Deka-Chefanlagestratege Hagenstein "Gute Einstiegsmöglichkeiten in den Schwellenländern"

Frank Hagenstein, Chef-Anlagestratege von Deka Investments, erklärt, warum die Krise in der Ukraine keine langfristigen Folge für die Märkte haben wird und warum es an den Börsen noch Potenzial für steigende Kurse gibt.

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 Frank Hagenstein, Chef-Anlagestratege von Deka Investments Quelle: Presse

WirtschaftsWoche Online: Herr Hagenstein, die Unsicherheit über eine mögliche Intervention Russlands in der Ukraine hat die Märkte zu Beginn dieser Woche stark verunsichert. Wie gefährlich ist die Situation für die Börsen weltweit?

Hagenstein: Die Lage ist nicht ganz ungefährlich, die Verunsicherung ist groß. Wie nachhaltig sich der Konflikt auf die Märkte auswirkt, lässt sich jetzt aber noch nicht sagen, das wäre Spekulation. Sollte es tatsächlich zu einem Krieg kommen, wäre das sicherlich schlecht für die Börsen. Allerdings glaube ich nicht, dass es mittelfristig Konsequenzen hätte, die Kurse dürften sich relativ schnell wieder erholen.

Unabhängig von der Situation auf der Krim bewegen sich die Börsen zurzeit eher seitwärts, auch der Dax. Sehen wir da gerade den Scheitelpunkt vor der Kurskorrektur der langen Aufwärtsbewegung?

Ich halte die aktuellen Kursbewegungen eher für eine Verschnaufpause, wir haben durchaus noch Potenzial für steigende Kurse.

Woher kommt das? Die Berichtssaison der Unternehmen fällt eher durchwachsen aus.

Richtig, die Gewinne der Unternehmen sind nicht besonders positiv ausgefallen. Das Kurspotenzial geht daher weiterhin von den Notenbanken aus.

Das heißt die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) heizt die Aktienkurse weiterhin stärker an als fundamentale Faktoren wie Unternehmensgewinne oder die Konjunktur?

Ja, die Notenbanken sind die Kurstreiber, insbesondere in Europa. Zwar erwarten wir keine Deflation, aber doch eine Disinflation, also geringere Preissteigerungsraten über einen längeren Zeitraum. Vermutlich wird die EZB in den kommenden Monaten nochmal auf den negativen Preisdruck reagieren und den Zins erneut senken.

Also wird die Situation für Sparer eher schlechter als besser?

Die Zinsen dürften noch eine sehr lange Zeit niedrig bleiben. Entsprechend besteht weiter der Druck, in Aktien zu investieren, da die meisten anderen Anlageformen kaum noch Rendite einbringen. Der Aktienmarkt entwickelt sich deutlich besser als der Geldmarkt. Einzig hochverzinste Unternehmensanleihen sind noch eine Alternative.

Gibt es denn aktuell noch Kaufgelegenheiten?

Doch, die gibt es. Kursschwankungen bieten Möglichkeiten zum Einstieg. Wir haben zurzeit eher politische Börsen. Solange die Krise zwischen Russland und der Ukraine anhält, sollten sich Anleger bei Zukäufen zurückhalten. Aber auch für überstürzte Verkäufe gibt es keinen Grund. Als Käufe eignen sich beispielsweise europäische Dividendentitel, auch solche aus dem Dax.

Aber die Dividendensaison läuft doch bisher gar nicht sonderlich gut. Welche Bedeutung haben Ausschüttungen noch für Anleger?

Zum einen sind Dividenden für viele Anleger weiterhin der entscheidende Grund, in Aktien zu investieren. Gleichzeitig sind sie ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, die Renditen von Aktien und Unternehmensanleihen zu vergleichen.

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Welche Branchen favorisieren Sie im Moment?

In solchen Korrekturphasen wie jetzt sind Finanzwerte gute Käufe. Einige europäische Banken sind mittlerweile deutlich besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren. Allerdings muss man den Stresstest der EZB abwarten, der kann wieder einiges durcheinander bringen. Versicherer und Vermögensverwalter profitieren weiterhin von den fallenden Risikoprämien in der Peripherie und dem insgesamt positiven Kapitalmarktumfeld. Grundsätzlich finden wir aktuell Sektoren interessant, die von der positiven Konjunkturentwicklung in Europa und den USA profitieren, aber gleichzeitig nicht zu stark von den Entwicklungen in den Schwellenländern abhängen. Dazu gehört zum Beispiel der Transportsektor und insbesondere Fluglinien. Hier ist die konjunkturelle Belebung in den Zahlen zu spüren und über Kostensenkungsprogramme sind auch mikroökonomische Treiber vorhanden. Zusätzlich sind die Bewertungen im Gegensatz zu anderen zyklischen Sektoren noch moderat. Der Energiesektor könnte in 2014 ein Überraschungskandidat sein, ähnlich wie in 2013 die Telekommunikationsunternehmen. Der Sektor ist historisch sehr günstig bewertet und wurde zuletzt stark gemieden. Hier könnte schon ein Ausbleiben von negativen Nachrichten für eine Neubewertung sorgen.

Welche anderen Risikofaktoren für die Märkte sehen Sie?

Abgesehen vom aktuellen Gefahrenherd in der Ukraine und den schon erwähnten Stresstests für die Banken wird auch die Europawahl eine Rolle spielen. Kommt es zu nennenswerten Zugewinnen der radikalen Parteien, so wie es zurzeit aussieht, wird das Unsicherheit an die Märkte bringen. Insbesondere Zykliker würde das zurückwerfen. Und schließlich muss man auch die weitere konjunkturelle Entwicklung in China verfolgen.

Und wie sieht es mit der Krise in den Schwellenländern aus?

Auch die wird die Märkte weiterhin beeinflussen – vor allem da die Investoren das Geld, welches sie aus Ländern wie der Türkei, Indien oder Brasilien abgezogen haben, jetzt in Europa oder den USA wieder anlegen. Die lokalen Renditen, in der jeweiligen Währung, steigen allerdings. Es wird bald gute Einstiegsmöglichkeiten dort geben, beispielsweise in Brasilien könnten sich Investments dann wieder lohnen.

Auch in die USA fließt viel Kapital aus den Schwellenländern, Ökonomen erwarten, dass sich die Konjunktur dort schneller erholt als in der Euro-Zone. Sollten Anleger lieber an der Wall Street kaufen, statt in Europa zu investieren?

Die konjunkturelle Entwicklung spricht tatsächlich eher für die USA. Zwar sind die letzten Daten etwas schlechter ausgefallen, offensichtlich war das aber nur eine Folge der Kältewelle im Osten der USA. Allerdings sind die Bewertungen eher ein Argument für den europäischen Markt, die Bewertungsprämie von US-Aktien gegenüber europäischen ist mittlerweile relativ hoch.

Dabei sind einige Beobachter auch für Europa skeptisch und warnen bereits vor Überhitzungen, sollte die EZB sich nicht rechtzeitig von ihrer expansiven Geldpolitik verabschieden.

Bisher sehe ich keine Überhitzungsgefahr, die Bewertungen sind moderat.

Dafür sind Anleihen aus den Peripheriestaaten wieder gefragt. Der Bund wird teilweise seine Papiere nicht los, weil Staatsanleihen aus Italien oder Spanien eine deutlich bessere Rendite abwerfen. Ist das auch für Privatanleger eine Chance?

Nein, für den Einstieg ist es dort zu spät. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass der Reformdruck in diesen Ländern immer noch extrem hoch ist. 

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