Düngemittel Dax-Konzern K+S steht am Abgrund

Nur knapp behauptete sich Düngemittelproduzent K+S im Aktienindex Dax. Aber der Kali-Markt wandelt sich dramatisch, der Traditionskonzern steht vor der größten Krise seiner Geschichte, prophezeien Ökonomen. Ein Gastbeitrag.

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Kali-Förderung von K+S: Die Veränderungen im Kali-Markt bedrohen den Traditionskonzern in seiner Existenz Quelle: dpa, Montage

Bereits 2011 hatte die WirtschaftsWoche vor einer Investition in K+S gewarnt. Ein Kursrutsch auf 15 Euro sei denkbar, lautete damals das Fazit, bei einem Kurs von 35,20 Euro. Am 6. August dieses Jahres war es so weit. Die Aktie von K+S erreichte im Tagesverlauf 15,02 Euro. Beschleunigt hatte den Kurseinbruch Wladislaw Baumgertner, Chef des Kali-Konzerns Uralkali aus Russland.

Der hatte Ende Juli den Ausstieg seines Unternehmens aus dem mit der weißrussischen Belaruskali gebildeten Exportkonsortium Belarusian Potash Company (BPC) angekündigt. Uralkali wolle in Zukunft seine Kapazitäten voll auslasten und mehr Kali auf den Weltmarkt bringen. Folge des steigenden Angebots: Der Kali-Preis könnte von über 400 auf unter 300 Dollar je Tonne einbrechen. Die Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs erwarten das schon für 2014. Ein Kali-Preis unter 300 Dollar je Tonne würde jedoch die Profitabilität vieler Minen von K+S bedrohen, deren Kosten im Schnitt bei schätzungsweise 265 Dollar pro Tonne liegen dürften. Gefährdet wäre zudem die Rentabilität des Minenprojekts Legacy in der kanadischen Provinz Saskatchewan. K+S will dort rund drei Milliarden Euro für den Bau einer Mine mit einer jährlichen Produktionskapazität von voraussichtlich zwei Millionen Tonnen investieren. Die Produktion soll dort Mitte 2016 starten.

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Die große Bedeutung des Kali-Markts für K+S lässt sich schon am früheren Namen „Kali und Salz“ erkennen. Unter ihm firmierte der Kasseler Konzern bis 1999. Kali- und Magnesiumprodukte steuerten zuletzt rund 60 Prozent zum Umsatz und gar über 90 Prozent zum Konzerngewinn bei, sind also entscheidend für die Profitabilität des Dax-Konzerns. Gleiches gilt für die beiden anderen großen Anbieter auf dem globalen Kali-Markt. Zum einen ist das BPC, zum anderen das nordamerikanische Konsortium Canpotex, gebildet aus den kanadischen Düngemittelkonzernen Potash Corporation of Saskatchewan und Agrium sowie Mosaic aus den USA. Für die globale Kali-Industrie beginnt eine neue Zeitrechnung. Die goldenen Zeiten, die von immensen Gewinnmargen geprägt waren, sind dauerhaft vorbei: Milliardenschwere Kapazitätsinvestitionen kleinerer und neuer Wettbewerber – angetrieben vor allem durch die explodierenden Kali-Preise in der Finanzkrise – haben irreversible Veränderungen eingeläutet, die die Rentabilität im Kali-Bergbau auf Sicht von mindestens einem Jahrzehnt ruinieren werden. Der Prozess ist bereits angelaufen, die Preise kommen ins Rutschen.

Worauf ist diese Entwicklung zurückzuführen? Wie wird sich dieser Markt bis 2020 entwickeln? Welche Möglichkeiten haben die Unternehmen, hier gegenzusteuern?

Schlüsselsubstanz für Landwirtschafts- und Lebensmittelindustrie

Als Schlüsselsubstanz für die Landwirtschafts- und Lebensmittelindustrie hat Kali-Salz eine enorme Bedeutung für das tägliche Leben – direkt für die Produktion von Getreide, Obst und Gemüse, und indirekt für die Herstellung von Viehfutter, Energie und Biokraftstoffen. 2011 wurden mehr als 60 Millionen Tonnen Kali-Salz produziert und verkauft. Damit ließe sich über einen Zeitraum von 1000 Jahren eine Fläche von einer Million Fußballfeldern düngen.

Dieser bisher hochprofitable Markt wurde lange Zeit von den drei großen Anbietern dominiert, die zwischenzeitlich dank strikter Preisdisziplin immens hohe Gewinne einfahren konnten. 2011 kontrollierten BPC, Canpotex und K+S zusammen rund 73 Prozent der weltweiten Kali-Verkäufe und vereinten auf sich 77 Prozent der weltweiten Produktionskapazität.

Als in der Finanzkrise der Kali-Preis bis auf fast 1000 Dollar je Tonne hochschnellte, wurden die Verlockungen zu groß. Kleinere Anbieter planten ihre Expansion und neue Akteure den Markteintritt – allen voran der australisch-britische Rohstoffgigant BHP Billiton.

Das Preisniveau

Kapazitätsinvestitionen in wachsenden Rohstoffmärkten sind eigentlich nichts Ungewöhnliches. Das Ausmaß des Wandels im Kali-Bergbau aber wird deutlich, wenn man versteht, warum das Geschäft bisher so lukrativ war und warum die hohe Profitabilität drastisch und auf viele Jahre zurückgehen wird – und zwar irreversibel. Der Schlüssel dafür ist das Preisniveau. Bisher funktionierte die Preisbildung auf dem weltweiten Kali-Markt so:

Viele kleine Anbieter, die zusammen nur über 23 Prozent der weltweiten Produktionskapazität verfügen, lasten ihre Produktion im Wesentlichen komplett aus. Die drei großen Anbieter hingegen lassen einen Teil ihrer Kapazität ungenutzt und verzichten so zugunsten eines höheren Preises auf Marktanteile. Sie versuchen also, den Preis zu steuern, indem sie das Angebot strategisch verknappen und die Kosten der Unterauslastung tragen.

So schafften es die großen Anbieter, die Kali-Preise nach der Finanzkrise auf einem Niveau von etwa 400 Dollar je Tonne zu halten. Verglichen mit anderen Rohstoffmärkten ermöglichte dieser Preis immer noch relativ hohe Gewinne.

Gewaltige Kapazitätsinvestitionen

Die K+S-Aktie

Die Kapazitätsinvestitionen von kleineren und neuen Wettbewerbern wie BHP sind jedoch so gewaltig, dass sich das Spiel für die drei Großen ändert. Blieben sie bei ihrer bisherigen Strategie und ließen es zu, dass alle anderen Anbieter ihre Kapazitäten voll auslasten, dann würde ihr gemeinsamer Marktanteil von aktuell über 70 Prozent bis 2020 auf unter 20 Prozent einbrechen (siehe Grafik unten).

Dank der durch attraktive Preise angestoßenen gewaltigen Investitionen könnte sich die Anzahl der Kali-Minen bis 2020 verdoppeln. Das zusätzliche Produktionspotenzial der angekündigten und zum großen Teil schon im Bau befindlichen Kapazitätserweiterungen deckt etwa 85 Prozent der weltweiten Kali-Nachfrage ab.

Durchschnittlich müssen für eine Tonne zusätzlicher jährlicher Abbaukapazität zwischen 200 und 1400 Dollar investiert werden. Eine einzelne neue Mine mit beispielsweise 1,8 Millionen Tonnen Abbaukapazität verschlingt also durchschnittlich rund 1,5 Milliarden Dollar. Das ist kein Pappenstiel.

Einige der neuen Projekte aber werden in Zukunft nicht profitabel arbeiten können, weil die drohenden Überkapazitäten einen harten Kampf um Marktanteile auslösen werden. So hat der Bergbaugigant BHP mit dem Bau der weltweit größten Kali-Mine begonnen, ebenfalls in der kanadischen Provinz Saskatchewan. Mit einer geplanten Produktionskapazität von sechs bis acht Millionen Tonnen pro Jahr würde allein diese Mine nach Fertigstellung rund zehn Prozent der globalen Nachfrage abdecken. Weitere etwa 20 Minen anderer Anbieter stecken in der Projektpipeline.

Marktmacht schwindet

Die unmittelbare Reaktion der etablierten Anbieter auf diese Investitionsoffensive bestand darin, ihrerseits mehrere Ausbauprojekte öffentlich anzukündigen. Die Ankündigungen sollten neue Wettbewerber wie BHP von weiteren Kapazitätsinvestitionen abschrecken.

Doch diese Abwehrstrategie lief ins Leere. Zahlreiche Verzögerungen ließen die Ankündigungen der Etablierten immer weniger glaubwürdig erscheinen. Ein großer Teil der budgetierten Investitionen von BHP und anderen Neuen ist bereits in neue Minenprojekte geflossen. Jetzt können die neuen Anbieter nicht mehr zurück – auch wenn sich jetzt zum Beispiel BHP etwas mehr Zeit für die Fertigstellung der Mine nehmen will. Fakt ist: Die Marktmacht der großen, etablierten Anbieter wird signifikant abnehmen. Sie haben die Wahl zwischen Pest und Cholera.

  • Sie könnten versuchen, durch Verknappung und Unterauslastung ihrer Produktionskapazitäten die Lawine der erwarteten Preissenkungen zu verlangsamen. Dadurch müssten sie geringere Absatzmengen und Marktanteilsverluste in Kauf nehmen.
  • Oder sie können sich schnell an die neuen Marktregeln anpassen, indem sie sich über Preissenkungen ihre Absatzmengen sichern. Dadurch würden sich ihre Gewinnmargen allerdings dramatisch verringern, und der Preisverfall im Markt würde sich noch beschleunigen.

Preisverfall?

Kali-Anbieter

Die Preisbildung auf Rohstoffmärkten mit Überkapazitäten und vielen Anbietern lässt sich auf Basis der Kostenstrukturen einzelner Kali-Minen recht stabil schätzen: Je nach Region sind bis 2020 gegenüber dem heutigen Niveau Preisrückgänge zwischen 50 Prozent (China) und 66 Prozent (Europa) plausibel.

Uralkalis Ankündigung, die Exportallianz BPC zu verlassen, lässt sich deshalb als wohlüberlegte Konsequenz dieser revolutionären Entwicklung deuten. Sie verschafft dem russischen Produzenten einen größeren Handlungsspielraum bei Preisen sowie Produktions- und Absatzmengen. Uralkali ist nicht mehr länger bereit, mit einer Unterauslastung der eigenen Kapazitäten für höhere Gesamtmarkt-Preise zu zahlen – weil es den drohenden Preisverfall als unvermeidbar ansieht. Dieser wird eintreten, selbst dann, wenn sich die jüngsten Spekulationen bewahrheiten sollten und Uralkali nach einem Ausstieg von Großaktionär Suleiman Kerimov zur Kooperation innerhalb des Konsortiums zurückkehren würde. Der russische Milliardär hält 22 Prozent am Aktienkapital von Uralkali.

Aus der Industrie ist ohnehin zu vernehmen, dass die Preise bereits ins Rutschen geraten sind. So soll Belaruskali indischen Abnehmern einen Liefervertrag über 360 Dollar je Tonne inklusive Fracht angeboten haben. Canpotex handelt gerade mit China neue Lieferverträge aus, bei denen gar schon Preise von 320 Dollar je Tonne im Gespräch sein sollen. Im Sommer lag der Preis noch komfortabel für alle Anbieter bei über 400 Dollar.

Die absehbaren Konsequenzen für K+S, die zuletzt auch schon Ladungen für 370 Dollar je Tonne verkauft haben soll, sind dramatisch: Setzt sich der Preisverfall fort, wären viele Minen von K+S nicht mehr profitabel. Der in der Vergangenheit größte Werttreiber des Unternehmens würde sich in nichts auflösen.

Zukünftig wird der weltweite Kali-Markt ähnlichen Regeln folgen wie andere globale Rohstoffindustrien mit vielen Anbietern und großen Überkapazitäten. Ein Beispiel ist der Zinn-Markt, auf dem sich nach dem Zerfall eines Kartells 1985 die Preise mehr als halbierten. Erst nach fast 20 Jahren konnten sie sich nachhaltig erholen. Bei falscher Strategie können in solchen Situationen auch große Anbieter in finanzielle Schieflage geraten und im Extremfall ganz vom Markt verschwinden.

K+S und die anderen großen Anbieter haben nicht viel strategischen Spielraum. Die zentralen Handlungsparameter sind das Herunterfahren der Investitionen, die Konzentration auf Kosteneffizienz und ein intelligentes Management von Preisen und Kapazitätsauslastung. Der Versuch, den Übergang zu verhindern und sich mit der alten Strategie für knappe Mengen und hohe Preise gegen die Lawine zu stemmen, wäre keine gute Idee: Dies würde Wert vernichten, die Lawine aber nicht aufhalten.

Anleger sind vorerst gut beraten, einen Bogen um K+S zu machen. Die jüngste Kurserholung bietet eine Gelegenheit zum Verkauf des Dax-Wertes.

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