Einsteigen oder nicht? Wie Top-Banker am Bitcoin-Boom verzweifeln

Der Bitcoin-Kurs explodiert und entzweit die Banken. Während die Deutsche Bank vor der Kryptowährung warnt, steigt das US-Institut JP Morgan ein. Und das, obwohl dessen Chef den Bitcoin als „Betrug“ geißelte.

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Bitcoin: Top-Banker verzweifeln am Boom der Kryptowährung Quelle: dpa

Der Bitcoin-Boom setzt die Großbanken unter Zugzwang. Am Mittwoch erreichte der Kurs der Digitalwährung mit 8.354 Dollar zeitweise einen neuen Rekord, nachdem er am Dienstag noch binnen Minuten um 500 Dollar gefallen war. Seit Jahresanfang hat er sich mehr als verachtfacht. Privatanleger wie institutionelle Investoren klopfen immer öfter bei den Banken an – mit Beratungsbedarf oder Kaufaufträgen.

Angesichts der boomenden Nachfrage müssen die Top-Banker eine Linie festlegen. Hatten sie die Kryptowährung, die 2008 in Opposition zum klassischen Finanzsystem erschaffen worden war, lange kritisch beäugt, so weicht die Front der Ablehnung 2017 immer weiter auf. Doch wo ein geschlossenes Auftreten der Branche nötig wäre, herrscht heute vor allem eines: Konfusion.

Die Deutsche Bank hat am Mittwoch klargestellt, wo sie steht: im Lager der Skeptiker. Das größte deutsche Institut warnt vor Investitionen. „Ich würde das dem normalen Anleger schlichtweg nicht empfehlen“, sagte ihr Chefanlage-Stratege Ulrich Stephan. Geldanlagen in Bitcoin und andere Kryptowährungen seien nicht mehr als die Hoffnung, dass man irgendeinen Gegenwert bekomme. Die Schwankungen seien zu hoch und der ganze Bereich sei noch völlig unreguliert. Er sei verwundert darüber, dass deutsche Anleger zurückhaltend mit Aktien seien, derzeit aber so ein Hype um Bitcoin herrsche, so Stephan.

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Mit ihrer ablehnenden Haltung unterscheidet sich die Deutsche Bank von anderen großen Geldhäusern. „Immer mehr traditionelle Investoren werden auf das Thema aufmerksam, begreifen den Bitcoin und andere Kryptowährungen als eine neuartige Asset-Klasse“, sagt Philipp Sandner, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management.

Zu den aufgeschlossenen Top-Bankern gehört James Gorman. Der Morgan-Stanley-Chef ist der Meinung, der Bitcoin sei mehr als nur eine Modeerscheinung. „Das ist mehr als eine Masche“, erklärte er Ende September, vielmehr handele es sich um ein „sehr interessantes“ Konzept. Er selbst hat nach eigener Aussage aber nicht in Bitcoins investiert. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, betonte ebenfalls die Vorteile digitaler Zahlungen, und erklärte, dass virtuelle Währungen ernstgenommen werden müssten. Man dürfe sie „nicht kategorisieren“, so Lagarde. Auch die Großbank Citigroup will Kryptowährungen genauer untersuchen.

Einen Schritt weiter ist die Investmentbank Goldman Sachs. Sie prüft einen Einstieg in den Bitcoin-Handel, hat im Sommer die erste Preisprognose veröffentlicht. Goldman-Chef Lloyd Blankfein erklärte, vielleicht stelle der Bitcoin die nächste Entwicklungsstufe des Geldes dar. Auf Twitter schrieb er, dass es auch seinerzeit Skepsis gegeben habe, als Papiergeld Gold als Zahlungsmittel verdrängte. In seinem jüngsten Interview betont Blankfein allerdings, er möge den Bitcoin nicht.

Eine Melange aus Ablehnung und Neugier: Die skeptische Haltung vieler Top-Banker ist ins Wanken geraten. Pauschalkritik wie jene von Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam („die exakte Definition einer Blase“), Neil Dwane vom Vermögensverwalter Allianz Global Investors („ein Schwindel für Kriminelle“) und Larry Fink von der Fondsgesellschaft Blackrock („ein Index für Geldwäscher“) dringt derzeit seltener aus den Türmen der Banken.

JP Morgan auf Schlingerkurs


JP-Morgan-Chef Jamie Dimon gilt als ausgewiesener Bitcoin-Kritiker: Vor zwei Monaten nannte er die Währung „Betrug“, kündigte an, jeden „dummen“ Mitarbeiter zu feuern, der damit handelt. Dimon prognostizierte, die Währung werde in einem Crash enden. Der Hype erinnere ihn an die Spekulations-Manie um Tulpenzwiebeln, die im 17. Jahrhundert in den Niederlanden grassierte. Der Bitcoin tauge allenfalls für „Mörder“ und „Drogenhändler“ oder für Menschen in inflationsgeplagten Schwellenländern wie Venezuela, so Dimon. Auf seine Aussagen folgte heftige Kritik, aber auch Bewunderung für die klare Kante gegenüber dem Bitcoin-Boom. Jetzt sind sie Schnee von gestern.

Einem Bericht des „Wall Street Journals“ zufolge wägt JP Morgan derzeit ab, ob die Bank Kunden die Spekulation auf den Bitcoin-Preis mithilfe von Future-Kontrakten ermöglicht. Deren Auflegung hatte die weltgrößte Terminbörse Chicago Mercantile Exchange (CME) Ende Oktober angekündigt. Bitcoin-Futures sind Terminkontrakte auf die Kryptowährung, mit deren Hilfe sich Anleger gegen Preisschwankungen absichern können. Lange war zweifelhaft, ob die Aufsichtsbehörden grünes Licht geben. Am Montag veröffentlichte die CME jedoch ein Startdatum, 10. Dezember. Ab dann könnten auch JP-Morgan-Kunden mitspekulieren.

Finanzchefin Marianne Lake hatte im Oktober erklärt, die Bank sei „offen“ gegenüber digitalen Währungen, solange diese ordnungsgemäß reguliert seien. Schon heute können Kunden im Bank-Netzwerk Order für Bitcoin-Börsen platzieren. Und mit Goldman Sachs und der schweizerischen UBS arbeitet JP Morgan zusammen, um technische Standards für die Nutzung der Blockchain-Technik, auf der der Bitcoin basiert, zu erarbeiten.

Der Grund für den klammheimlichen Kurswechsel JP Morgans ist Beobachter zufolge schnell ausgemacht: Angesichts der Kursrally und der Nachfrage juckt es den Wall-Street-Bankern schlicht in den Fingern, am Boom mitzuverdienen.

Der Hedge-Fonds-Manager Mike Novogratz, der aktuell einen 500 Millionen Dollar schweren Fonds für Kryptowährungs-Investitionen aufbaut, sieht den Bitcoin Ende des Jahres schon bei 10.000 Dollar. Auch der Kurs der Konkurrenzwährung Ethereum werde von aktuell rund 370 auf 500 Dollar steigen. Der Bitcoin sei eine Art digitales Gold: „Gold hat einen Wert, weil die Menschen daran glauben, dass es einen Wert hat. Der Bitcoin ist auf einer faszinierenden Technologie aufgebaut, und seine Anzahl ist beschränkt“, so Novogratz.

Sollten die Banken sich nicht schnell genug öffnen – andere Akteure stehen in den Startlöchern, an der Krypto-Party mitzuverdienen: zum Beispiel Hochgeschwindigkeitshändler. Fünf der weltweit größten handeln bereits mit Bitcoin; laut Insidern sind die Handelshäuser Jump Trading, Tower Research Capital, Hudson River Trading und Susquehanna International Group am Markt, DRW Holdings bereits seit 2014. Der Plan der Chicagoer Börse, Bitcoin-Futures anzubieten, erleichtert die Wetten der Profis auf Kursgewinne oder Verluste. Zu den Hindernissen gehört bisher eine fehlende Regulierung und die erst entstehende Marktinfrastruktur. So sind Kursdaten im Kryptobereich oft unzuverlässig, teilweise versagen die Zugänge zu den Onlinebörsen. Dennoch beobachten die ersten Hedgefonds den Markt: So will die Man Group Bitcoins handeln, wenn die CME-Futures auf dem Markt sind, ähnliche Pläne hat Insidern zufolge Passport Capital.
Am globalen Boom ändern selbst Eingriffe der Aufsicht nichts. So hat Malaysia am Mittwoch angekündigt, den Handel mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen zu regulieren. Einzelpersonen und Unternehmen, die die Währungen in konventionelles Geld umtauschen wollen, sollen dies ab dem kommenden Jahr melden, teilte die Zentralbank mit. So soll Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung bekämpft werden.

Derartige Nachrichten sind Wasser auf die Mühlen der Bitcoin-Skeptiker. Wie lange sie in den Türmen der Großbanken noch Gehör finden, ist offen. Die spekulationsfreudigen Kunden stehen bereits vor der Tür.

Mit Material von Reuters und Bloomberg.

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