DSW-Studie Das sind die größten Kapitalvernichter der Börse

Die deutschen Börsen haben im vergangenen Jahr eines ihrer besten Jahre hingelegt. Dennoch hagelte es bei zahlreichen Aktien starke Verluste.

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Börse: DSW-Studie zeigt die größten Kapitalvernichter Quelle: Pressebild

Frankfurt Für Aktien könnte schon bald die beste aller Welten vorüber sein. Die Niedrigzinsen der Notenbanken haben in den vergangenen Jahren die Kurse kräftig in die Höhe getrieben, weil Anleger in den Wertpapieren Rendite fanden. Gleichzeitig waren die Kreditkosten für Unternehmen dank der Niedrigzinsen billig.

Die Auftragsbücher sind voll, die Wirtschaft wächst. „Wir befinden uns also in einer fast perfekten Welt“, sagt Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung (DSW) für Wertpapierbesitz. Hinter dem deutschen Leitindex Dax liegt mit einem Wertzuwachs von mehr als zwölf Prozent ein entsprechend gutes Jahr. „Wer es jetzt nicht schafft, Geld zu verdienen, wird von einem wirtschaftlichen Abschwung extrem hart getroffen. Und früher oder später wird dieser Abschwung kommen.“

Umso mehr sollten Aktienanleger aufhorchen, bei dem was Nieding und seine Kollegen ihnen heute präsentierten: Die Liste der größten Kapitalvernichter. Darunter finden sich mitnichten nur kleine Konzerne, sondern auch Dax-Konzerne. Unternehmen wie Eon oder RWE zählen die selbsternannten Anlegerschützer bereits zu „Dauergästen“.

Den größten zweifelhaften Sprung nach vorn machte die Deutsche Bank. Das Frankfurter Finanzinstitut landet auf Rang 13, und das trotz seines Kursgewinns von fünf Prozent im vergangenen Jahr. Über die Jahre gesehen lief es für die Deutsche Bank einfach zu schlecht. Wer vor fünf Jahren Aktien des Geldhauses kaufte, hat bis heute 38,5 Prozent seines Kapitals verloren – und da sind Dividendenausschüttungen schon eingerechnet.

Alljährlich berechnet die DSW die größten Kapitalvernichter im obersten Börsen-Marktsegment Prime-Standard. Das sind alle Aktien der Dax-Familie: Dax, MDax, SDax und TecDax. In zwei separaten Rankings nimmt sie einerseits rein die Kursverluste unter die Lupe, in einer „Performance-Liste“ rechnet sie andererseits Dividendenauszahlungen mit ein. Auf letztere sollen sich die folgenden Angaben beziehen.

Für die Berechnung der Watchlist betrachten die Anlegerschützer die Kursentwicklung in drei Zeiträumen – auf ein, drei und fünf Jahre – und vergeben Plus- oder Minuspunkte. Für das Gesamtranking werden die drei Punktestände addiert. Selbst der Beste der 50 im Prime Standard notierten Unternehmen liegt in der Gesamtwertung bei zwölf Minuspunkten. Der größte Kapitalvernichter bringt es auf minus 959 Punkte.

Dass Index-Werte noch längst nichts über die Entwicklungen einzelner Werte aussagen müssen, zeigt die Übersicht eindrücklich: Denn die 50 größten Kapitalvernichter haben zusammen im vergangenen Jahr sogar zwölf Prozent im Kurs zugelegt. Die Haken: Erstens sieht die Bilanz für die vergangenen fünf Jahre mit minus 41 Prozent über tiefrot aus – und der mittlere bis langfristige Horizont ist schließlich für die meisten Anleger entscheidend. Zweitens sagt der Durchschnitt wenig bis nichts über die Einzelwerte aus.

So schlecht wie der Möbelhersteller Steinhoff schnitt im vergangenen Jahr allerdings kein anderes Unternehmen ab. Minus 93,5 Prozent verzeichnete das seit Monaten gegen Insolvenz-Gerüchte kämpfende Unternehmen.

Im Fünf-Jahres-Vergleich gelingt es allerdings einem Unternehmen, die ohnehin schon miserable Leistung noch zu unterbieten: Der Maschinenbauer Singulus, den die DSW gar als „Watchlist-Urgestein“ bezeichnet, kommt über die Zeitspanne auf einen Verlust von 92,9 Prozent – Steinhoff „nur“ auf 85,4 Prozent.

Der Kurssprung von knapp 250 Prozent im vergangenen Jahr dürfte Singulus-Aktionären angesichts dieser Langfristanalyse nicht viel mehr als ein schwacher Trost sein. Auf Fünf-Jahres-Sicht landen zudem der Auskunfts-Service 11 88 0 Solutions, der Modehändler Gerry Weber und das Glücksspielunternehmen Mybet Holding unter den Top Fünf der Kapitalvernichter.

Neben der Deutschen Bank befinden sich mit RWE (Platz 15) und Eon (Platz 40) zwei weitere Dax-Konzerne auf der Liste. Mit Prosiebensat1 folgt ein Dax-Absteiger auf Rang 47.


Dividende ist nicht immer Trumpf

Rein aus Dividendensicht erwartet die DSW in diesem Jahr zwar wieder einen Sprung nach oben. Die Ausschüttungssumme der Prime-Standard-Titel könnte von 46 auf 50 Milliarden Euro steigen.

Aber: „Die Performance-Watchlist zeigt, dass mitnichten alles gut ist, wenn eine Gesellschaft Dividende zahlt. Zwar ist das – in der Regel – ein Hinweis auf ein funktionierendes, weil Gewinn abwerfendes Geschäftsmodell. Aber das muss eben nicht so sein“, erklärt DSW-Geschäftsführer Marc Tüngler. Schließlich könne die Dividende aus der Substanz kommen oder auf Sondereffekten beruhen. „Eine gute beziehungsweise überhaupt eine Dividende schützt also nicht zwingend vor Verlusten“, erklärt Tüngler.

Sein Stellvertreter, Klaus Nieding, fügt noch hinzu, dass über die letzten Jahre „auf breiter Front“ sowohl in den Auswahlindizes als auch bei den Nebenwerten die Ausschüttungsquote zurückgegangen sei.

Von der anstehenden Hauptversammlungssaison erwarten sie vor allem seitens aktivistischer Hedgefonds weiter Druck. Einen ersten Vorgeschmack habe es schon bei ThyssenKrupp gegeben, bei dem Investor Cevian weiter darauf drängt, dass der Konzern zerschlagen wird.

Das Unternehmen selbst plant hingegen eine Restrukturierung seines Geschäfts. Mit Spannung erwartet werden die Versammlungen bei den Energieversorgern Eon und RWE, die mit ihren jüngsten Neuausrichtung eine „nur äußert selten anzutreffende Volte“ hinlegten.

Wer einmal auf ihrer Watchlist landet, ist dort nicht bis auf alle Ewigkeit verdammt, betonen die Anlegerschützer. Das zeige schon die Zahl von 16 Neueinsteigern auf der Performance Liste. Einen „Dauergast“ konnten die Anlegerschützer übrigens unvorhergesehen aus ihrer Watchlist verabschieden.

Im vergangen Jahr rechnete die DSW noch damit, dass die Commerzbank „ziemlich sicher weiter auf den DSW-Listen“ vertreten sein wird. Doch in diesem Jahr gelang es der Deutsche-Bank-Rivalin zu entkommen. Die Commerzbank gehörte im vergangenen Jahr zu den stärksten Kursgewinnern im Dax. Mit einem Plus von 73 Prozent musste sie sich nur der Lufthansa, die auf einen Zuwachs von 160 Prozent kam, geschlagen geben.

Die Rekordjagd im Dax, der 2017 zeitweise von einem zum nächsten Hoch kletterte, ist vorerst vorbei. Am Jahresende stand der Dax wieder weit weg vom Rekordhoch aus dem Herbst. In diesem Jahr aber schwächeln die Kursbewegungen weiter. Der Dax steht seit Jahresbeginn mit knapp fünf Prozent im Minus.

Trotz der guten Weltkonjunktur – der Internationale Währungsfonds rechnet in diesem Jahr mit einem Plus von 3,9 Prozent – hält der Druck auf die Aktien an. Zuletzt ließen Inflationsängste aus den USA die Börsenbarometer Anfang Februar gehörig taumeln. Die Schwankungen sind an die Märkte zurückgekehrt.

Und immer deutlicher zeichnet sich nun ab, dass es mit der Zeit der anhaltend niedrigen Zinsen allmählich zu Ende geht. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve hat am Mittwoch bereits zum sechsten Mal seit Ende 2015 den Leitzins erhöht. Und die Europäische Zentralbank könnte ihrem Vorbild womöglich im kommenden Jahr folgen.

Die Refinanzierung ist dank der Niedrigzinsen nach wie vor ausgesprochen billig, die Auftragsbücher sind voll, die Binnennachfrage ist ebenso stabil wie die aus dem Ausland und die Rohstoffpreise moderat. Der steigende Eurokurs drückt dagegen ein wenig auf die Stimmung. Gleiches gilt für die nur schwer kalkulierbaren Eskapaden des US-Präsidenten und die drohenden Zinsanpassungen nach oben. Wir befinden uns also in einer fast perfekten Welt.

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