Digitale Geldanlage Per Internet zum Profi-Anleger

Mit wenigen Klicks ein Depot eröffnen, die Strategien erfolgreicher Anleger einfach kopieren oder doch einen Robo-Berater engagieren? Eine Studie zeigt die Geldanlage-Trends – ganz ohne Vorwissen geht es oft aber nicht.

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Der Weg an die Börse soll mit digitalen Angeboten leichter werden. Quelle: dpa

Frankfurt Geldanlegen ist heute ganz einfach – diesen Eindruck gewinnt zumindest, wer im Internet nach Begriffen rund um das Thema Geldanlage sucht: Hier schnell ein Depot eröffnen, da die neuesten Marktanalysen lesen, das Portfolio anderer Anleger kopieren oder gleich alles vom Algorithmus-gesteuerten Robo Advisor verwalten lassen. Wer von Null-Zins-Produkten genug hat und sich in die Welt von Aktien und anderen Wertpapieren wagen möchte, findet online eine Vielzahl von Anbietern, die dabei helfen wollen. Häufig sind das junge Finanztechnologie-Firmen – Fintechs.

„In Deutschland steckt das Digitale Wealth Management noch in den Kinderschuhen“, sagt Stephan Paxmann, Gründer der Frankfurter Unternehmensberatung TME AG. „Es gibt aber viele Geschäftsmodelle, von denen Kunden heute schon profitieren können.“ Welche das sind und wie Banken auf die digitalen Angebote reagieren sollten, hat TME in seiner Studie „Innovative Geschäftsmodelle im Digital Wealth Management“ untersucht, die dem Handelsblatt vorliegt.

Die Autoren der Studie haben im Bereich des Wealth Managements 140 Fintechs aus Deutschland, Großbritannien und den USA analysiert und ordnen diese in fünf Kategorien ein: Research-Tools, Online-Brokerage, Social Community, Robo Advisory und Crowdinvesting. Die 70 besonders relevanten wurden detaillierter betrachtet. Vielen Angeboten attestieren die Studienautoren, dass sie den Kunden bei Anlageentscheidungen unterstützen, indem sie ihn mit Informationen und Analysen versorgen, die noch vor wenigen Jahren nur Profi-Anlegern zugänglich waren. Allerdings: „Bei den meisten Angeboten muss der Nutzer schon eine gewisse Affinität zum Thema Finanzen mitbringen“, sagt TME-Gründungspartner Stefan Roßbach. Ganz ohne Vorwissen geht es häufig also nicht.

Research-Tools

Beispiel Research-Tools: Hier wurden etwa Trendlink, Meetinvest und Stockpulse betrachtet. Trendlink listet aktuelle Anlagetrends auf und zeigt dazugehörige Aktien. Die Schweizer Plattform Meetinvest bietet ein Aktien-Screening, wobei die Auswahlkriterien für die Papiere auf Investmentansätzen von Branchengrößen wie Warren Buffet oder John Templeton basieren. Stockpulse bietet eine Sentimentanalyse, wobei anhand von online verfügbaren Nachrichten, Kommentaren, Tweets und ähnlichem das Stimmungsbild zu Wertpapieren und Devisen ermittelt wird. Vielfach gibt es bei den Research-Tools eine kostenlose Basisversion, für die sich der Nutzer meist mit seiner E-Mail-Adresse anmelden muss. Wer mehr Funktionen nutzen möchte, muss dann teils eine Gebühr zahlen.

Analysen bekommt der Anleger aber nicht nur bei Fintechs, sondern häufig auch schon über das Online-Banking seiner Hausbank. „Das Kalkül dahinter ist relativ einfach: Besser informierte Kunden sind aktiver, gerade auch im Bereich der Vermögensanlage“, sagt Paxmann. Allerdings: Für Kunden, die gerade erst beginnen, sich mit Geldanlage zu beschäftigen, dürften solche Tools häufig zu kompliziert sein. „Zielgruppe sind Kunden, die sich bereits am Kapitalmarkt auskennen und aktives Trading betreiben.“ In Deutschland ist das nur eine Minderheit.


Digitale Investment-Clubs

Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sieht solche Research-Tools grundsätzlich kritisch: „Das Marktgeschehen ist schlicht nicht vorhersehbar“, sagt er. „Hinter den Angeboten steckt oft nicht viel mehr als eine gute Verkaufsgeschichte, gerade unerfahrene Anleger sollten sich davor in Acht nehmen.“

Online-Broker

Online-Broker bauen ihre Angebote insbesondere für sehr aktive Nutzer immer weiter aus. Die Zeiten, in denen Anleger ihren Aktienhändler anrufen mussten, um Orderwünsche durchzugeben, waren schon Ende der 1990er Jahre vorbei. „Seitdem wird das Online-Angebot ständig erweitert und ist den Leistungen von traditionellen Großbanken oft weit voraus“, hat Roßbach beobachtet. Bei manchen Brokern können Nutzer persönliche Regeln – Algorithmen – für automatisiertes Trading erstellen, so etwa beim US-Anbieter Rizm.

Eine Programmiersprache müssen sie dafür nicht beherrschen, sie können ihre Regeln mit einem Bausteinsystem nach dem Wenn-Dann-Prinzip gestalten. Ähnliches biete auch Algofast. Zudem macht in den USA auch Robinhood, der erste kostenlose Online-Broker den Banken Konkurrenz. Anleitungen zum Traden gibt es bei den Brokern oft in Form von Webinaren.

Social Communities

Sich weiterbilden und mit anderen Börsenbegeisterten austauschen steht im Fokus von Social Communities. „Was früher der Investmentclub war, ist heute die Community im Internet“, sagt Paxmann. In Großbritannien und den USA gibt es Portale wie Family Bhive oder Tiger21 für sogenannte (Ultra-)High-Net-Worth-Anleger, auf denen sich die Reichen austauschen und gemeinsame Investments anstreben können. Aber auch für Kleinanleger gibt es viele Möglichkeiten zum Austausch: Über Sharewise können Mitglieder Empfehlungen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren geben. Bei Sumzero können sich Privatleute mit professionellen Investoren austauschen und über Communities wie Etoro oder Ayondo können Anleger die Strategien anderer Nutzer beobachten und automatisch ins eigene Depot übertragen.

Was so schön und einfach klingt, kann aber auch Risiken bergen. „Der kooperative Gedanke in den sozialen Medien ist durchaus erstrebenswert“, meint Roßbach. „Die Strategien von Personen zu kopieren, die weitgehend anonym bleiben, ist aber auch nicht ganz unkritisch.“ So bestehe etwa die Gefahr, dass die Trader über Insider-Wissen verfügen und deshalb den Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers ankurbeln wollen. Auch Niels Nauhauser ist skeptisch: „Wenn quasi jeder als Fondsmanager agieren kann, wird das Aufsichtsrecht vollkommen unterlaufen.“

Robo Advisor

An Anleger, die das Marktgeschehen weniger aktiv verfolgen wollen, richten sich sogenannte Robo Advisor. „Grob gesagt übernehmen sie die Vermögensverwaltung für den Kunden und sind dabei bedeutend günstiger als Verwalter und Berater aus der Offline-Welt“, sagt Roßbach. Bei den Details gibt es zwischen den Anbietern aber große Unterschiede. Während viele ein statisches Musterdepot vermitteln, schließen manche mit den Kunden einen Vermögensverwaltervertrag und passen das Portfolio an das aktuelle Marktgeschehen an. „Die Königsklasse sind Portfolio-Beratungsplattformen, bei denen die bisherigen Depots, Konten und Verträge der Kunden in die Analyse einbezogen werden“, sagt Paxmann. „Das sehen wir bisher aber nur auf dem amerikanischen Markt – etwa bei Personal Capital und Learnvest.“


Großes Potenzial für Robo Advisor

Bis es solche umfassenden Angebote auch in Deutschland gibt, dürfte es aber nicht mehr lange dauern. So hatte etwa die Deutsche Bank bereits im April angekündigt, zum Jahresende externe Konten ihrer Kunde in ein Tool zur Anlageanalyse integrieren zu wollen. Zudem gehen viele Berater davon aus, dass Banken und Fintechs, die Robo-Advisors anbieten, bald verstärkt kooperieren werden. Publik sind beispielsweise schon die Kooperationen zwischen Easyfolio und ING Diba sowie Vaamo und N26. Es dürften aber noch viele folgen. „Ich würde jeder Bank raten, mit einem Robo zu kooperieren“, sagt Paxmann. „Das Anlagemodell ist sowohl für Banken als auch für Kunden kostengünstig, und kann einem viel größeren Personenkreis angeboten werden als die Offline-Vermögensverwaltung.“

Durch den Zusammenschluss mit namhaften Geldinstituten dürfte dann auch der Kundenkreis der Robo Advisors wachsen. Bisher sind sie laut der Erhebung „Wir Deutschen und das Geld“ des Meinungsforschungsinstituts Yougov noch recht unbekannt. Nur 22 Prozent der Deutschen haben schon von „Beratungsrobotern“ gehört und gerade mal zwei Prozent haben sie schon mal genutzt. „In dem Bereich steckt viel Musik drin“, meint Verbraucherschützer Nauhauser. „Bisher sind viele Plattformen noch reine Verkaufstools, schon bald können sie den klassischen Bankberatern aber Konkurrenz machen – wenngleich die Messlatte da nicht sehr hoch hängt.“ Einen wirklichen Mehrwert hätte der Kunden dann, wenn sie ihm einen Überblick über seine bisherige Finanzsituation verschafften und ihm Vorschläge zur Optimierung machten.

Crowdinvesting

Für Anleger, die sich als Risikokapitalgeber versuchen wollen, gibt es das Crowdinvesting, die fünfte Angebotskategorie, die die TME AG analysiert hat. Während manche Online-Plattformen allein auf Privatkunden abzielen, können sich Kunden auf anderen unter professionelle Risikokapitalgeber mischen. So bietet etwa Kapilendo Venture Kleinanlegern die Möglichkeit zeitgleich mit Business Angels in Start-ups zu investieren. „Man würde wohl keinem Anleger raten, sein gesamtes Vermögen auf diesem Wege zu investieren, aber als Beimischung können solche Investments interessant sein“, meint Roßbach.

Dank digitaler Angebote erhalten Privatanleger heute also auch Zugang zu Investments, die früher noch versperrt waren. Das heißt jedoch nicht automatisch, dass diese alle für die Masse der Kleinanleger geeignet sind. Wer noch keinerlei Grundwissen über Kapitalanlage hat, wird auch mit vielen flippig aufgemachten Online-Angeboten nicht viel weiter kommen. Auch mit Online-Lerneinheiten wie Webinaren werden wohl vor allem Kunden erreicht, die ohnehin schon ein gesteigertes Interesse am Thema Geldanlage haben. „Den größten Nutzen im digitalen Wealth Management werden langfristig wohl Robo Advisors stiften“, sagt Paxmann. „Sie bieten sowohl Banken als auch Kunden enorme Kostenersparnisse und haben zukünftig das Potenzial sich zu umfassenden Anlageberatern zu entwickeln.“

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