Deutsche Börse Dax 40: Porsche kommt rein – aber die Zukunft bleibt draußen

In zehn Monaten werden 40 statt nur 30 Mitglieder den Dax bewegen. Aber wer das sein wird, hängt davon ab, ob Bullen oder Bären bis dahin an der Börse den Ton angeben. Quelle: imago images

Der Dax wird größer, aber ob er besser wird? Neue Geschäftsmodelle würden unfair behandelt, kritisiert ein prominenter Investor. Die Erweiterung beseitigt nicht die Schwächen des Börsenbarometers.

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„Die Dax-Änderungen sind nicht zu unterschätzen“, sagt Henning Gebhardt, früherer Star-Fondsmanager bei der DWS und bei Berenberg. Gebhardt war einer der ersten, die sich  für verantwortungsvolle Unternehmensführung eingesetzt haben, inzwischen berät er mit seinem Unternehmen GAPS Großanleger zu Kapitalmarktthemen. Die Deutsche Börse habe mit der Aufnahme von 40 Unternehmen ein paar Themen abgeräumt, die zu Diskussionen geführt hätten, aber es blieben viele Fragen offen, meint Gebhardt. Wenn der  deutsche Leitindex DAX ab September 2021 nicht mehr nur 30 Aktien enthalten wird, sondern 40 , verteilt das Milliarden um, die weltweit aus Fonds, ETF und allen anderen Aktionären in diesen Index und die Aktien fließen. Die Unternehmen des Dax werden mehr beachtet und international präsenter sein, als es in den anderen Indizes der Dax-Familie wie MDax, SDax und TecDax der Fall sein wird. 

Allerdings lässt die Deutsche Börse viele Punkte noch offen, etwa wie sie künftig die neue Mindestliquidität definieren will, die eine Voraussetzung für den Aufstieg in den Dax sein soll. Künftig können auch Aktien in den Dax aufsteigen, die wie Airbus zwar an der Deutschen Börse gelistet sind, hauptsächlich aber an anderen Börsen gehandelt werden und dort besonders eifrig. TUI etwa war aus dem Dax geflogen, weil die Aktie vor allem in London gehandelt wurde. Die deutschen Impfstoffhoffnungen Biontech und Curevac allerdings, die bislang nur in den USA gelistet sind und gehandelt werden, wären nicht für die Aufnahme in den Index qualifiziert. Die Transparenz durch Quartalsberichte müssen die Unternehmen bieten, was Gebhardt begrüßt. Dass aber das Kriterium der Mitgliedschaft im Prime Standard aufgegeben wird und auch Unternehmen aus dem Regulierten Markt aufgenommen werden könnten, erschließe sich nicht. 

Die Zukunft neuer Geschäftsmodelle zieht mit der Reform nicht in den Dax ein. Der Essenslieferdient Delivery Hero wurde aufgenommen, obwohl er nur Verlust macht. Die neuen Kriterien sehen vor, dass ein Unternehmen zwei Finanzberichte mit einem positiven Gewinn vor Steuern und Abschreibungen (EBITDA) vorweisen muss. „Neue Geschäftsmodelle werden unfair behandelt“, sagt Gebhardt. Delivery Hero investiert sehr viel Geld ins Marketing, diese Kosten belasten den Gewinn unmittelbar, während andere Branchen wie Auto- und Maschinenbauer ihre Investitionen aktivieren und langsam abschreiben könnten. Dadurch sieht ihr Gewinn besser aus. Unternehmen mit Onlinegeschäft, die ins Wachstum und ihre Marke investieren, haben in der Dax-Welt Probleme.

Zwar schauen Fondsmanager auch auf die Aktien der restlichen Dax-Familie (MDax, SDax, TecDax), aber es gibt den als Absicherungsinstrument vielbeachteten Dax-Future nur für den Dax 30. Der Dax-Future ist ein Instrument, das viel Liquidität in die Aktien bringt. „Er macht den großen Unterschied bei der Liquidität zwischen Dax und MDax aus“, sagt Gebhardt. Dass die ganze Familie etwas kurios zusammengesetzt ist, werde auch am Beispiel des TecDax deutlich. Medizintechnik habe man früher ausgeschlossen, auch Delivery Hero war als Handelsunternehmen nicht drin, obwohl viel Technik hinter dem Geschäftsmodell steckt. „Eigentlich könnte man auf den TecDax verzichten“, meint Gebhardt.

Mit 40 Aktien soll der Dax künftig die deutsche Wirtschaft besser repräsentieren. Doch das sehen Experten kritisch. Die deutsche Wirtschaft bestehe aus so vielen mittelständischen großen Unternehmen, die gar nicht börsennotiert sind, da könne der Index nur ein schwaches Abbild sein, meinen Kritiker der Indexreform. Und da der auch mal als „Mittelstandsindex“ titulierte MDax  ab September 2021 von 60 auf 50 Aktien verkleinert wird, nehme seine Bedeutung ab.

Silke Schlünsen, Head of Corporate Broking bei der US-Investmentbank Stifel, hatte sich einen größeren Wurf der Deutschen Börse gewünscht. Das Team bei Stifel hat berechnet, dass Airbus, Zalando, Symrise, Sartorius, Siemens Energy, Qiagen, Brenntag, Siemens Healthineers, LEG, Hannover Rueck nach derzeitigem Stand in den neuen Dax einziehen werden. Aber die Überraschung ist, dass mit Porsche auch ein weiterer Autobauer aufgenommen werden könnte. Porsche war 2001 aus dem MDax geflogen, weil das Unternehmen keine Quartalsberichte vorlegen wollte. Die gibt es aber inzwischen wieder. Und da Covestro nach derzeitigem Stand den Dax verlassen müsste, wäre ein Platz für ein elftes Unternehmen frei und das könnte Porsche sein. Nach den neuen Regeln muss ein Unternehmen auch nicht im Prime Standard der Börse gelistet sein, es reicht der Geregelte Markt. 

„Die Börse geht mit den angestrebten Änderungen einen Schritt in die richtige Richtung. Ein größerer Schritt wäre dennoch wünschenswert gewesen, um mehr Kontinuität in der Zusammensetzung des Index zu bekommen. Mit nur 40 Aktien im Dax seien häufige Wechsel zwischen den Indizes weiterhin üblich und machten den Dax für internationale Investoren kaum attraktiver. 

US-Dimensionen werden nicht erreicht

Schlünsen schwebte eher ein Leitindex nach dem Vorbild des S&P 500 vor. Vor allem viele globale Investoren wollten keinen reinen Blue Chip-Index, sondern einen diversifizierten Index, der auch die kleinen und mittelgroßen börsennotierten Champions umfasst. Für die kleineren Firmen wäre ein neu konzipierter Index zudem eine gute Möglichkeit, besseren Zugang zu Kapital zu erhalten, meint Schlünsen. 

Das größte Handicap seien aber nicht die Indexregeln in Deutschland, sondern die unterentwickelte Aktienkultur und zum anderen die relativ geringe Marktkapitalisierung deutscher Konzerne, sagt Marc Decker, Head of Asset Management bei der Privatbank Merck Finck. Der überschaubare Börsenwert der Dax-Konzerne mache den Index im internationalen Vergleich zu einem Leichtgewicht. Und daran werden auch die zehn zusätzlichen Unternehmen wenig ändern.

Etwas mehr Nachhaltigkeit, aber Rüstung bleibt

Decker hält es aber für ein wichtiges Signal, dass mehr Wert auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung gelegt werde. Dass die Aufsichtsräte der Unternehmen einen Prüfungsausschuss vorweisen müssen, könne die Qualität im Dax stärken. Doch auch Deckert mahnt dazu, dass Investoren sich stärker um diese Themen bemühen müssten. Alle Dax-Unternehmen müssen Quartalsberichte abliefern. Sie müssen aber üblicherweise auch keine besonders umfangreiches Werk sein. Wer Quartals- und testierten Jahresabschlüsse nicht vorlegt, kann mit sofortiger Wirkung aus den Indizes ausgeschlossen werden. Damit wäre Wirecard zumindest schneller aus den Indizes verbannt worden.

Was eine Indexreform nicht ersetzt: Die Kontrolle von Investoren. Sie hätten bei Wirecard viel früher Governance-Versagen bei dem Konzern anprangern können.

Liquidität: Rücksicht auf Großanleger

Das Dax-Aufnahmekriterium Börsenumsatz einer Aktie in Deutschland wird durch die Mindestliquidität ersetzt. Das bedeutet, dass die Unternehmen künftig häufig und mit höheren Summen gehandelt werden müssen - egal wo. Damit kommt man Fondsmanagern entgegen, die auf stets ausreichendes Angebot und Nachfrage an Aktien angewiesen sind. 

Aktive Fondsmanager haben SAP Probleme

Fondsmanager, die sich aktiv um die Auswahl von vielversprechenden Aktien bemühen und dafür viel Geld verlangen, haben kein Interesse daran, in das Regelwerk zu viele fundamentale Unternehmensdaten und Nachhaltigkeit einzubauen: Sie verkaufen ihren Kunden die Dienstleistung, die besten Unternehmen auszuwählen, unabhängig von der Zugehörigkeit in einem Index. Statt in den Dax investieren die Manager lieber größere Anteile in MDax-Unternehmen. Begeistert sind diese Fondsmanager nicht, wenn ihnen im MDax jetzt gute Unternehmen aussortiert werden. Eines der größten Probleme im Dax ist die starke Stellung von SAP. Der Softwarekonzern dominiert den Dax mit zeitweise weit über zehn Prozent Anteil. Fondsmanager dürfen nicht mehr als zehn Prozent in ein Unternehmen investieren. Steigt der SAP Kurs, kommen sie nicht hinterher mit ihren geringeren Anteile. In einem Dax-40 könnte SAP etwas zurechtgestutzt werden.


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Das Research-Institut des Vermögensverwalters Flossbach von Storch hat in einer Studie herausgefunden, dass der alte Dax sowohl bei der Kursentwicklung wie auch bei den Kursschwankungen gar nicht so schlecht war wie sein Ruf. Die Kölner hatten dazu den deutschen Aktienindex mit verschiedenen europäischen Aktienindizes verglichen. Um aufzuzeigen, dass noch Luft nach oben ist, muss man den Blick nicht zwingend auf US-amerikanische Technologieunternehmen werfen, meinen die Kölner. Auch deutsche Nebenwerte wussten in den letzten Jahren zu überzeugen. Diesen mangelt es jedoch schlicht an Größe. So entspricht die Marktkapitalisierung des gesamten TecDAX inklusive der Schwergewichte SAP und Deutsche Telekom nicht einmal einem Drittel von der des US-Softwaregiganten Microsoft

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