Deutsche Börse LSE-Aktionäre stimmen mit deutlicher Mehrheit für Fusion

Wie erwartet haben die Aktionäre der Londoner Börse bei ihrer außerordentlichen Hauptversammlung mit großer Mehrheit für die Fusion mit der Deutschen Börse gestimmt. Doch das Standortproblem bleibt ungelöst.

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Die Anteilseigner der LSE stimmen für die Fusion mit der Deutschen Börse. Quelle: dpa

Der geplante Zusammenschluss der Börsen von Frankfurt und London hat eine erste Hürde genommen. Die Aktionäre der London Stock Exchange (LSE) votierten am Montag bei einer außerordentlichen Hauptversammlung in der britischen Hauptstadt mit 99,92 Prozent für die Fusion. Erforderlich waren 75 Prozent Zustimmung.

Auf dem Weg zur geplanten europäischen Superbörse galt das Votum der LSE-Anteilseigner als eines der kleinsten Hindernisse. Nach dem Nein der Briten zur Europäischen Union steht der gesamte Deal auf der Kippe. Vor allem die Vereinbarung, den rechtlichen Sitz der Dachgesellschaft in London anzusiedeln, stößt nach dem Brexit-Votum in Deutschland zunehmend auf Widerstand.

Die Spitzen von Deutscher Börse und LSE hatten sich im März auf den milliardenschweren Zusammenschluss geeinigt. Die Deutsche Börse soll mit gut 54 Prozent die Mehrheit halten. Das Tagesgeschäft sollen wie bisher die Zentralen in Eschborn bei Frankfurt sowie London steuern. Etliche Aufsichtsbehörden müssen noch ihr Einverständnis geben, auch die Zustimmung der Deutsche-Börse-Aktionäre steht noch aus. Sie haben bis einschließlich 12. Juli Zeit, ihre Aktien umzutauschen. Damit die Fusion im dritten Anlauf glückt, müssen mindestens drei Viertel der Eigentümer die Offerte annehmen.

Diese Städte wollen das nächste London sein
Die irische Hauptstadt lockt vor allem mit niedrigen Steuersätzen für Unternehmen. Damit hat Irland bereits große US-Konzerne überzeugt – und zugleich Kritik auf sich gezogen. Der IT-Riese Google zum Beispiel muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er deutschen Fiskus austrickst. Quelle: imago images
Um sich dem Zugriff des Staates zu entziehen, verschieben einige Unternehmen über ihre Niederlassungen in Irland Gewinne in andere Steueroasen. Punkten kann Dublin natürlich auch damit, dass Englisch gesprochen wird. Gegen den Standort spricht aber, dass er nicht gerade zentral in der EU liegt und auch nicht gerade viele Banker unbedingt dort hinziehen werden. Quelle: imago images
Der französische Staatschef François Hollande hat gleich Paris als Alternative zu London ins Spiel gebracht – und Banken Hoffnungen auf Steuererleichterungen gemacht. Die Regierung müsse daher „unsere Regeln, darunter die fiskalischen, anpassen, um den Finanzplatz Paris attraktiver zu machen“, sagte Holland. Paris hat als Bankenstadt bereits eine Bedeutung – allein schon, weil die großen französischen Banken dort ihren Hauptsitz haben. Quelle: REUTERS
Und wenn es um Kultur, Lifestyle und Nachtleben geht, hängt Paris sowieso alle anderen Städte ab. Die Attraktivität Paris‘ ist zugleich ein Manko. Die Stadt ist extrem teuer, die Wege sind weit.   Quelle: imago images
Dass Luxemburg ein wichtiger Finanzplatz in der EU ist, ist unbestritten. Viele Banken, Fondsgesellschaften und Dienstleister haben dort große Büros. Der Großteil der Fonds, die in Deutschland verkauft werden, wurde nach den Luxemburger Regeln gestartet. Quelle: dpa
Und ähnlich wie Dublin hat auch das Großherzogtum Unternehmen mit geringen Steuersätzen angelockt. Diese Praxis ist aber mehr denn je hochumstritten. Zudem ist die Stadt mit rund 110.000 Einwohnern alles andere als groß. Fraglich wäre, ob dort einfach tausende weiterer Banker hinziehen könnten. Quelle: imago images
New York ist das globale Finanzzentrum. Entsprechen viele Banken aus aller Welt haben ohnehin einen großen Standort dort. Deshalb dürfte in einigen Fällen – wenn es nicht um Europageschäft geht – naheliegend sein, Jobs von London nach New York zu verlagern. In einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group nannten Topbanker von sich aus New York  als beste Alternative zu London. Quelle: AP

Doch auf Frankfurter Seite ist der Widerstand groß. „Es ist schwer vorstellbar, dass der wichtigste Börsenplatz im Euroraum von einem Standort außerhalb der EU gesteuert wird“, sagte der Präsident der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld. „Da wird man sicher nachjustieren müssen.“ Hufelds Wort hat Gewicht, auch wenn die Bafin in dem Fall formal kein Vetorecht hat. „Ein Hauptsitz außerhalb der Eurozone war schon bisher schwer zu begründen, außerhalb der EU halte ich eine gemeinsame europäische Börse für nicht vermittelbar“, sagt Sparkassen-Verbandschef Georg Fahrenschon und spricht vielen am Finanzplatz Frankfurt aus dem Herzen.

Der Betriebsrat der Deutschen Börse opponiert ebenfalls. „Der Hauptsitz muss nach Frankfurt“, fordert die Vorsitzende des Gremiums, Jutta Stuhlfauth. Angesichts des wohl bevorstehenden EU-Austritts Großbritanniens wäre es aus Sicht der Arbeitnehmervertreter „widersinnig, wenn der Hauptsitz nach London verlegt würde“.

Hessens Politiker skeptisch

Skeptisch zeigt sich auch die hessische Börsenaufsicht, die letztlich das Zünglein an der Waage spielen könnte. Denn sie muss über den ordnungsgemäßen Betrieb der Frankfurter Wertpapierbörse wachen.

Schon früh nach dem Bekanntwerden der Fusionspläne hatte sich Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) skeptisch geäußert: Es müsse geklärt werden, „ob das Land seinen Aufsichtspflichten entsprechen kann, wenn der Sitz der Holding in Großbritannien sein soll. Dies wirft Fragen auf.“ Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) erklärte vielsagend, das Brexit-Votum werde bei den Prüfungen seines Ministeriums eine Rolle spielen - „und natürlich werden wir auch abwarten, ob die Pläne in dieser Form bestehen bleiben“.

Offiziell rütteln die Konzerne bisher nicht an ihren Vereinbarungen. Doch auch bei der Deutschen Börse wächst die Einsicht, dass es im Falle eines EU-Austritts Großbritanniens politisch kaum durchsetzbar sein dürfte, London zum Kern der europäischen Superbörse zu machen.

Die britische Metropole sei als rechtlicher Hauptsitz des fusionierten Konzerns nicht mehr vorstellbar, sagen Insider. Jetzt müsse sich die Politik in London bewegen und ihre Forderung zum Hauptsitz aufgeben. Andernfalls sei der Deal tot.

Frankfurt nicht automatisch der Brexit-Gewinner

Es sei „nun wichtiger als zuvor, die finanzwirtschaftliche Verbindung zum Vereinigten Königreich stabil zu halten“, ließ Deutsche-Börse-Aufsichtsratschef Joachim Faber nach dem Brexit-Votum erklären. „Der Finanzplatz Frankfurt sollte dabei eine Führungsrolle einnehmen und die Verbindung zwischen Europas größter Volkswirtschaft mit London als dem größten Finanzplatz der Welt sicherstellen.“

Bereits Anfang Mai hatte Faber in einem Interview gesagt, es sei zwischen den Partnern „fest verabredet“, dass im Brexit-Fall noch einmal alles überdacht werde - „inklusive der Frage, wo die Gesellschaft am besten angesiedelt wird“. London als Sitz der Holding sei eine „klare politische Vorgabe der Regierung Cameron“ gewesen. „Andernfalls hätten die Briten sich darauf gar nicht eingelassen.“

Premier David Cameron hat nach der Niederlage bei der Abstimmung seinen Rücktritt für Oktober angekündigt. Die politische Zukunft der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas ist derzeit völlig offen.

Eine Abkehr von den bisherigen Plänen muss allerdings nicht unbedingt bedeuten, dass Frankfurt automatisch das Rennen macht. Vorstellbar sei auch ein Sitz in einer anderen europäischen Stadt, heißt es in Börsenkreisen. Als Kompromiss könnte etwa Amsterdam ins Spiel kommen.

Kengeter und seinem LSE-Pendant Xavier Rolet läuft die Zeit davon. Den komplexen Fusionsprozess neu aufzusetzen, wäre ein Kraftakt - und was wird dann aus der laufenden Abstimmung der Aktionäre? Die Eigner der Deutschen Börse sind aufgerufen, bis einschließlich zum 12. Juli ihre Aktien in Papiere des neuen Unternehmens zu tauschen.

„Die Führung der Deutschen Börse sollte ihre bisherigen Fusionspläne nochmals kritisch hinterfragen und massiv anpassen oder ganz begraben“, forderte der Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Klaus Nieding.

Nach dem Absturz des britischen Pfunds und dem Rückgang des Aktienkurses infolge der Brexit-Entscheidung hat die LSE deutlich an Wert verloren. Deshalb geht unter Aktionären der Deutschen Börse die Angst um, den Konkurrenten zu teuer zu übernehmen. Auch hier gibt es bei den Managern schon Überlegungen, diese Sorgen zu zerstreuen: Sie könnten den Deutsche-Börse-Aktionären eine Sonderdividende anbieten.

Nicht mehr gerüttelt werden kann aus rechtlicher Sicht an der künftigen Machtstruktur des geplanten Konzerns. Die Deutsche Börse soll gut 54 Prozent halten. Den rechtlichen Hauptsitz dagegen könne die geplante Superbörse auch nach Abschluss der Fusion noch verlegen, hieß es in Verhandlungskreisen. Die Behörden könnten die Fusion unter der Bedingung genehmigen, dass der Sitz in der EU sein muss.

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