Wenn schon ganz oben weggeschaut wird, setzt sich das meist im ganzen Unternehmen fort. Bei der Deutschen Bank etablierte Josef Ackermann einst eine Art Schattenregierung. Das Group Executive Comittee galt als eigentliche Machtzentrale des Konzerns, seine Mitglieder waren aber weder der Kontrolle des Aufsichtsrats noch der Finanzaufsicht unterstellt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue Chef John Cryan das Gremium abgeschafft.
Es sind Strukturen, wie sie autoritäre Chefs wollen und fördern. Denn dann können sie umso ungestörter regieren, umso größere Ansprüche formulieren. Die größten Pannen treten nicht zufällig dort auf, wo auch die größten Pläne gedeihen. Ackermann wollte mit der Deutschen Bank eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent erreichen, seinen Abschied im Jahr 2011 mit einem Jahresgewinn von zehn Milliarden Euro krönen. Das Ziel war dabei stets wichtiger als der Weg. Die Händler, die in London den Referenzzins Libor ermittelten und letztlich manipulierten, kontrollierte die Bank überhaupt nicht, die IT-Systeme vernachlässigte sie so, dass sie später nicht mal von den um Aufklärung bemühten Aufsichtsbehörden angefragte Daten übermitteln konnte.
Die Folgen von Dieselgate
Die Entwicklung der Motorsteuergeräte-Software erfolgt in Zukunft unter strikter Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips.
Emissionstests werden künftig grundsätzlich extern und unabhängig überprüft.
Die Prüfstandswerte sollen stichprobenartig mit Real-Life-Test zur Emissionseinhaltung auf der Straße überprüft werden.
Seit Beginn des Jahres 2015 sind 6 von 10 Vorstandsposten neu besetzt worden. Zudem wurden neue Posten außerhalb des Vorstands – etwa der des Chefstrategen oder Leiter der Digitalisierung – geschaffen.
Sieben von dreizehn Markenchefs inklusive der Konzernspitze wurden im Laufe des Jahres 2015 ausgetauscht.
Auch VW hatte Großes vor, wollte Toyota als weltgrößten Autobauer abhängen. Dafür musste der Konzern den US-Markt überrollen, gelingen sollte das mit dem „Clean Diesel“. Das Projekt war so wichtig, dass es einfach funktionieren musste, wie auch immer. Mitarbeiter des Konzerns berichten von einem Klima, in dem nur die Meinung des Vorgesetzten zählt, Debatten unerwünscht sind und Mitarbeiterbefragungen halbherzig ausfallen. Widerspruch ist zwecklos.
Anwälte übernehmen die Kontrolle
Unternehmen, in denen es so oder so ähnlich läuft, kennt Thomas Schürrle gut. Der Deutschlandchef der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton ist gut verdrahtet in den deutschen Chefetagen, aber er wird dort auch gefürchtet. Viele Kanzleien haben in den vergangenen Jahren Abteilungen aufgebaut, die im Auftrag von Unternehmen deren Skandale aufklären, Debevoise gilt als die härteste von allen.
Als Siemens vor knapp zehn Jahren wegen weitverbreiteter schwarzer Kassen im Visier der US-Behörden und damit am Abgrund stand, engagierte der Konzern Debevoise für die Aufräumarbeiten. Die erledigte die Kanzlei so gründlich, dass ihre Anwälte zeitweise als die eigentlichen Chefs im Konzern galten. Das harte Vorgehen zahlte sich jedoch aus, es überzeugte die US-Behörden vom guten Willen der Münchner. Am Ende stand dann eine vergleichsweise niedrige Strafzahlung. Und, was noch wichtiger ist: Seitdem herrscht Ruhe.
Für Schürrle hat eine konsequente Aufklärung oberste Priorität, nach Möglichkeit soll das Unternehmen dafür eng mit Behörden und Staatsanwälten zusammenarbeiten. Der Anwalt motiviert auch die Angestellten, ihren Beitrag zu leisten, einen der ersten Termine macht er deshalb immer beim Betriebsrat.