verwickelt. Seit Heinrich Hiesinger 2011 an der Konzernspitze antrat, wurde dies systematisch bekämpft – und die Compliance-Abteilung systematisch gestärkt. „Für uns war es wichtig, die Organisation global aufzustellen“, sagt ihr Leiter Christoph Klahold. So wurde nicht nur der Mitarbeiterstab in der Zentrale auf 55 Leute aufgestockt, sondern auch 15 Compliance Officer wurden in verschiedenen Ländern bestimmt. Vor allem aber ging es darum, „operativ zu integrieren“, sagt Klahold. Seine Abteilung prüft und berät nun bei konkreten Projekten wie Forschungsvorhaben mit Wettbewerbern. Sie wird eingebunden, bevor sich der Konzern in neue Länder vorwagt. Und sie wirkt darauf hin, dass nur realistische Ziele gesteckt werden, die sauber erreicht werden können. Zeitweise hingen in der Essener Zentrale sogar Poster, auf denen Anzugträger in Handschellen abgeführt wurden. Die sind wieder verschwunden. „Unsere Mitarbeiter sollen keine Angst haben, sondern frühzeitig fragen, wie sie sich verhalten sollen“, sagt Donatus Kaufmann, im Vorstand für gute Unternehmensführung zuständig.
Millionen-Bonus statt Kritik
Zu viel Druck ist auch für Dominik Enste der falsche Weg. Der Professor für Wirtschaftsethik leitet die Akademie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln; Manager verschiedenster Unternehmen trainieren in seinen Seminaren verantwortungsvolles Handeln. Die Deutsche Bank schult Führungskräfte hier zum von ihr ausgerufenen Kulturwandel.
Wo die Deutsche Bank überall Ärger hat
Im Juni wurde bekannt, dass Ermittler rund um den Globus dem Verdacht nachgehen, russische Kunden könnten über die Deutsche Bank Rubel-Schwarzgeld im Wert von mindestens sechs Milliarden Dollar gewaschen haben. Die Bank hat versprochen, zur Aufarbeitung der Affäre mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Mehrere Mitarbeiter in der Moskauer Niederlassung wurden deshalb vor die Tür gesetzt, darunter auch der ehemalige Chef-Händler in Russland, Tim Wiswell.
Inzwischen hat die Affäre eine neue Dimension erreicht: Das US-Justizministerium und die Finanzbehörde von New York (DFS) prüfen laut einem Medienbericht, ob die Bank gegen Sanktionen verstoßen hat. Dabei gehe es auch um die Frage, ob Geschäfte mit Vertrauten von Russlands Präsident Wladimir Putin gemacht wurden und ob die Bank intern geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um solche Verstöße zu verhindern.
Schon länger steht die Deutsche Bank im Verdacht, gegen Sanktionen verstoßen zu haben, die die USA gegen Länder wie den Iran verhängt haben. Die Gespräche über einen Vergleich laufen, wie Insider berichten. Intern gab es zuletzt die Hoffnung, dass dieses Thema zeitnah abgeschlossen werden kann. Die Bank hat betont, sie habe sich bereits 2007 aus Iran-Geschäften zurückgezogen. Einige andere Finanzinstitute mussten für Vergleiche in der Sache bereits tief in die Tasche greifen: Die französische BNP Paribas zahlte knapp neun Milliarden Dollar, die Commerzbank 1,45 Milliarden Dollar.
Ende 2013 zahlte die Deutsche Bank 1,4 Milliarden Euro für die Beilegung ihres größten Rechtsstreits im Zusammenhang mit fragwürdigen Hypothekengeschäften in den USA. Das Institut soll vor der Finanzkrise beim Verkauf von Wertpapieren, die mit Hypotheken unterlegt sind, falsche Angaben gemacht haben. Andere Verfahren, die die amerikanischen Federal Housing Finance Agency (FHFA) gegen die Deutsche Bank und weitere Häuser angestrengt hatte, sind aus dem Vergleich jedoch ausgeklammert. Auch andere Klagen liegen noch auf dem Tisch und könnten potenziell viel Geld kosten.
Die Bank ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts München mitverantwortlich für die Pleite des Medienkonzerns im Jahr 2002. Grund ist ein Interview des damaligen Bankchefs Rolf Breuer, in dem dieser Zweifel an Kirchs Kreditwürdigkeit gesät hatte. Anfang 2014 einigten sich die Streitparteien in einem Vergleich zwar auf Schadenersatz von 925 Millionen Euro. Doch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen einzelne Spitzenmanager der Bank wegen versuchten Prozessbetrugs liefen weiter. Die Staatsanwaltschaft München erhob schließlich Anklage gegen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen sowie die früheren Spitzenmanager Josef Ackermann, Rolf Breuer und Clemens Börsig. Prozessauftakt war im April, das Verfahren zieht sich. Die Ermittlungen wurden zudem auf den heutigen Rechtsvorstand Stephan Leithner und die Anwälte der Bank ausgeweitet.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Bank wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Betrug mit CO2-Verschmutzungsrechten. Rund 500 bewaffnete Polizisten und Steuerfahnder hatten deshalb Ende 2012 den Hauptsitz der Bank in Frankfurt und andere Büros durchsucht. Co-Chef Fitschen und der langjährige Finanzvorstand Stefan Krause gehörten zu ursprünglich 25 Mitarbeitern der Bank, gegen die in der Affäre wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde. Denn Fitschen und Krause hatten die auf dem CO2-Betrug basierende Steuererklärung unterzeichnet. Im August diesen Jahres erhob die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt schließlich gegen acht beteiligte Kundenbetreuer und Händler der Deutschen Bank Anklage wegen "bandenmäßiger Steuerhinterziehung".
Wegen der Manipulation wichtiger Referenzzinssätze wie Euribor und Libor musste die Deutsche Bank viel Geld abdrücken. Die EU-Kommission verhängte Ende 2013 eine Strafe von 1,7 Milliarden Euro gegen sechs Großbanken, davon entfiel mit 725 Millionen Euro der Löwenanteil auf das Frankfurter Geldhaus. Die Behörden in Großbritannien und den USA brummten der Bank eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar auf. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hat in ihrem Bericht zur Zinsaffäre eine Reihe von Top-Managern scharf angegriffen und ihnen zu laxe interne Kontrollen beziehungsweise eine mangelnde Aufklärung der Tricksereien vorgeworfen. Darunter war auch Co-Vorstandschef Anshu Jain, der im Frühsommer sein Amt zur Verfügung stellte. Einen Zusammenhang zwischen dem Rücktritt und dem BaFin-Bericht wies die Bank allerdings zurück.
Mit vier mutmaßlich in den Zinsskandal verwickelten Händlern hat sich die Deutsche Bank in Frankfurt nach langem Hin und Her auf einen Vergleich geeinigt, der ebenfalls Geld kostete.
Ob das Zinskapitel wirklich abgeschlossen ist, ist offen. In den USA könnten auch Sammelklagen von Anlegern gegen die Bank zugelassen werden. Sie müssen aber eindeutig nachweisen, dass ihnen durch die Manipulationen Nachteile entstanden sind.
Aufseher, darunter auch die BaFin, gehen dem Verdacht nach, dass Banken am billionenschweren Devisenmarkt ebenfalls getrickst haben. Einige internationale Großbanken haben in der Sache bereits milliardenschwere Vergleiche geschlossen. Die Deutsche Bank als einer der größten Devisenhändler der Welt nicht. Sie hat Finanzkreisen zufolge aber mehrere Händler vom Dienst suspendiert. Sie stehen offenbar im Verdacht, an Referenzkursen gedreht zu haben. Die Deutsche Bank hat erklärt, dass sie zur Aufklärung des Skandals mit verschiedenen Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet und zudem eine interne Untersuchung gestartet hat. Diese Untersuchung ergab nach Angaben aus Finanzkreisen, dass es bislang keinerlei Hinweise auf Tricksereien bei den großen Währungen Euro, Dollar, Pfund und Yen gibt, wohl aber vereinzelt beim russischen Rubel und dem argentinischen Peso.
Vom Haken sind die Frankfurter aber nicht: In der US-Niederlassung der Bank installierte die New Yorker Finanzaufsicht DFS einen Kontrolleur, der sich Finanzkreisen zufolge nun schon seit einigen Monaten das elektronische Devisenhandelssystem genauer anschaut. Demnach sind Algorithmen der Plattform "Autobahn" Teil der Ermittlungen.
Amerikanische und deutsche Aufseher gehen zudem dem Verdacht nach, dass Geldhäuser den viel beachteten Marktindex für Swap-Geschäfte (Isdafix) zu ihren Gunsten beeinflusst haben. Sie haben auch dazu Informationen von der Deutschen Bank angefordert.
Das US-Justizministerium ermittelt seit mehr als fünf Jahren gegen Finanzinstitute in der Schweiz wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Am Haken haben die Behörden seit 2013 auch die Deutsche Bank. Deren Schweizer Tochter erstatte Selbstanzeige. Finanzkreisen zufolge hat sich die Deutsche Bank bei den US-Behörden gemeldet, weil sie den Verdacht hegte, einige US-Kunden könnten ihr Vermögen in der Schweiz vor dem heimischen Fiskus versteckt haben. Seither würden Daten an die USA geliefert und Anfragen beantwortet. Eine Strafzahlung könne die Bank damit aber wohl nicht abwenden, sondern nur auf einen Rabatt hoffen. Eine Entscheidung steht noch aus. Das Bußgeld kann sich auf bis zu 50 Prozent der versteckten Gelder belaufen.
Enste hält wenig von zu vielen Regeln, einem zu engen Korsett, in manchen Unternehmen müssten Mitarbeiter heute mehr als 5000 unterschiedliche Richtlinien beachten. „Das schafft eine Kultur des Misstrauens, in der es nur darum geht, nicht gegen die Vorschriften zu verstoßen.“ Verantwortung werde delegiert, alle seien bestrebt, die Vorgaben von oben zu erfüllen. Zu viel Folgsamkeit ist aber schädlich. So klagte ein Manager kürzlich in einem Seminar, dass er sich von langfristigen Zielen verabschieden müsse, um die kurzfristigen zu erfüllen. Dass er die auch mal hinterfragen könnte, kam ihm nicht in den Sinn.
Die beste Vorsorge ist für Enste eine Kultur, in der Kritik erwünscht ist und Fehler erlaubt sind. Dass solch gute Absichten im harten Alltag leicht untergehen, weiß der Professor auch. Dagegen helfen sollen auch Übungen, bei denen Manager ihre Fehlbarkeit erkennen. „Viele glauben, dass sie nicht betroffen sind, aber kaum etwas überschätzen Menschen so sehr wie die eigene Moralität“, sagt Enste.
Um Vertrauen und Eigenverantwortung zu fördern, müssen Verstöße gegen Werte sanktioniert werden. Und zwar selbst dann, wenn sie erst mal gut fürs Geschäft sind. In den Investmentbanken war das lange anders. Leistung wurde am individuellen Ergebnis bemessen und mit hohen Boni belohnt. Ein später in die Libor-Manipulation verwickelter Händler der Deutschen Bank kassierte in einem Jahr 84 Millionen Euro.
Was bei fehlender Konsequenz passieren kann, erklärt Enste in seinen Seminaren an einem populären Beispiel. In den ersten „Star Wars“-Filmen feiert Anakin Skywalker als Führer der Rebellen große Erfolge. Die erzielt er, indem er sich über Regeln hinwegsetzt, dafür wird er nicht getadelt, sondern bewundert. So gerät er auf die schiefe Bahn und wechselt schließlich ganz auf die dunkle Seite der Macht. Ähnliche Karrieren gebe es in Unternehmen. „Und dann sitzt auf einmal ein Darth Vader im Vorstand“,sagt Enste.
Eine solche Personalie will die Deutsche Bank verhindern. Ihr Chef John Cryan drückt die Kosten zwar an allen Ecken und Enden, die Kurse in Köln aber soll es weiter geben. Damit es besser wird. Irgendwann.