Devisen Der wundersame Höhenflug des Euros

Offene Geldschleusen in Europa, steigende Zinsen in den USA, dazu ein neuer Präsident, der alles daran setzt, Amerikas Wirtschaft wieder groß zu machen: Und dennoch steigt der Euro auf ein Zwei-Jahres-Hoch. Warum?

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Anfang des Jahres gab es für einen Dollar Euro 1,04 Dollar, im Juli schon 12 Cent mehr. Quelle: dpa

Frankfurt/Main Wer hätte mit einer solchen Erstarkung des Euros gerechnet? Vor einigen Monaten noch hatte der neue US-Präsident Trump von einem „viel zu starken Dollar“ geredet. Die Fed war dabei, ihre Zinswende in Fahrt zu bringen, die ersten Leitzinserhöhungen sollten folgen. Und in Europa hatte Mario Draghis EZB-Rat gerade erst das Anleihekaufprogramm verlängert und die Geldschleusen damit weiter geöffnet. Der Euro-Dollar-Wechselkurs tendierte für so manchen gar in Richtung Parität. Doch es sollte anders kommen.

In der Nacht auf Montag ist der Euro weiter geklettert – bis auf 1,1684 Dollar, den höchsten Stand seit August 2015. Seit Jahresbeginn hat die Gemeinschaftswährung mehr als elf Prozent zugelegt. Den Aktienkursen in Frankfurt, aber auch anderswo in Europa, macht das zu schaffen, verteuern sich doch dadurch die Exporte ins Ausland.

Heute ging es für die Währung zumindest leicht nach unten, der Euro verlor am Nachmittag 0,2 Prozent auf 1,1642 Dollar. Der Grund: schwächere Konjunkturdaten. Sowohl der Einkaufsmanager für Deutschland als auch der für die gesamte Euro-Zone gaben etwas stärker nach als erwartet. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1648 US-Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8585 Euro. Der Aufwertungsdruck bleibt bestehen. Allein seit der EZB-Ratssitzung am Donnerstag hat der Euro beinahe zwei ganze Cent zugelegt.

Die Konjunktur im Euro-Raum läuft gut an – und mit ihr mehren sich die Stimmen, die eine Normalisierung der Geldpolitik fordern. Die Zentralbanker aber änderten trotz aller Diskussionen nichts an ihrem Maßnahmenkatalog. Die Zügel bleiben locker. Das war zwar vom Großteil der Börsianer erwartet worden. Doch selbst auf der anschließenden Pressekonferenz am Donnerstag gab Mario Draghi wenig Signale in Richtung Normalisierung der ultralockeren Geldpolitik. Eher wirkten die Aussagen des EZB-Präsidenten wie ein Plädoyer für ein „Weiter so“. Auf dem Parkett hatte man mit deutlicheren Hinweisen gerechnet, wie ein Ausstieg aus der aktuellen Politik gestaltet werden könnte.

Der Euro schoss anschließend dennoch in die Höhe – was erstaunlich ist. Scheinbar rechnen nicht wenige Marktakteure damit, dass der Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik nicht vertagt, sondern bloß auf die nächste Notenbanksitzung im September verschoben ist. Mario Draghi gab an, dass der Rat „ im Herbst“ über die Zukunft des Anleihekaufprogramms diskutieren werde. Erste Anzeichen einer Straffung jedenfalls nahmen Investoren über den Wechselkurs vorweg.

Heimische Konjunktur und Geldpolitik sind aber nur zwei Faktoren, die den Höhenflug des Euros erklären. Der dritte ist die Schwäche des US-Dollars. Der Greenback gerät gleich von zwei Seiten unter Druck. Zum einen ist da Janet Yellen. Die Chefin der US-Notenbank Federal Reserve nahm bei den Zinserhöhungen zuletzt den Fuß vom Gaspedal. Auch die jüngsten Aussagen einzelner Fed-Gouverneure deuten daraufhin, dass der zuständige Offenmarktausschuss der Notenbank die Zinsen am Mittwoch nicht weiter anheben wird. Stattdessen geht es um die Diskussion, wann die Fed anfangen wird, ihre durch das Anleihekaufprogramm aufgebähte Bilanz zu verkleinern. Im Gegensatz zu den Leitzinsen ist das eine Detailfrage, aber es wäre der nächste Schritt hin zu einer strafferen Geldpolitik.


Euro-Stärke oder Dollar-Schwäche?

Yellen galt bisher als Befürworterin eines expansiven Kurses mit tendenziell niedrigen Zinsen. Doch um die Entschlossenheit ihres Hauses zu demonstrieren, schlug sie im Frühsommer schärfere Töne an – in Richtung einer strengeren Geldpolitik mit hohen Zinsen. Dieses Mal misslang ihr die schwierige Gratwanderung zwischen Vorsicht und Handlungswillen: Märkte und Experten reagierten aufgeschreckt.

Nochmal soll ihr das nicht passieren: Entsprechend zurückhaltend gibt sich die Notenbank. Man plane drei Zinserhöhungen im Jahr 2017, heißt es. Nach März und Juni hieße das, es würde nur noch eine weitere Anhebung im Laufe des Jahres geben. Stimmen, die sich für einen vierten Schritt aussprachen, wurden zuletzt leiser. Das sorgt für einen schwachen Greenback.

Donald Trump, dessen Politik ein Grund für den schwachen Dollar – und damit: den starken Euro – ist dürfte das eigentlich freuen. Doch er hat ein Problem: Dass der Dollar abwertet, hat auch mit der bisher schwachen Bilanz seiner Innenpolitik zu tun. Mehrere Vorhaben des US-Präsidenten scheiterten. Abstimmungsniederlagen wie bei der Gesundheitsreform haben Signalwirkung nach innen und außen. Den großen Steuererleichterungen für Unternehmen fehlt die Gegenfinanzierung, sie werden wohl deutlich geringer ausfallen als angekündigt. Kurzum: Die hohen Erwartungen an die Trumponomics bleiben bisher unerfüllt.

„Das Vertrauen der Anleger in den Dollar ist offenbar in der Krise, da sich Trumps Probleme auftürmen und die Zuversicht in baldige Wirtschaftsreformen schwindet“, kommentiert etwa Anlagestratege Michael Hewson von CMC Markets. Zudem steigt der Druck auf Trump in der Causa Russland – Ermittlungen sollen zeigen, inwiefern der Kreml Einfluss auf seine Präsidentschaftswahlkampfkampagne genommen hat.

Geldpolitik, Konjunktur, Innenpolitik – Draghi, Yellen, Trump – Es gibt derzeit viele Faktoren, die den Euro nach oben treiben – oder den Dollar nach unten.

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