Devisenspekulationen „Die Leute hingen daran wie an Drogen“

Das Geschäft mit Währungen, sogenannte Carry Trades, galt lange Zeit als äußerst lukrativ für Investoren. Doch die Stimmung hat gedreht, Devisenspekulationen sind aus der Mode. Und dafür gibt es gute Gründe.

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George Washington auf der 1-Dollar-Note. Quelle: AFP

London Der Devisenmarkt, an dem täglich 4 Billionen Dollar den Besitzer wechseln, verliert das Vertrauen in die Fähigkeit der Zentralbanken, eine schwächelnde Weltwirtschaft anzukurbeln. Die Devisen-Spekulationen nehmen ab: Der JPMorgan Chase & Co. G7 Volatility Index ist auf ein Fünf-Jahres-Tief gesunken und der UBS V24 Carry Index der UBS, der die Gewinne aus den so genannten Carry-Trades abbildet, rutschte auf das niedrigste Niveau seit 2001 ab.

“Warten ist derzeit keine schlechte Strategie”, sagt Mauricio Bouabci, Devisenfondsmanager bei Pareto Investment Management Ltd. in London. Nur bei einer höheren Volatilität wäre er versucht, wieder in den Markt zu kommen, fügte er an.

In den USA stehen im kommenden Jahr vorgeschriebene Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen im Volumen von 600 Mrd. Dollar an, falls sich der Kongress nicht noch auf Maßnahmen zum Abbau des Haushaltsdefizits einigen kann. In Bezug auf Europa halten die Sorgen an, dass die Politiker nicht schnell genug handeln, um die Schuldenkrise der Eurozone zu bewältigen.

Zudem belastet nachlassendes Wachstum in Schwellenländern wie China und Brasilien die Stimmung. Nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds wird die Weltwirtschaft dieses Jahr um 3,3 Prozent wachsen - so wenig seit der Rezession von 2009 nicht mehr. Darüber hinaus sieht der IWF nun ein “alarmierend hohes” Risiko eines stärkeren weltweiten Konjunkturabschwungs mit einem möglichen Absinken des Wachstums auf unter zwei Prozent.

“Die niedrige Volatilität ist etwas, womit sich die Marktteilnehmer schon seit einiger Zeit nicht wohlfühlen”, sagte Adrian McGowan, Leiter Devisenhandel, Optionen und Terminkontrakte bei Barclays in London in einem Interview mit Bloomberg News. Die Investoren seien keine “großen” Wetten eingegangen, weil es so viele Unsicherheiten gebe, ergänzte er.

Das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen im Devisenmarkt lag im September um 39 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Das geht aus Daten der Handelsplattform EBS von ICAP hervor. Auch das erschwert es den Managern von Devisenanlagen, die Erträge zu steigern. Die Zentralbanken von Australien bis Schweden, die so lange ihre Volkswirtschaften expandierten und die Zinsen relativ hoch gehalten hatten, sind zu Zinssenkungen übergegangen. Das mindert die Attraktivität für Carry-Trades.


Fantastische Erträge

In einem Carry-Trade Kredite in Dollar aufzunehmen und die Gelder in höher rentierende Währungen zu investieren, verspricht einen leichten Gewinn. Die US-Notenbank hat nämlich erklärt, sie werde ihren Leitzins bis voraussichtlich Mitte 2015 nahe null halten. Zu Verlusten bei einem Carry-Trade kommt es indes, wenn die Finanzierungswährung des Geschäfts zulegt oder die Zielwährung sich abschwächt oder bei Kombinationen aus beidem.

Wer geliehene Dollar für den Kauf von brasilianischen Real einsetzte, hat dieses Jahr rund 3,4 Prozent verloren. In Brasilien liegen die Zinsen zwar bei 7,25 Prozent, doch die Währung verzeichnete Kursverluste, wie Daten von Bloomberg zeigen. Der IWF hatte seine Wachstumsprognose 2012 für Brasilien von 2,5 Prozent im Juli auf 1,5 Prozent zurückgenommen.

Wer Euro lieh und damit Neuseeland-Dollar kaufte, kommt seit dem 6. September auf Verluste von 8,2 Prozent bei neuseeländischen Leitzinsen von 2,50 Prozent. Die Ankündigung der Europäischen Zentralbank, Spanien Hilfe anzubieten, hat zu einem Nachlassen der implizierten Volatilität bei dem Währungspaar geführt.

“Der Carry-Trade brachte so schöne, fantastische Erträge - so verlockend, so attraktiv, dass ich glaube, dass die Leute daran hingen wie an einer Droge”, sagt David Bloom, weltweiter Leiter Währungsstrategie bei HSBC in London, in einem Telefoninterview. “In der heutigen Welt der Null-Zins- Politik, verschärft durch unkonventionelle Geldpolitik, ist es viel schwieriger und verwirrend”, schrieb er in einer Studie vom 12. Oktober.

Hedgefonds, die sich auf Devisenhandel konzentrieren, haben in den vergangenen drei Monaten nach Angaben von HedgeFund.net. 0,6 Prozent verloren. Demgegenüber kommt die Hedgefondsbranche im Durchschnitt auf einen Gewinn von 1,9 Prozent in dem Zeitraum.

“Wir werden wahrscheinlich für längere Zeit in einem Niedrigzinsumfeld bleiben” schrieben die Währungsstrategen von Morgan Stanley um Hans Redeker in London in einer Studie vom 18. Oktober. In einem solchen Umfeld seien die potenziellen Erträge aus Carry-Trades “voraussichtlich begrenzt.”

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