Einsteigen oder nicht? Wie Top-Banker am Bitcoin-Boom verzweifeln

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JP Morgan auf Schlingerkurs


JP-Morgan-Chef Jamie Dimon gilt als ausgewiesener Bitcoin-Kritiker: Vor zwei Monaten nannte er die Währung „Betrug“, kündigte an, jeden „dummen“ Mitarbeiter zu feuern, der damit handelt. Dimon prognostizierte, die Währung werde in einem Crash enden. Der Hype erinnere ihn an die Spekulations-Manie um Tulpenzwiebeln, die im 17. Jahrhundert in den Niederlanden grassierte. Der Bitcoin tauge allenfalls für „Mörder“ und „Drogenhändler“ oder für Menschen in inflationsgeplagten Schwellenländern wie Venezuela, so Dimon. Auf seine Aussagen folgte heftige Kritik, aber auch Bewunderung für die klare Kante gegenüber dem Bitcoin-Boom. Jetzt sind sie Schnee von gestern.

Einem Bericht des „Wall Street Journals“ zufolge wägt JP Morgan derzeit ab, ob die Bank Kunden die Spekulation auf den Bitcoin-Preis mithilfe von Future-Kontrakten ermöglicht. Deren Auflegung hatte die weltgrößte Terminbörse Chicago Mercantile Exchange (CME) Ende Oktober angekündigt. Bitcoin-Futures sind Terminkontrakte auf die Kryptowährung, mit deren Hilfe sich Anleger gegen Preisschwankungen absichern können. Lange war zweifelhaft, ob die Aufsichtsbehörden grünes Licht geben. Am Montag veröffentlichte die CME jedoch ein Startdatum, 10. Dezember. Ab dann könnten auch JP-Morgan-Kunden mitspekulieren.

Finanzchefin Marianne Lake hatte im Oktober erklärt, die Bank sei „offen“ gegenüber digitalen Währungen, solange diese ordnungsgemäß reguliert seien. Schon heute können Kunden im Bank-Netzwerk Order für Bitcoin-Börsen platzieren. Und mit Goldman Sachs und der schweizerischen UBS arbeitet JP Morgan zusammen, um technische Standards für die Nutzung der Blockchain-Technik, auf der der Bitcoin basiert, zu erarbeiten.

Der Grund für den klammheimlichen Kurswechsel JP Morgans ist Beobachter zufolge schnell ausgemacht: Angesichts der Kursrally und der Nachfrage juckt es den Wall-Street-Bankern schlicht in den Fingern, am Boom mitzuverdienen.

Der Hedge-Fonds-Manager Mike Novogratz, der aktuell einen 500 Millionen Dollar schweren Fonds für Kryptowährungs-Investitionen aufbaut, sieht den Bitcoin Ende des Jahres schon bei 10.000 Dollar. Auch der Kurs der Konkurrenzwährung Ethereum werde von aktuell rund 370 auf 500 Dollar steigen. Der Bitcoin sei eine Art digitales Gold: „Gold hat einen Wert, weil die Menschen daran glauben, dass es einen Wert hat. Der Bitcoin ist auf einer faszinierenden Technologie aufgebaut, und seine Anzahl ist beschränkt“, so Novogratz.

Sollten die Banken sich nicht schnell genug öffnen – andere Akteure stehen in den Startlöchern, an der Krypto-Party mitzuverdienen: zum Beispiel Hochgeschwindigkeitshändler. Fünf der weltweit größten handeln bereits mit Bitcoin; laut Insidern sind die Handelshäuser Jump Trading, Tower Research Capital, Hudson River Trading und Susquehanna International Group am Markt, DRW Holdings bereits seit 2014. Der Plan der Chicagoer Börse, Bitcoin-Futures anzubieten, erleichtert die Wetten der Profis auf Kursgewinne oder Verluste. Zu den Hindernissen gehört bisher eine fehlende Regulierung und die erst entstehende Marktinfrastruktur. So sind Kursdaten im Kryptobereich oft unzuverlässig, teilweise versagen die Zugänge zu den Onlinebörsen. Dennoch beobachten die ersten Hedgefonds den Markt: So will die Man Group Bitcoins handeln, wenn die CME-Futures auf dem Markt sind, ähnliche Pläne hat Insidern zufolge Passport Capital.
Am globalen Boom ändern selbst Eingriffe der Aufsicht nichts. So hat Malaysia am Mittwoch angekündigt, den Handel mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen zu regulieren. Einzelpersonen und Unternehmen, die die Währungen in konventionelles Geld umtauschen wollen, sollen dies ab dem kommenden Jahr melden, teilte die Zentralbank mit. So soll Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung bekämpft werden.

Derartige Nachrichten sind Wasser auf die Mühlen der Bitcoin-Skeptiker. Wie lange sie in den Türmen der Großbanken noch Gehör finden, ist offen. Die spekulationsfreudigen Kunden stehen bereits vor der Tür.

Mit Material von Reuters und Bloomberg.

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