
In den deutschen Medien wurde noch im Frühjahr wochenlang heftig darüber gestritten, ob Volkswagen-Vorstandschef Martin Winterkorn sein Jahresgehalt für 2011, insgesamt über 17 Millionen Euro, verdient habe oder ob eine solche Summe angesichts krasser sozialer Unterschiede in Deutschland nicht unangebracht sei. Nun gibt es Stoff für eine neue Diskussion über die Gehälter von Top-Managern: Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat am Mittwochmorgen ihre Aufsichtsratsstudie 2012 vorgelegt.
Darin ging sie unter anderem auf die Vergütungen der Aufsichtsratsmitglieder der 30 Dax-Unternehmen für das Geschäftsjahr 2011 ein. Das Ergebnis: Insgesamt bekamen die Dax-Aufseher 69,7 Millionen Euro von ihren Unternehmen. Da die Steigerung gegenüber dem Vorjahr mit 7,6 Prozent aber im Rahmen bleibt, dürfte der ganz große Aufschrei ausbleiben. Zumal die Aufsichtsräte auch bei weitem nicht so üppig verdienen wie die Vorstandsvorsitzenden.
Aufseher als „entscheidende Organe"





Zur Sicherheit wies DSW-Hauptgeschäftsführerin Jella Benner-Heinacher aber auch gleich zu Beginn der Vorstellung der Studie darauf hin - wohl gerade um den Freunden von Neiddebatten schon im Vorfeld den Wind aus den Segeln zu nehmen - , wie wichtig die Funktion der Aufsichtsräte vor dem Hintergrund der seit der Finanzkrise deutlich gestiegenen Anforderungen an Unternehmen, vor allem im Hinblick auf Compliance-Vorgaben, geworden sei: „ Wurden sie früher noch oft als Gremien belächelt, in denen ältere Herren sich viermal im Jahr zum geselligen Beisammensein trafen, um relativ kritiklos Vorstandsbeschlüsse abzunicken, gehören sie heute zu den entscheidenden Organen der Unternehmen“, so Benner-Heinacher.
VW ist Spitzenreiter
Dass die Steigerungen bei den Aufsichtsratsgehältern gegenüber dem Vorjahr insgesamt den zweistelligen Prozentbereich nicht erreichten, lag definitiv nicht an Volkswagen. Wie bei den Vorständen ist VW auch bei den Aufsichtsräten der spendabelste Arbeitgeber. Die Wolfsburger zahlten ihren 20 Aufsehern insgesamt knapp 7,4 Millionen Euro und damit fast 38 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei Siemens, dem Zweitplatzierten in dieser Kategorie, erhielt das Gremium zusammen 4,8 Millionen Euro (plus 18 Prozent). In Sachen Wachstum erklomm Infineon die Spitze: Das Gehalt der Aufsichtsräte des Chipherstellers stieg mit 263 Prozent am stärksten. Das führt die DSW darauf zurück, dass sowohl eine variable Vergütung gezahlt – die 2010 entfallen war – als auch die fixe Vergütung erhöht wurde. Zudem habe der Konzern ein Sitzungsgeld eingeführt.
Piëch kassiert ab
Der Titel des größten Einzelverdieners unter den Aufsichtsräten ging wenig überraschend ebenfalls nach Wolfsburg: VW-Aufseher Ferdinand Piëch, der auch im Aufsichtsrat anderer Dax-Konzerne sitzt, erhielt insgesamt 1,1 Millionen Euro. Gerhard Cromme, der den Kontrollgremien von Siemens und ThyssenKrupp vorsitzt, bekam 1,05 Millionen. Das Gehalt des ebenfalls vielbeschäftigten Manfred Schneider, auch Aufsichtsrat in mehreren Dax-Unternehmen, nimmt sich dagegen recht bescheiden aus: Er kassierte 990.000 Euro.
Nicht ganz so prächtig wie ihren Kollegen im wichtigsten deutschen Index erging es den Aufsehern der MDax-Unternehmen. Hier entwickelten sich die Vergütungen im Gegensatz zum Dax rückläufig, mit insgesamt 42,6 Millionen verdienten die Aufsichtsräte um 0,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Am spendabelsten war dabei das Rhön Klinikum mit einer Vergütung von 2,7 Millionen Euro für seine 20 Gremiumsmitglieder. Spitzenreiter bei den Einzelpersonen war zudem Rhön-Aufsichtsratsvorsitzender Eugen Münch mit 514.000 Euro. Bei TecDax und SDax gab es insgesamt Steigerungen um 6,7 beziehungsweise knapp sechs Prozent; Bestverdiener im TecDax war Kim Schindelhauer (Aixtron/348.000 Euro), im SDax war das Fred Kogel (417.000 Euro/Constantin Medien AG).
„Nicht in alte Muster verfallen“
In der Studie des DSW ging es aber nicht ausschließlich ums Monetäre. Die Anlegerschützer widmeten sich auch der Frauenquote. Hier sehen sie erheblichen Nachholbedarf: „Insgesamt sind die größten deutschen Aktiengesellschaften von einem 30-Prozent-Anteil in ihren Kontrollgremien noch weit entfernt“, fasst Hauptgeschäftsführerin Benner-Heinacher zusammen. Sie stellt fest, dass nur 11,1 Prozent der Ausschusssitze in den DAX30-Unternehmen von Frauen besetzt werden - 7,5 Prozent davon sind Arbeitnehmerinnenvertreter, 3,6 Prozent Anteilseignervertreterinnen -, lediglich bei Beiersdorf, der Deutschen Post, Henkel und Infineon leite eine Frau einen Ausschuss.
Benner-Heinacher bringt es auf den Punkt: „Der Aufsichtsratsvorsitz ist praktisch vollständig männerdominiert.“ Nur der Aufsichtsrat von Henkel habe Familienvertreterin Simone Bagel-Trah zu seiner Vorsitzenden gewählt, so Benner-Heinacher.
Aufsichtsrat DSW-Vizepräsident Klaus Nieding dürfte allerdings nicht nur die Frauenquote im Kopf gehabt haben, als er die Vorstellung der Studie mit dem Appell beendete, „bei der Kandidatenkür nicht in alte Muster zu verfallen und den besten Golfkumpel für eine der vakant werdenden Aufsichtsratspositionen vorzuschlagen“.