Anleihehändler gaben am Freitag ihre Wetten auf eine Zinserhöhung der Federal Reserve im Mai auf und setzten verstärkt darauf, dass die nächste Zinssenkung bereits im Juni erfolgen wird, da sich die USA einer Rezession nähern.
Globale Anleihen zogen am Freitag an, da erneute Besorgnis über den Bankensektor die Nachfrage nach sicheren Häfen schürte. Gleichzeitig stieg die Überzeugung, dass die Zentralbanken ihren Schwerpunkt von der Inflation auf die Finanzstabilität verlagern müssen. Von den zweijährigen bis zu den zehnjährigen Laufzeiten fielen US-Staatsanleihe-Renditen auf die niedrigsten Niveaus in diesem Jahr, die der zweijährigen um bis zu 28 Basispunkte. Die zweijährigen deutschen Renditen fielen um 31 Basispunkte. Der Rückgang der US-Renditen wurde eingegrenzt, nachdem Konjunkturindikatoren für März stärker als erwartet ausgefallen waren.
Am Swap-Markt für Wetten auf die Ergebnisse bestimmter Fed-Sitzungen war eine Zinserhöhung um einen Viertelpunkt im Mai zwischenzeitlich vollständig ausgepreist. Anfang dieser Woche wurde eine solche Anhebung noch für wahrscheinlich gehalten. Die Swapsätze preisen weiterhin Zinssenkungen von insgesamt mehr als einem Prozentpunkt bis zum Jahresende ein, was den Markt auf Kollisionskurs mit der Notenbank bringt.
Schneller schlau: Rezession
Der Begriff Rezession bedeutet Rückgang und stammt aus dem Lateinischen. Es handelt sich um eine Rezession, wenn die Wirtschaft nicht wächst, sondern schrumpft – sich also in einem Abschwung beziehungsweise Rückgang befindet. Für die Bemessung der Konjunktur dient das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Offiziell tritt eine sogenannte technische Rezession ein, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresquartalen nicht wächst, sondern zurückgeht.
Die Rezession ist eine der vier Phasen, die der Konjunkturzyklus einer Volkswirtschaft durchlaufen kann. Sie folgt auf die Phase der Hochkonjunktur und kann im schlimmsten Fall in eine Depression übergehen. Auf eine Depression folgt dann früher oder später ein Aufschwung.
Eine Rezession zeichnet sich durch unterschiedliche Merkmale aus. Dazu gehören unter anderem:
- Rückgang der Nachfrage
- überfüllte Lager
- Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit
- Entlassung von Arbeitskräften
- ausbleibende Investitionen
- teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen
- stagnierende oder sinkende Preise, Löhne und Zinsen
- fallende Börsenkurse
Zu den Ursachen einer Rezession gehören unterschiedliche Punkte, die sich nur schwerlich verallgemeinern lassen. Aktuell wirkt sich etwa der Krieg in der Ukraine erheblich auf die Konjunktur in Europa und den USA aus.
In einer Rezession halten Unternehmen und private Haushalte ihr Geld in der Regel beisammen. Zu den Folgen einer Rezession zählen steigende Arbeitslosenzahlen, außerdem arbeiten mehr Menschen in Kurzarbeit. Beides führt zu geringerer Nachfrage. Denn wenn die Bürger weniger Geld verdienen, konsumieren sie auch weniger. Dies ist wiederum schlecht für Unternehmen, die dadurch weniger verkaufen und auf ihren Lagerbeständen sitzen bleiben. Die fehlenden Einnahmen können zu weiteren Entlassungen führen, sodass die Arbeitslosigkeit weiter steigt.
Auch Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Job sind, stehen in einer Rezession vor Problemen. Denn wer sich um eine neue Stelle bewirbt, dürfte während einer Rezession Schwierigkeiten haben eine entsprechende Stelle zu finden – denn geht es Unternehmen wirtschaftlich schlechter, stoppen sie Neueinstellungen.
Durch eine steigende Inflation sinkt die Kaufkraft der Menschen. Durch eine sinkende Kaufkraft sinkt wiederum die Konsumbereitschaft der Menschen, da sie ihr Geld beisammen halten, statt es für Waren und Güter auszugeben.
Nachdem die Fed die Zinsen am Mittwoch zum neunten Mal angehoben hatte, sagte der Vorsitzende Jerome Powell, dass Zinssenkungen nicht sein „Basisfall“ seien. Händler reduzierten auch die Wetten auf eine weitere Straffung der Geldpolitik durch andere wichtige Zentralbanken, indem sie weitere Anhebungen um einen Viertelpunkt durch die Europäische Zentralbank und die Bank of England auspreisten.
Anleger suchten nach sicheren Häfen, nachdem Bloomberg News berichtet hatte, dass die Credit Suisse Group AG und die UBS Group AG zu den Banken gehören, die im Rahmen einer Untersuchung des US-Justizministeriums unter die Lupe genommen werden. Das Ministerium will wissen, ob Finanzprofis russischen Oligarchen geholfen haben, die Sanktionen zu umgehen. Bankaktien brachen ein, bei der Deutsche Bank AG um bis zu 15%, der stärkste Rückgang seit März 2020.
US-Finanzministerin Janet Yellen berief am Freitagmorgen die Chefs der obersten US-Finanzaufsichtsbehörden zu einer zuvor nicht geplanten Sitzung des Financial Stability Oversight Council ein. „Wir glauben, dass dies die letzte Zinserhöhung in diesem Zyklus gewesen sein könnte“, sagte Kelsey Berro, eine Portfoliomanagerin für festverzinsliche Wertpapiere bei JPMorgan Asset Management, im Bloomberg-Fernsehen. „Die 2-Jahres-Rendite zeigt uns genau das.“
Lesen Sie auch: Der Druck auf die Fed steigt – doch Powell bleibt auf Kurs
Der Abstand zwischen den Renditen 5- und 30-jähriger US-Staatsanleihen stieg auf ein Jahreshoch von 37,4 Basispunkten, wobei der Anstieg ein Zeichen dafür ist, dass die Anleger erwarten, dass die Fed bald zu einer Zinssenkung übergehen wird. Der Abstand zwischen 2- und 10-jährigen Treasury-Renditen, der seit Juli durchgehend invertiert ist, hat sich ebenfalls stark vergrößert. Die zweijährigen Renditen übersteigen die 10-jährigen Renditen um etwa 35 Basispunkte, verglichen mit 111 Basispunkten am 8. März – dem Extremwert in diesem Inversionszyklus.
Die Marktbewegungen vom Freitag setzten eine Rallye bei Anleihen fort, die durch die ersten US-Bankenpleiten seit 2008 und die von der Schweizer Regierung eingefädelte Rettung der Credit Suisse am vergangenen Wochenende ausgelöst wurde. Sie verstärkte sich am Mittwoch, nachdem die US-Notenbank ihre Äußerungen zur möglichen weiteren Straffung der Geldpolitik abgemildert hatte, auch wenn sie die Zinsen um einen weiteren Viertelpunkt anhob.
Mark Grant, globaler Chefstratege bei Colliers Securities, sagte in einer Mitteilung an Kunden am Freitag, dass „Die Fed einfach aufhören sollte!“ Jeffrey Gundlach, Chief Investment Officer von DoubleLine Capital LP, erklärte gestern auf Twitter, dass die Fed seiner Meinung nach die Zinssätze „bald deutlich senken wird.“
Lesen Sie auch: Die amerikanische Schuldenbombe