Dax-Wert K+S-Aktie außer Kontrolle

Der hessische Düngemittelproduzent K+S wird an der Börse zum Spielball des Rohstoffmarktes. Vor allem Spekulationen um die Kalipreise setzen der Aktie zu. Aber selbst nach einem Dax-Abstieg hätten Anleger noch Chancen.

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Der hessische Düngemittelproduzent K+S wird an der Börse zum Spielball des Rohstoffmarktes. Quelle: dpa

Der Kasseler Kali- und Salzhersteller K+S bleibt unter Druck. Analysten der US-Großbank Morgan Stanley setzten am Mittwoch ihre Aktienempfehlung auf "Untergewichten". Das Kursziel für den Dax-Wert senkten sie von zuvor 30 auf nur noch elf Euro. Die K+S-Aktie erlitt in nur einer Woche seit Ende Juli Kursrückgänge von zeitweise 40 Prozent. Auch andere Banken und Analysehäuser wie die Schweizer UBS haben inzwischen den Daumen über K+S gesenkt. Dass die Aktie am Mittwoch und Donnerstag trotz der Herabstufung jeweils um mehr als fünf Prozent in einem schwachen Markt zulegte, dürfte auf risikofreudige Anleger zurückzuführen sein, die Kurscrash als Einstiegsgelegenheit ansehen. Aber wie stehen die Chancen?

Für die K+S-Aktie geht es schon seit 2011 Jahren nur noch bergab, selbst wer die Aktie vor fünf Jahren kaufte, sitzt bis heute auf rund 75 Prozent Verlust. Das Kernproblem: Der seit geraumer Zeit sinkende Preis für den Rohstoff Kalium. Mit Kali- und Magnesiumprodukten erzielen die Kasseler den größten Teil ihrer Einnahmen, insgesamt 58 Prozent. Die Abhängigkeit von dem wichtigen Grundstoff für Dünger hat sich zu einer harten Belastungsprobe für das Unternehmen entwickelt, denn die Kalipreise sind bereits seit Jahresbeginn 2012 auf Talfahrt. Damals brachte die Tonne Kali noch 480 Dollar ein. Im Rohstoffrausch 2008 waren es sogar kurzzeitig 1000 Dollar. Diesen Boom hatte auch die K+S-Aktie durchlebt. Der jüngste Kurssturz war denn auch maßgeblich von Spekulationen befeuert worden, der Kalipreis könne auf 300 Dollar je Tonne sinken. Derzeit kostet die Tonne Kali noch knapp 400 Dollar.

Mit der langen Talfahrt der K+S-Aktie wächst die Gefahr, dass der Düngerhersteller bei der anstehenden turnusgemäßen Überprüfung aus dem Börsenindex Dax aussortiert wird und in den darunter liegenden Index MDax absteigt. Darüber entscheidet der Arbeitskreis Aktienindizes der Deutschen Börse Anfang September. Zwar hat der Arbeitskreis bei seiner Auswahl der Auf- und Absteiger einen Ermessensspielraum, doch orientiert er sich dabei maßgeblich an festgelegten und bekannten Kriterien. Die wesentliche Rolle spielen dabei die Marktkapitalisierung der in Streubesitz befindlichen Aktien und die Liquidität des Handels mit der fraglichen Aktie. Dabei werden die frei handelbaren Aktien mit dem Kursdurchschnitt der vergangenen 20 Börsenhandelstage multipliziert, die Anteile von Großaktionären mit mehr als fünf Prozent der Aktien bleiben unberücksichtigt. Für die Entscheidung der Börse ist also das Kursniveau im August maßgebend. Zählt die Aktie nach der so errechneten Marktkapitalisierung nicht mehr zu den 40 größten deutschen Börsenunternehmen, fliegt sie aus dem Dax, sofern es einen geeigneten Nachrücker gibt. Liegt die Platzierung besser, wird auch noch das Handelsvolumen, also der Umsatz mit den Aktien an der Börse, genauer betrachtet. Schließlich sollte eine Aktie im Leitindex Dax jederzeit zu einer möglichst geringen Spanne zwischen Kauf- und Verkaufspreis handelbar sein. Das ist wichtig, weil Dax-Aktien auch von Fonds und anderen institutionellen Investoren im großen Stil gehandelt werden, etwa weil sie neue Investorengelder anlegen müssen oder aber Anleger auszahlen müssen. Dabei sollte es möglichst nicht zu erdrutschartigen Kursverwerfungen kommen.

Am stärksten abstiegsgefährdet

Die Talfahrt der K+S-Aktie

In punkto Marktkapitalisierung sind die Dax-Unternehmen K+S sowie das Spezialchemieunternehmen Lanxess am stärksten abstiegsgefährdet. Auch Lanxess ist derzeit ein Opfer seiner Absatzmärkte, denn der Kölner Konzern liefert wichtige Stoffe für die Reifenherstellung und leidet unter dem seit geraumer Zeit sehr schwachen Automarkt. Außerdem krebst die Commerzbank im Dax bei der Streubesitz-Marktkapitalisierung ebenfalls auf einem der hinteren Ränge.

Im MDax findet sich gleich ein rundes Duzend Unternehmen, die es bei der Marktkapitalisierung mit den drei geprügelten Aktien aufnehmen könnten. Aber nicht alle von ihnen kommen für einen Aufstieg in den Dax infrage. EADS-Aktien etwa verzeichnen einen zu geringen Börsenumsatz. Lkw-Hersteller MAN soll ganz in Volkswagen aufgehen und könnte so schon bald ganz vom Kurszettel verschwinden. Auch Kabel Deutschland droht dieses Schicksal, weil sich Vodafone den Kabelnetzbetreiber einverleiben will. Nur wenn die Übernahme scheitert, bleibt Kabel Deutschland ein heißer Anwärter für die erste Börsenliga.

Wie Analysten die K+S-Aktie bewerteten

Der Aufstieg in den Dax erfolgt nur, wenn das Unternehmen nach den Börsenkriterien mindestens zu den 35 größten deutschen Börsenunternehmen zählt. Die besten Chancen auf einen Dax-Aufstieg haben nach dem aktuellen Stand daher der Handelskonzern Metro, der erst vor einem Jahr in den MDax abstieg, sowie der Chemikalienhändler Brenntag, der im März 2010 sein Debüt an der Börse gab und nur drei Monate später bereits in den MDax aufgenommen wurde.

Kommt es zum Abstieg in den MDax, dürfte das für K+S-Aktionäre zunächst ein Rückschlag sein. Denn zumindest alle Fonds, die den Dax eins zu eins abbilden, wären gezwungen, ihre K+S-Position aufzulösen und gegen Aktien des Dax-Nachrückers auszutauschen.  Durch die Verkäufe würde die Aktie erneut unter Druck geraten.

Bilanzfeuerwerk im Dax - K+S rutschen ab

Aber noch ist das letzte Wort hinsichtlich der Dax-Zugehörigkeit von K+S gesprochen. Denn einerseits dürfte auch dem Arbeitskreis Aktienindizes klar sein, dass kurzfristige Spekulationen über weiter fallende Rohstoffpreise schnell wieder ins Gegenteil umschlagen können. Zum anderen hat sich die K+S-Aktie in den vergangenen beiden Tagen wieder deutlich erholt, die Marktkapitalisierung steigt wieder. Beflügelt hat die Aktie, dass einer der größten Kaliproduzenten weltweit, das kanadische Rohstoffunternehmen Potash, ein Abrutschen des Kalipreises auf nur 300 Dollar für höchst unwahrscheinlich hält. Bleibt die Aktie im restlichen Monat August auf Erholungskurs, dürfte die Dax-Zugehörigkeit gesichert sein.

Schafft es K+S wieder unter die 40 größten Unternehmen, dürften auch die hohen Handelsumsätze mit der Aktie seit Monatsbeginn dabei helfen, den Klassenerhalt im Dax zu sichern. Nicht zuletzt legt die Deutsche Börse Wert darauf, dass es im Dax nicht zugeht wie an einer S-Bahnstation. Stabilität in der Zusammensetzung mit lediglich moderaten Anpassungen sind den großen Dax-Investoren wichtig.

Abhängigkeit vom Kalimarkt

Diese Aktien halten Analysten für Flops

Die zentrale Rolle für den Aktienkurs von K+S spielt aber der Kalimarkt. Denn die Kalipreise müssten in absehbarer Zeit ihren Boden finden. Dann könnte die Geschichte für die Hessen glimpflich ausgehen. Zwar können die großen Hersteller wie die russische Uralkali billiger produzieren, als die deutsche K+S, und daher auch von niedrigen Kalipreisen noch ganz gut leben, aber sie verfügen weder über die Infrastruktur noch über die Produktionskapazität, um alle Märkte gleichermaßen zu versorgen. Auf der anderen Seite befindet sich der gesamte Agrarbereich in einer Krise, weil die Preise für Agrarrohstoffe schon seit langem unter Druck stehen. Und sollte den Bauern das Geld ausgehen, um Dünger zu kaufen, wäre das für K+S als relativ teuren Anbieter fatal. Dort baut das Management darauf, dass die Bauern um ihre Düngemittel nicht herumkommen, wenn sie Geld verdienen wollen.

Wie Analysten die K+S-Aktie bewerteten

Auf 54 Millionen Tonnen wird das Marktvolumen für Kali geschätzt. Nachdem sich nun das russisch-weißrussische Kalikartell BPC aufgelöst hat - das für 13 Millionen Tonnen Kali pro Jahr stand -, bleibt nur noch das kanadische Kartell Cantopex, zu dem die Unternehmen Potash, Mosaic und Agrium gehören, eine bestimmende Größe. Bislang haben die Kartelle ihre Produktion gedrosselt, wenn der Kalipreis zu stark sank und ihn somit gestützt. Das dürfte Cantopex auch weiterhin tun.

K+S produziert jährlich 7,5 Millionen Tonnen Kali und will die Kapazität durch den Bau eines einen Bergwerks in Kanada bis Ende 2017 um zwei Millionen Tonnen erhöhen. Kommt es bis dahin zu einer weltweiten Erholung der Kalinachfrage, hat K+S trotz der hohen Investitionskosten von drei Milliarden Euro bessere Chancen auf dem Weltmarkt - vorausgesetzt die Kosten für das Projekt laufen nicht noch weiter aus dem Ruder und die Finanzierung ist gesichert. Denn noch produziert K+S vorrangig in Deutschland und verkauft überwiegend in Europa. Der Ausbau der Förderkapazität kann helfen, die Produktionskosten zu senken und andere Märkte zu erschließen.

Weder der Abstieg aus dem Dax noch ein Absinken des Kalipreises auf 300 Dollar je Tonne würden also das Ende für K+S bedeuten. Das Unternehmen würde immer noch Gewinn machen. Und für Anleger könnte sich das als bereinigende Phase erweisen, die endgültig die Zeit der jahrelangen überhohen Bewertung vergessen lässt. Als die Aktie der Metro etwa in den MDax verwiesen wurde, war auch der Tiefpunkt für Aktionäre erreicht. Auf dieser Basis konnte sich das Papier langsam erholen.

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