Deutsche-Börse-Fusion mit London Betriebsrat fordert Sitz in Frankfurt

Der Betriebsrat der Börse schießt gegen die Fusionspläne von Börsenchef Carsten Kengeter und stellt harte Forderungen. Der Finanzplatz Frankfurt könne ansonsten „in seiner Fortentwicklung erheblich beschädigt werden“.

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Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt Quelle: dpa

Der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, treibt eine Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) voran. Doch nun schießt die Belegschaft gegen seine Pläne: So hat der Betriebsrat der Deutschen Börse in einem heute versandten Schreiben an die Aktionäre und Mitarbeiter gefordert, dass der neue Holdingsitz des fusionierten Unternehmens nicht wie bislang geplant in London, sondern in Frankfurt begründet werden müsse. Andernfalls drohe dem Finanzplatz Frankfurt der „Bedeutungsverlust“, so der Betriebsrat.

Die Frage nach dem Sitz sei „eine sehr wichtige, wenn nicht gar die wichtigste politische, unternehmerische und wirtschaftliche Entscheidung für einen Finanzplatz“, heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Der Finanzplatz Frankfurt könne durch den geplanten Rechtssitz in London „in seiner Fortentwicklung erheblich beschädigt werden, mit negativen Folgen für die Volkswirtschaft unseres Landes“. Es wäre „fahrlässig“, wenn ein Einfluss,- Bedeutungs- und Wertverlust für den Finanzplatz Frankfurt eintreten würde, warnt der Betriebsrat.

Deutsche Börse künftig ein von der Holding „beherrschtes Unternehmen“

Kengeter hat bislang immer beteuert, dass beide Börsen – LSE und Deutsche Börse – in ihrer heutigen Form bestehen bleiben sollen. Nach den bisherigen Plänen sollen sie als Töchter der Holding ihre jeweiligen Sitze in Frankfurt und London behalten. Die beiden Unternehmen sollen über diese ihnen übergeordnete neue Holding mit Sitz in London verbunden werden. Chef dieser neuen Holding wäre in den ersten Jahren Kengeter. Durch den Sitz der Holding in London würde aber eben doch ein regionaler Schwerpunkt in London entstehen.



Doch: Die Standortgarantien, so der Betriebsrat, seien „rechtlich nicht verbindlich oder schwer durchsetzbar“. Der Betriebsrat sieht die Holding daher kritisch: Die Deutsche Börse sei künftig ein von der Holding „beherrschtes Unternehmen“, welches die „richtungsweisenden Entscheidungen treffen“ werde. „Unternehmensentscheidungen werden künftig allein von London aus getroffen, der Bedeutungsverlust für Frankfurt ist vorprogrammiert.“

Die neue Holding hätte keinen Aufsichtsrat wie nach deutschem Recht, sondern ein Board nach britischem Recht. Investitionen in den Finanzplatz Frankfurt würden künftig von diesem Board der Holding getroffen. „Die Fortentwicklung des hiesigen Finanzplatzes wäre damit infrage gestellt“, schreibt der Betriebsrat.

Doch nicht nur das: Die Holding könne „den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages verlangen“, folglich verlöre die Deutsche Börse das Recht, „über ihren in Deutschland erwirtschafteten Gewinn zu verfügen“. Der Betriebsrat rät den Aktionären daher, das nun veröffentlichte Angebot zum Tausch der Deutsche-Börse-Aktien in solche der Holding nur dann anzunehmen, wenn insbesondere der Rechtssitz der Holding in Frankfurt angesiedelt werde.

"Damit würden 425 Jahre Börsengeschichte enden"

Besonders besorgt ist der Betriebsrat darüber, dass die für den Zusammenschluss aktuell noch erforderlichen Genehmigungen der Aufsichtsbehörden nach dem erfolgreichen Zusammenschluss „erteilt sind und nicht mehr widerrufen werden (können)“. Eine spätere Verlegung des Sitzes der Deutschen Börse sei dann ohne rechtliche Absicherung möglich. „Damit würden 425 Jahre Frankfurter Börsengeschichte enden“, so der Betriebsrat.

Er stellt daher einen harten Katalog aus Forderungen auf: Der Rechtssitz der Holding soll in Frankfurt sein und der Sitz in der Unternehmenssatzung verankert werden. Jede künftige Verlegung dieses Sitzes soll der vorherigen Zustimmung der Hessischen Börsenaufsicht bedürfen. Der Aufsicht soll auch ein Vetorecht hinsichtlich Investitionsentscheidungen eingeräumt werden. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge soll ausgeschlossen werden. Die beiden Börsen sollen rechtlich verbindliche Personal- und Standortgarantien der Holding für mindestens 20 Jahre abgeben.

Die Deutsche Börse soll in Frankfurt/Eschborn bleiben und dort als Holding für alle Gruppengesellschaften bestehen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen ausgeschlossen werden. Ein möglicher Personalabbau soll sozialverträglich gestaltet werden – und vorher Sachkosten in signifikantem Umfang verringert werden.

„Deutschland, als größte Volkswirtschaft in Europa, verliert an Gewicht“

Den von Kengeter stets propagierten „Zusammenschluss unter Gleichen“ stellt der Betriebsrat infrage: Das Gremium hat errechnet, dass die Deutsche Börse „einen rund 23 Prozent höheren Gesamtumsatz erzielt als die LSE“. Fazit des Betriebsrates: Die beabsichtigte Fusion sei in der geplanten Konstellation kein Zusammenschluss unter Gleichen. Darauf deute auch die geplante Struktur des britischen Boards hin: So sollen wichtige Positionen im Board von Briten besetzt werden. Der Vorsitzende (Chairman) des Boards oder der Finanzvorstand werden von der britischen Seite gestellt. Der Chairman hat nach britischem Recht eine größere Weisungsbefugnis als der Vorsitzende des Aufsichtsrats deutscher Prägung. Die geplante Board-Struktur der Holding habe damit „eine Unwucht“, so der Betriebsrat. Der Chairman, der Finanzvorstand, die Investoren -, alle seien Briten und sollten in London sitzen. „Deutschland, als größte Volkswirtschaft in Europa, verliert damit an Gewicht“, heißt es in dem Schreiben.

Der Betriebsrat hofft nun auf die Bundesregierung, die sich angesichts der geplanten Fusion bislang zurückgehalten hat: „Das Verständnis für die Wichtigkeit der Sitzfrage und damit den immensen volkswirtschaftlichen Nutzen der Deutschen Börse AG in Deutschland ist auch Berlin zu wünschen“, heißt es in dem Schreiben.

 

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