Dividende statt Zins Machen Sie Frühjahrsputz im Depot!

Ausgerechnet die als solides, risikoarmes Depot-Beiwerk gedachten Anleihen stellen Anleger vor ein Dilemma: Sie erwirtschaften keine Rendite mehr. Welche Dividendenwerte Abhilfe schaffen.

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Neuverteilung im Tortendiagramm Quelle: Getty Images

Frühjahrsputz ist grundsätzlich eine gute Sache - nicht nur im Haushalt, sondern auch im Anlegerdepot. Was brauche ich noch, was kann weg, diese Fragen sollten sich Anleger regelmäßig stellen. Aktuell ist der Einsatz des Kehrbesens noch viel wichtiger als sonst.

Grund dafür ist die erneute Liquiditätsspritze der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie will ab März für mindestens anderthalb Jahre monatlich Anleihen für 60 Milliarden Euro kaufen. Mal eben hat die Notenbank in der vergangenen Woche ein 1,1 Billionen-Euro-Geldpaket verkündet. Das ließ nicht nur Finanzmarktakteure jubeln. Es stellt auch die zuletzt geltenden Annahmen zur Zusammensetzung eines ausgewogenen Depots auf den Kopf.

Die meisten Marktstrategen sind sich einig: wer umverteilen kann, der sollte das tun. Und zwar zunächst zulasten der Anleihen. Die DZ Bank beispielsweise reduzierte in ihrem Multi-Asset-Portfolio sowohl ihren Bestand an Staatsanleihen aus Euro-Ländern als auch den an US-Bonds jeweils um die Hälfte, nachdem EZB-Chef Mario Draghi seinen Angriff auf die niedrigen Inflationsraten verkündet hatte.

Deutsche Dividendenaristokraten für 2015

Durch die EZB werden die niedrig rentierenden Anleihen noch unattraktiver, als sie es ohnehin schon waren. "Die Anlagealternativen zu Aktien sinken rapide, weil die Notenbanken diese Stück für Stück vom Markt nehmen", sagt DZ Bank-Analyst Christian Kahler. Als wahrscheinlich gilt, dass mit rund 45 Milliarden Euro ein Großteil der monatlichen EZB-Einkäufe in Staatsanleihen mit Investmentgrade fließen werden. Dazu kommen fünf Milliarden Euro für staatsnahe Emittenten wie die Europäische Investitionsbank (EIB) und zehn Milliarden Euro, die auf das bereits zuvor angekündigte Aufkaufprogramm für Kreditverbriefungen entfallen.

"Renten sind riskanter"

Für Anleihezinsen kommt das einem langfristigen Tiefdruckgebiet gleich. Erst am vergangenen Freitag fiel die durchschnittliche Rendite für Unternehmensanleihen aus dem Euro-Raum, die im Investmentbereich liegen, erstmals unter ein Prozent. "Renten sind in diesem Jahr deutlich riskanter als vorher“, sagt Lars Edler, der bei Sal. Oppenheim die Investmentstrategie verantwortet. Ihre eigentliche Funktion, das Ausbalancieren von Schwankungen bei anderen Assets wie Aktien, erfüllten Anleihen möglicherweise nicht mehr ausreichend.

Auch Fondsmanager Eckhard Sauren spricht im Interview mit der ARD gerade bei vermeintlich sicheren Staatsanleihen von einer "trügerischen Sicherheit" für Anleger. „Auch Bonds sollten Anleger nicht mehr einfach so im Depot liegen lassen“, sagt Edler. Vor allem aufgrund des Zinsänderungsrisikos seitens der USA müssten Anleger ihre Bestände regelmäßig hinterfragen. Dieses Szenario dürfte greifen, wenn die US-Notenbank Fed in absehbarer Zeit tatsächlich beginnt, an der Zinsschraube zu drehen und den Leitzins Stück für Stück zu erhöhen.

Die Favoriten der Société Générale

Ob eine solche Entscheidung Einfluss auf das Zinsniveau in Europa hat, darüber sind sich Experten nicht einig. Alexander Aldinger, Anleihestratege bei der Commerzbank, rechnet beispielsweise nicht unbedingt mit Auswirkungen auf den europäischen Markt. „Dafür ist das Kaufvolumen der EZB zu groß“, sagt Aldinger. Die Nachfrage werde dadurch so hoch, dass der Effekt abgeschirmt werde. Erst gegen Ende des Jahres könnte sich am Zinsniveau etwas ändern.

Private und institutionelle Anleger müssen sich daher nach Alternativen umsehen. Zunächst waren das Unternehmensanleihen. Fondsmanager trommeln seit langem für Hochzinsanleihen als Ausgleich für die teilweise negativ rentierenden Staatsbonds. Entsprechend fallen mittlerweile auch die Renditechancen bei Hochzins- und Unternehmensanleihen deutlich schwächer aus.

Michael Schoenhaut, Fondsmanager bei JP Morgan Asset Management, hat deshalb seinen Anteil an Hochzinsanleihen im Portfolio auf nur noch ein Viertel reduziert. "Das liegt nicht daran, dass wir Hochzinsanleihen generell nicht mehr mögen, aber wir sind überzeugt, dass sich die Chancen in diesem Segment verändert haben", erklärt Schoenhaut.

Dividendenaristokraten können Schwankungen ausgleichen

Die Risikoaufschläge seien wieder geringer geworden, so der Fondsmanager. "Sie bewegen sich auf einem Niveau, welches der Dividendenrendite ausgewählter Aktien entspricht", sagt Schoenhaut. Auch DZ-Bank-Experte Kahler sieht diese Entwicklung. "Der Trend in Richtung "Verrentung der Aktie" dürfte anhalten", erklärt Kahler. Langfristanlegern empfiehlt der Aktienstratege den Kauf sogenannter Dividendenaristokraten. So werden im Finanzjargon Aktien von Unternehmen bezeichnet, die auf lange Zeit, beispielsweise in den vergangenen zehn Jahren, immer eine Dividende an ihre Aktionäre ausgeschüttet haben.

Dividendenstarke Aktien mit Kurspotenzial 2015

Deren Aktien seien die "neuen Anleihen", so Kahler. Die regelmäßigen Dividenden könnten mögliche Schwankungen im Depot ausgleichen. Dank niedrigem Ölpreis und schwachem Euro als kleine Konjunkturprogramme rechnet die DZ Bank in diesem Jahr mit einer Rekordausschüttung deutscher Unternehmen. Im HDax, also allen Unternehmen aus Dax, MDax und TecDax, erwarten die Analysten Ausschüttungen in Höhe von 37 Milliarden Euro. Auch in den kommenden Jahren erwarten die Analysten einen Anstieg bei den Aktionärsbeteiligungen von im Schnitt sechs Prozent.

Noch entscheidender als die tatsächlichen Zahlungen sind die Dividendenrenditen, also die Verzinsung des investierten Kapitals je Aktie. Im Dax beispielsweise rechnen die Analysten mit einer durchschnittlichen Dividendenrendite von 2,7 Prozent. Gegenüber den Renditen am Rentenmarkt sei das ein Aufschlag von über zwei Prozent.

Siemens erfüllt die Erwartungen

Ein aktuelles Beispiel liefert Siemens. Die Münchener zahlen ihren Anlegern in diesem Jahr 3,30 Euro Dividende je Aktie - immerhin 30 Cent mehr als im Vorjahr. Gemessen am aktuellen Kursniveau ergibt sich eine Dividendenrendite von deutlich über drei Prozent. Eine bis 2019 laufende Anleihe des Konzerns bringt Anlegern dagegen nur einen Zins von 1,65 Prozent.

Damit hat Siemens die Erwartungen der Dividenden-Picker mal wieder erfüllt. Denn der Konzern gehört schon lange zu den Dividendendinos im Dax. In den vergangenen zehn Jahren haben die Münchener immer ausgeschüttet und ihre Dividende mindestens stabil auf Vorjahresniveau gehalten. Sechs Mal wurde der Aktionärsbonus erhöht.

Neben Siemens favorisieren die DZ-Bank-Analysten den Rückversicherer Munich Re, BASF, Modeunternehmer Hugo Boss, Axel Springer und die Deutsche Börse als deutsche Dividendenaristokraten.

Die höchste Dividendenrendite dürfte in diesem erlauchten Kreis mal wieder der Münchener Rückversicherer liefern. Prognostiziert werden knapp 4,5 Prozent. Die Munich Re gilt seit Langem als Garant für Ausschüttungen: Allein in den vergangenen zehn Jahren wurden sie acht Mal erhöht. Auch in diesem Jahr rechnen Beobachter mit 7,50 Euro je Aktie.

Kein Wunder, das auch der Kurs der Aktie profitiert und allein seit Jahresbeginn um mehr als sieben Prozent zugelegt hat. Die Ankündigung von Munich-Re Vorstand Nikolaus von Bomhard, die Dividenden sollten "nie runter, nur rauf", dürfte Interessenten angelockt haben. Denn die Aussichten sind gut. Zuletzt gab es weniger Katastrophenschäden als erwartet.

Dennoch bleibt die Aktie für Anleger vergleichsweise günstig. Aktuell zahlen Anleger für das Papier nur knapp das neunfache des Gewinns (Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz: KGV). Damit liegt das KGV unter dem aktuellen Dax-Durchschnittswert von rund 13. Insgesamt gelten die Bewertungen in Deutschland noch als moderat, vor allem im Vergleich zu den USA. Anleger könnten sich zwar auch an der Wall Street nach Dividendenaristokraten umschauen - Experten raten zu Papieren wie Procter & Gamble, McDonald's oder Chevron - müssen dort aber die höheren Bewertungen in Kauf nehmen.

Wer trotz steigender Bewertungen zum Dividendenpicker werden möchte, sollte in jedem Fall darauf achten, dass die Ausschüttungen der Konzerne auch durch entsprechende Gewinne gerechtfertigt sind. Ausschüttungen aus der Substanz, nur um die Aktionäre nicht zu verschrecken, gelten unter Finanzexperten als Alarmzeichen.

In diesem Jahr können sich Anleger allerdings berechtigt Hoffnungen machen: Laut Daten der Commerzbank haben die großen deutschen Aktiengesellschaften 2014 im Schnitt 16 Prozent mehr Gewinn erwirtschaftet als im Vorkrisenjahr 2007. Die Zeichen für einen Dividendenregen stehen also gut.

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