Devisen reagieren auf US-Reformstau Trump-Schlappe stärkt den Euro

Erneut ist Trump mit einer vollmundigen Ankündigung gescheitert. Trumpcare kommt nicht – das schickt den US-Dollar auf Talfahrt. Der Euro steigt auf ein 15-Monats-Hoch. Kommt es zu einer Neubewertung deutscher Aktien?

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Der Kurs der europäischen Währung gegenüber dem Dollar ist so hoch wie seit Mai des vergangenen Jahres nicht mehr. Quelle: dpa

Düsseldorf Der Euro ist erstmals seit Mai 2016 über die Marke von 1,15 Dollar geklettert. Die Gemeinschaftswährung verteuerte sich am Dienstag um bis zu 0,5 Prozent auf 1,1537 Dollar. Hintergrund für die Euro-Stärke ist Börsianern zufolge der erneut gescheiterte Versuch der US-Republikaner, ein neues System für die Krankenversicherung einzuführen. Zwei weitere Senatoren kündigten ihren Widerstand gegen den überarbeiteten Entwurf des Mehrheitsführers Mitch McConnell an, der damit endgültig über zu wenig Stimmen für sein Projekt verfügt.

„Offensichtlich haben immer noch einige Marktteilnehmer darauf gehofft, dass die Gesundheitsreform eventuell doch noch vor der Sommerpause durch den Senat geht und damit die große Wende im US-Reformstau einläutet“, sagte Commerzbank-Analystin Esther Maria Reichelt. „Diese Hoffnungen liegen erst einmal auf Eis.“

Der Umbau von Obamacare, der von Ex-US-Präsident Barack Obama eingeführten Gesundheitsreform, gilt an den Finanzmärkten als Test, ob die Regierung Trump ihre mit Spannung erwartete große Steuerreform verwirklichen kann. „Wenn das Projekt scheitert, ist kein Geld da für Steuererleichterungen und Trump wird Probleme haben, seine wirtschaftspolitischen Pläne umzusetzen“, sagte Analyst Bart Wakabayashi vom Vermögensverwalter State Street.

Zumal die von Donald Trump angekündigte Steuerentlastung für amerikanische Firmen wohl geringer ausfallen dürfte als angekündigt. Wie am Montag aus US-Regierungskreisen verlautete, peilen die Verhandlungsführer hinter verschlossenen Türen nicht mehr eine Unternehmenssteuer von 15 Prozent nach derzeit 35 Prozent an. Stattdessen hofften sie auf einen Wert am niedrigen Ende einer Spanne zwischen 20 und 25 Prozent. Grund dafür sei die Einsicht, dass Trumps Republikaner im Kongress keine Reform unterstützen würden, die das Defizit erhöht.

Noch Ende April hatte Finanzminister Steven Mnuchin das Ziel einer Unternehmenssteuer von 15 Prozent bekräftigt. Sie gehört zu einer von Trump im Wahlkampf versprochenen „phänomenalen“ Steuerreform, die an den Finanzmärkten mit großer Spannung erwartet wird.

Doch zunächst stärkt die wachsende Unsicherheit in der US-Politik den Euro. Von einer starken europäischen Gemeinschaftswährung profitieren natürlich Konsumenten. Importe aus anderen Ländern werden billiger. Auch Reisen in andere Länder werden preiswerter, denn für einen einzelnen Euro bekommt man mehr Fremdwährung auf die Hand. Nicht zuletzt dürfte sich auf mittlere Sicht ein starker Euro auch an der Zapfsäule bemerkbar machen – Öl wird auf dem Weltmarkt in Dollar abgerechnet.

Doch ein weiter steigender Euro könnte durchaus zu einer Neubewertung der exportstarken deutschen Unternehmen und ihrer Aktien führen – und möglicherweise zu Turbulenzen auf den Märkten. Denn ein starker Euro lässt die Gewinne exportorientierter Unternehmen schmelzen.

Seit Anfang 2015 bewegt sich Kurs der europäischen Gemeinschaftswährung zum US-Dollar in einer Spanne zwischen 1,04 auf der Unter- und rund 1,15 auf der Oberseite. Mit dieser Wechselkurs-Bandbreite konnten Unternehmen und damit auch Anleger am deutschen Aktienmarkt offenbar gut leben. Doch der starke Euro sorgte auch heute für eine schwache Börseneröffnung, bereits am gestrigen Montag gab die Frankfurter Benchmark 0,4 Prozent ab.

Der neuerliche Rückschlag bei der Gesundheitsreform in den USA lastet auch auf Asiens Börsen. Der Dollar gab nach, der stärkere Yen sorgte in Japan für Zurückhaltung am Aktienmarkt. In Tokio verlor der 225 Werte umfassende Nikkei-Index 0,6 Prozent auf 19.999 Punkte. Vor allem Exporttitel wie die Aktien der Autohersteller gehörten zu den Verlierern.

Der erstarkte Euro dürfte nach Einschätzung der Commerzbank auch Auswirkungen auf die EZB-Sitzung am Donnerstag haben. „Die gegenwärtige Euro-Stärke bedeutet eine zusätzliche Straffung der finanziellen Rahmenbedingungen. Und die könnte die EZB nervös werden lassen“, erklärte Analystin Reichelt. „Auch wenn die EZB zwar auf eine weitere Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe zusteuert, könnte sie sich auf der Sitzung am Donnerstag noch zurückhalten, um den Euro zu entlasten.“

Dementsprechend ist die Commerzbank skeptisch, dass der Euro gegenüber dem Greenback dauerhaft über die 1,15 steigt. Das sieht Alwin Schenk auch so, Portfoliomanager bei Sal. Oppenheim: „Wir rechnen in den nächsten Wochen mit einer Euro-Konsolidierung und der Erholung bei vielen Fremdwährungen“.

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