Derivatemarkt Niedrigzinsen belasten die Zertifikatebranche

Anleger in Deutschland stecken immer weniger Zertifikate in ihre Wertpapierdepots. Ein maßgeblicher Grund ist die anhaltend expansive Geldpolitik. Sie verhindert gerade bei defensiven Papieren eine attraktive Rendite.

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Das niedrige Zinsniveau erschwert den Emittenten die Konstruktion attraktiver Anlagezertifikate. Quelle: dpa

Der Zinsschwund an den Finanzmärkten hinterlässt immer deutlichere Spuren in der Zertifikatebranche: Das am hiesigen Derivatemarkt investierte Kapitalvolumen ist bis Ende 2016 innerhalb eines Jahres um knapp zwei Milliarden Euro geschrumpft – auf nur noch 67 Milliarden Euro.

Das geht aus aktuellen Zahlen der Deutschen Derivateverbandes (DDV) hervor und ist sowenig wie zuletzt im Jahr 2005. Allein im Vergleich zum Vormonat November ist das Gesamtvolumen um 1,4 Milliarden Euro zurückgegangen. Fast alle Produktkategorien waren von diesem Rückgang betroffen.

Maßgeblicher Grund: Die anhaltend expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank erschwert es den Emittenten, neue Anlagezertifikate mit attraktiven Renditeaussichten zu konstruieren. Geld aus vielen fällig werdenden älteren Produkten wird daher nicht mehr reinvestiert, konstatieren Brancheninsider.

Dieser Effekt betrifft vor allem die defensivsten Produktkategorien - sogenannte Anlagezertifikate mit vollständigem Kapitalschutz. Wer solche Wertpapiere zeichnet, erhält zum Laufzeitende in der Regel in jedem Fall sein eingesetztes Kapital zurück. Zudem hat er die Chance auf eine verhältnismäßig geringe zusätzliche Rendite. Und vereinfacht ausgedrückt, sinkt im Niedrigzinsumfeld diese mögliche Zusatzrendite, um den Kapitalschutz zu finanzieren.

Neu emittierte sogenannte „Strukturierte Anleihen“, die zu den Anlagezertifikaten mit vollständigem Kapitalschutz gehören, bieten mittlerweile oft nur noch Renditen von knapp einem Prozent. Ein Bruchteil der drei bis vier Prozent, die beispielsweise vor fünf Jahren üblich waren.

Das Marktvolumen von Strukturierten Anleihen ging im Dezember verglichen mit dem Vormonat um 1,8 Prozent zurück auf nur noch 15,7 Milliarden Euro. Dies entsprach einem Anteil von rund einem Viertel innerhalb der Anlagezertifikate, die 97,2 Prozent des gesamten Derivatevolumens auf sich vereinen. Der Rest in Höhe von 2,8 Prozent verteilt sich auf Hebelprodukte wie etwa Optionsscheine oder andere spekulative Varianten.

Kapitalschutz-Zertifikate, die neben den Strukturierten Anleihen ebenfalls zu den Anlagezertifikaten mit vollständigem Kapitalschutz gehören verbuchten Abschläge in Höhe von 0,8 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro. Ihr Anteil bei den Anlageprodukten betrug 12,0 Prozent.


Anhaltender Abwärtstrend

Die einzige Anlagekategorie, die im Dezember auf steigende Nachfrage bei Anlegern stieß waren Express-Zertifikate. Diese Papiere legten entgegen dem allgemeinen Trend deutlich zu - um 4,9 Prozent auf 10,2 Milliarden Euro. Ihr Anteil an den Anlagezertifikaten belief sich damit Ende 2016 auf 17 Prozent.

Anlagezertifikate sind spezielle Schuldverschreibungen von Banken. Anders als bei herkömmlichen Bankanleihen erhält der Investor hier meist keine Zinskupons für sein Engagement. Dafür aber die Chance auf eine Rückzahlung, die höher ausfällt als der Nennwert. Wie die Entwicklung des sogenannten "Basiswerts" eines Zertifikats - zum Beispiel des Dax oder eine bestimmte Einzelaktie - den Rückzahlungsbetrag während der Laufzeit beeinflusst, bestimmen für jede Zertifikateart vorab genau definierte Regeln.

Und anders als etwa bei den meisten Fonds können Investoren mit Zertifikaten auch auf fallende oder seitwärts laufende Basiswerte wetten - das sind Anlagemöglichkeiten, die sonst vor allem Profis an den Terminmärkten vorbehalten waren.

Doch trotz dieser Vorteile gegenüber anderen Anlageklassen stecken Investoren hierzulande bereits seit Jahren immer weniger Geld in Zertifikate. Das ausstehende Volumen am deutschen Derivatemarkt hat sich seit seinem Rekordwert von 140 Milliarden Euro während der Boomphase vor rund zehn Jahren inzwischen mehr als halbiert.

Gesunken ist der Betrag damit sogar unter das Niveau nach der Pleite des US-Emittenten Lehman Brothers, die damals viele Zertifikateanleger auf dem falschen Fuß erwischte und zeitweise die gesamte Branche in Verruf brachte.

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