Deutsche Börse "Vielleicht kaufen wir noch ein paar Fintechs"

Nur zwei Tage, nachdem die Fusionsgespräche zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange durchgesickert sind, hat sich Börsenchef Carsten Kengeter in Frankfurt präsentiert. In bester Laune.

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Börsenchef Carsten Kengeter in bester Laune. Quelle: REUTERS

Kengeter grinst. Der Chef der Deutschen Börse grinst, als er vor der altehrwürdigen Villa Merton des renommierten Frankfurter Union International Club eintrifft. Dort soll er über die „Herausforderungen eines internationales Börsenbetreibers“ sprechen. Als man ihn vor Monaten eingeladen hat, waren seinen Fusionspläne vermutlich noch in den Kinderschuhen, wenn überhaupt.

Es ist Kengeters erster Auftritt in Deutschland, nachdem die Verhandlungen zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) durchgesickert sind. Eigentlich dürfte der Börsenlenker jetzt kein Sterbenswörtchen zur geplanten Fusion sagen. Aus rechtlichen Gründen. Doch die Sonne scheint, Kengeter ist bestens gelaunt. Er lässt sich auch von seinem Aufpasser nicht davon abhalten, mit der Presse zu sprechen. „Achtung, wir kommen jetzt in die Interviewsituation rein“, mahnt sein Begleiter. Doch Kengeter redet. „Wir könnten auch noch ein paar Fintechs kaufen, machen wir vielleicht auch noch“, ruft er den Journalisten zu.

Ob das ein Scherz war? Bei Kengeter weiß man nie. Schließlich hat der sportliche Manager in den vergangenen Monaten schon ein ordentliches Tempo vorgelegt, hat seinen Börsenvorstand schlagkräftiger aufgestellt, sich die restlichen Anteile am Indexanbieter Stoxx gesichert und der Deutschen Börse mit der Übernahme der branchenweit umworbenen Devisenhandelsplattform 360T eine neue Anlageklasse erschlossen. Und das alles seit Mai. Da trat er sein Amt bei „der Firma“ an, wie er den Dax-Konzern später in seiner Rede bezeichnen wird. Seit Mai hat Kengeter schon 1,3 Milliarden Euro für Übernahmen ausgegeben. Jetzt zielt er also auf London, den größten Finanzplatz der Welt, der sogar New York überholt hat.

"Wenn wir nichts tun, werden wir in zwölf Monaten nur noch die Nummer sechs sein"

Kengeter betritt die Frankfurter Villa, schreitet durch den Pulk der illustren Gäste. Die Hochfinanz ist gekommen, um ihm zu lauschen, dazu einige Wirtschafts-Größen. Kengeter nimmt am Tisch von Lutz Raettig Platz, Aufsichtsratschef der Morgan Stanley Bank. Die Kellner schenken Wein ein. Kengeter nimmt ein Glas weißen.

Am Tisch diskutiert man ein wenig über den möglichen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU). Und Kengeter, heißt es, pflichtet bei, als einer am Tisch sagt, dass die mögliche Fusion auch ein Schritt der LSE gegen den Brexit sei.

Die gescheiterten Fusionspläne der Deutsche Börse AG

Dann tritt Kengeter ans Mikrofon. Er entschuldigt sich bei den Gästen, „falls er den Faden verliert“ aber er habe „die letzten zwei Tage und Nächte nicht so viel Zeit gehabt“, seine Rede vorzubereiten. Da steht er nun in seinem hellgrauen Anzug und klammert sich an einen Stapel kleiner, weißer Zettel. Zur Hochform aber läuft er immer dann auf, wenn er die Zettel aus dem Blick verliert.

Die Deutsche Börse, sagt er etwas betrübt, sei mal die Nummer eins in der Welt gewesen. „Die schlechte Nachricht ist: Heute sind wir nur noch die Nummer vier. Und wenn wir nichts tun, werden wir in zwölf Monaten nur noch die Nummer sechs sein. Und da bin ich noch freundlich.“ Also schaue er sich das Umfeld an – und das sei nun mal „recht dynamisch“. Er sieht dort die vielen agilen Fintech-Unternehmen, die mit neuen Ideen glänzen und die Branche revolutionieren.

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