Denkfabrik

Bankenaufsicht und Geldpolitik gehören getrennt!

Die Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB führt zu Zielkonflikten mit der Geldpolitik der Notenbank. Langfristig könnten Preis- und Finanzstabilität auf der Strecke bleiben.

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Die Bankenaufsicht sollte von der EZB getrennt werden. Quelle: imago, Montage

Im November 2014 hat die Europäische Zentralbank (EZB) wichtige Aufgaben in der Bankenaufsicht übernommen. So ist sie nun unmittelbar für alle signifikanten Banken des Euro-Raums als Aufseherin zuständig; hinzu kommt eine indirekte Aufsicht über das restliche Bankensystem. Zwar ist zwischen den verschiedenen Funktionen eine organisatorische Trennung (Chinese Walls) innerhalb der EZB vorgesehen, doch letztlich werden alle Entscheidungen – die geldpolitischen und die aufsichtsrechtlichen – im EZB-Rat getroffen.

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Tatsächlich wurde die aktuelle Struktur nicht gewählt, weil sie als optimal empfunden wurde, sondern weil die EZB in der Krise eine der wenigen handlungsfähigen Institutionen war und weil sich diese Struktur ohne Änderung der Europäischen Verträge schnell implementieren ließ. Schon damals erkannte man mögliche Probleme, denn die rechtliche Grundlage ließ nur die Übertragung „besonderer Aufgaben“ in der Bankenaufsicht zu und schloss gleichzeitig eine Allfinanzaufsicht aus.

Auch der Machtzuwachs der EZB wurde kritisch gesehen. Schließlich bestand die Sorge, dass die Vereinigung der beiden Funktionen in einer Institution zu Interessen- und Zielkonflikten führen könnte. Zwar gab es damals wohl kaum eine andere Möglichkeit, den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus und damit die Bankenunion rasch zu implementieren. Dennoch muss man fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, Geldpolitik und Bankenaufsicht in einer Institution anzusiedeln.

Nun gibt es durchaus Argumente, warum dies sinnvoll sein könnte. So kann die Geldpolitik von einem verbesserten Zugang zu aufsichtlichen Informationen profitieren, weil die Zentralbank leichter abschätzen kann, wie sich die Geldpolitik in die Kreditvergabe übersetzt. Ebenso könnte eine Zentralbank in Krisenzeiten besser entscheiden, ob Banken unter Liquiditäts- oder Solvenzproblemen leiden und so verhindern, dass die Institute sich zu sehr auf Unterstützung verlassen. Diese Vorteile lassen sich jedoch bereits durch eine enge Kooperation zwischen Zentralbank und Bankenaufsicht erzielen.

Arbeiten Zentralbank und Bankenaufsicht eng zusammen, sinkt die Inflation

Werden hingegen aufsichtsrechtliche Kompetenzen auf die Zentralbank übertragen, wird diese mitverantwortlich für die Entwicklungen im Bankensektor. Geraten die Banken in Schwierigkeiten, sind die Anreize groß, sie geldpolitisch zu unterstützen. Antizipieren die Banken dies, könnten sie sich im Vorfeld riskanter verhalten. Am Ende könnte das zu höherer Inflation und geringerer Finanzstabilität führen. Ebenso könnte die Zentralbank in einem fragilen makroökonomischen Umfeld notwendige aufsichtsrechtliche Maßnahmen im Bankensektor verzögern, wenn diese ihren geldpolitischen Zielen zuwiderlaufen.

In einer Studie haben wir die Auswirkungen der Organisation der Bankenaufsicht über den Zeitraum 1970 bis 2013 für die Länder der OECD analysiert. Tatsächlich scheint es eine wesentliche Rolle zu spielen, wie die Zusammenarbeit zwischen Zentralbank und Bankenaufsicht organisiert ist. So führt eine engere Kooperation zu einer geringeren Inflation und zu mehr Finanzstabilität. Übernimmt die Zentralbank hingegen Kompetenzen in der Bankenaufsicht, ist die Inflationsrate höher, aber die Wahrscheinlichkeit von Bankenkrisen verringert sich nicht. Die Ergebnisse dieser Studie sprechen also für eine Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht bei gleichzeitig enger Kooperation.

Ein Ausstieg aus der Niedrigzinsphase wird schwer

Wie relevant ist dies für die aktuelle Situation? Kaum jemand hält eine zu hohe Inflation derzeit für eine ernst zu nehmende Bedrohung. Jedoch engen die jetzigen Maßnahmen der EZB die künftigen Spielräume der Geldpolitik erheblich ein. Ein Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik wird umso schwieriger, je länger die Niedrigzinsphase anhält, weil ein Zinsanstieg die Banken nach einer langen Niedrigzinsphase empfindlich trifft. Gleichzeitig wird eine höhere Risikoübernahme im Bankensystem nicht nur in Kauf genommen, sondern durch die Geldpolitik bewusst befördert.

Schließlich könnte man – auch angesichts der Ergebnisse des Stresstests – den Eindruck gewinnen, dass die EZB als Aufseherin die Probleme bei den europäischen Banken nicht mit Nachdruck angegangen ist, obwohl diese schon lange bekannt sind. Die mehr und mehr zu Tage tretenden Probleme der neuen Aufsichtsstruktur sollten als Anlass dienen, ernsthaft über eine europäische Bankenaufsicht außerhalb der EZB nachzudenken.

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