Der Minsky-Moment Was Anleger aus früheren Abstürzen lernen können

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Krisen-Fazit für Anleihen, Aktien, Immobilien und Gold

Krisen-Fazit für Anleihen: Die größten Gefahren sind der Ausfall des Schuldners und eine Währungsreform. Während Letztere alle Zinspapiere gleichermaßen trifft, ist das Ausfallrisiko bei einem Staatspapier in der Regel geringer als bei der Anleihe eines Unternehmens. In einem Katastrophenszenario würde viel Kapital zunächst in vermeintlich sichere Staatsanleihen fließen. Steigende Kurse wären die Folge – bis entweder die Inflation zuschlägt oder die finanzschwachen Staaten ihre Schulden nicht mehr begleichen könnten. Generell sind Anleihen also im Crash gefährdet. Krisenfest sind nur Papiere von Top-Schuldnern wie der Bundesrepublik oder von Unternehmen wie Microsoft etwa, aber dafür sind sie – wegen der Inflation – nicht vermögenserhaltend.

Aktien: Dass Aktionäre sogar nach dem Zweiten Weltkrieg als die großen Gewinner der Währungsreform da gestanden hätten, wird gerne behauptet. Das stimmt aber nur, wenn man auf den Kursanstieg nach dem 20. Juni 1948 blickt. Damals wurde die D-Mark eingeführt – und in der Tat stiegen die Aktienkurse darauf bis Anfang der Sechzigerjahre real um weit mehr als 3000 Prozent. Unter dem Währungsschnitt selbst allerdings litten Aktien genauso wie Anleihen und Spargelder: Die ersten Notierungen in Deutscher Mark lagen um mehr als 90 Prozent unter den letzten Reichsmark-Kursen. Siemens-Aktien etwa wurden kurz vor der Währungsreform auf dem Schwarzmarkt zu Kursen bis zu 137 Reichsmark gehandelt, der erste D-Mark-Kurs lag bei 12,75. Thyssen gingen von 225 Reichsmark auf 21 D-Mark zurück.

Mit der Währungsreform wurde keine formale Umstellung der Aktienkurse festgelegt. Die Kursbildung am 21. Juni übernahm der Markt. Der Verlust war für die Zeitgenossen real, weil gleichzeitig die Preise für Waren, Mieten, Löhne, Gehälter und Zahlungsströme in den Unternehmen nicht umgestellt wurden, also im Wesentlichen in Reichsmark und D-Mark gleich blieben.

Noch länger mussten Anleger auf Ausgleich warten, die vor dem Ersten Weltkrieg Aktien besaßen. Auch wenn mit den ersten Schüssen Anfang August 1914 Anteile von kriegswichtigen Industrien (Kohle, Stahl, Kali) zunächst stiegen, gaben die Kurse im Durchschnitt während des Krieges immer weiter nach. Und das war nur der Vorgeschmack auf wesentlich heftigere Turbulenzen, die 1920 einsetzten und 1923 ihren Höhepunkt erreichten, als ein US-Dollar 4,2 Billionen Reichsmark wert war. Mehrmals in dieser Inflationsphase vervielfachten Aktien binnen weniger Monate ihren Wert – nur um die Gewinne danach genauso schnell wieder abzugeben. Wer diese Ausschläge durchhielt, konnte in der Hyperinflation mit Aktien sein Vermögen zumindest zum Teil erhalten. Vergleichsweise glimpflich kamen deutsche Aktionäre in der Weltwirtschaftskrise davon. Nach dem Crash an der Börse in New York im Oktober 1929 fiel der Dow Jones zwar um mehr als 90 Prozent. In Deutschland aber war nach drei Jahren und 40 Prozent Minus die Baisse vorbei.

Krisen-Fazit für Aktien: Wer während einer extremen Krise Aktien hat, dem drohen Kursrückgänge bis zum Totalverlust. Unter Extremkrise sind komplette Zusammenbrüche des Finanzsystems oder Kriege gemeint. Nach einem normalen Crash ohne solche Extreme erholen sich Aktien von Unternehmen mit einem generell tragfähigen Geschäftsmodell wieder, nicht zurückgezahlte Schulden sind für immer futsch. So sollten selbst Vorsichtige nicht ganz auf Aktien verzichten.

Immobilien: Ein Dach über dem Kopf brachte zwar wenig Rendite, blieb aber auch das 20. Jahrhundert über unberührt von Inflation und Währungsreform – zumindest für alle, die nicht vertrieben oder enteignet wurden. Die Hyperinflation vor knapp 100 Jahren machte Immobilienkäufer gar zum großen Gewinner: Die Kredite tilgten sich über den Geldverfall quasi wie von selbst. Doch dem mochte die Regierung schon 1923 nicht tatenlos zusehen und erhob die Hauszinssteuer. Doch insgesamt hatte das Betongold Bestand.

Krisen-Fazit Immobilien: Sie sind eine der nützlichsten Anlagen, wenn die Finanzmärkte kollabieren. Zwangsabgaben für Immobilienbesitzer sind aber auch bei politisch stabilen Verhältnissen nicht für alle Zukunft ausgeschlossen.

Gold: Zeitweise wurde es konfisziert und sein Besitz verboten. Wer sich derartiger staatlicher Einflussnahme widersetzen konnte, fuhr mit Gold weitaus am besten. So unterschieden sich die Lebensmittelmengen, die man für ein Gramm Feingold in Deutschland kaufen konnte, über alle Dekaden des 20. Jahrhunderts nur unwesentlich.

Krisen-Fazit Gold: Regierungen können Gold weder herstellen und durch inflationären Gebrauch entwerten, auch droht dem Besitzer physischen Goldes keine Enteignung durch Konkurserklärung eines Schuldners. Barren und Münzen sind, anders als Anleihen, an kein Zahlungsversprechen einer Regierung oder eines Unternehmens gebunden. Gold sollte sich weiter als sicherer Hafen erweisen.

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