In meiner heutigen Kolumne möchte ich einmal einen Blick auf Deutschland werfen. Die Medien werden beherrscht von Kritik, Verunsicherung und Politikverdrossenheit. Auch ich rege mich laufend über die vielen Unzulänglichkeiten, die Idiotie und die Unvernunft auf der politischen Bühne auf. Es ist oft zum Verzweifeln: So vieles könnte mit einfachen Mitteln besser gemacht werden.
Doch hin und wieder lohnt es sich im Leben, sich aus dem täglichen „Klein-Klein“ zu erheben, in Ruhe auf den Globus zu schauen und die Dinge aus der großen Perspektive zu betrachten.
Fangen wir mit einem kurzen historischen Abriss der vergangenen 100 Jahre an. Es ist schon erstaunlich, was die deutsche Bevölkerung da alles zu stemmen hatte. Im Vergleich zu anderen Nationen, wie beispielsweise Schweden, der Schweiz oder Australien, ist es ein wuchtiges Paket an „Horror, Traumata und Last“:
Der Zusammenbruch des Kaiserreichs, das Regime von 1933, die Ära der Fremdbestimmung durch die Siegermächte – im Osten wie im Westen Deutschlands. Dann auf der Währungsseite erst die Aufweichung der Deutschen Mark durch die Übernahme der „Ostmark“, anschließend die Einbringung der Deutschen Mark in den Euro und schließlich die Rolle des Hauptfinanziers der Brüsseler EU-Politik. Das ist schon eine ganz andere Story als in Manhattan...
Zur Person
Nach einer Industriekarriere ist Elsässer seit 1998 selbständiger Value Investor und gründete vor dreizehn Jahren den Value Fonds "ME Fonds - Special Values“ (www.aqualutum.de). Elsässer wuchs in London, Hongkong und Paris auf. Nach Banklehre und Wirtschaftsstudium in Köln arbeitete er in einer Wirtschaftsprüfungs-Sozietät, als Finanzdirektor bei Dow Chemical Deutschland, in Sydney für Benckiser und in Singapur für die Storck Gruppe. Darüber hinaus arbeitete er einige Jahre eng mit dem New Yorker Investor Guy Wyser-Pratte zusammen, mit dem er unter anderem 2001 gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall zu Felde zog. Im Jahr 2012 gründete er mit dem Profifußballer Simon Rolfes das Sport-Management Unternehmen Rolfes & Elsässer - The Career Company.
Und trotz all dieser Hemmnisse, Rückschläge und Behinderungen steht Deutschland besser da denn je. Dies hat nicht so sehr mit der politischen Ausrichtung als mit der Einstellung der meisten Deutschen zum Leben und mit der tief verankerten Arbeitsethik zu tun. Die ganz große Mehrheit der Nation versucht sich nach Kräften Tag für Tag einzubringen und einen guten Job zu machen. Und zwar vom Auszubildenden bis zum mittelständischen Unternehmer. Die vielen Ausnahmen der „systematischen Verweigerer" oder "Trittbrettfahrer" sowie der ungerechtfertigten "Nutznießer des Sozialapparats“ bilden eben am Ende des Tages doch nur eine Minderheit. Aber diese steht im Rampenlicht der öffentlichen Medien und politischen Aufmerksamkeit.
Die Versorgung der deutschen Bevölkerung ist einmalig gut
Ich selbst bin im Ausland aufgewachsen. London, Hong Kong und Paris. Ich habe in Australien und in Asien gearbeitet. Für meinem Beruf als internationaler Value-Investor reise ich permanent durch die Welt. Ich hätte es früher nicht für möglich gehalten und bin selbst überrascht, wie ich vom Saulus zum Paulus bekehrt wurde. Meine Feststellung ist heute ganz eindeutig: Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren ganz enorm entwickelt.
Deutschland ist nicht nur der berühmte Exportweltmeister. Die eigentliche Krönung der nationalen Leistung ist die dezentrale Infrastruktur. Die Versorgung der Bevölkerung ist einmalig gut. Im hintersten Winkel sind jeden Morgen die Regale mit Waren gefüllt, überall funktioniert die Energieversorgung, stets gibt es sauberes Wasser, die Müllabfuhr funktioniert verlässlich. Im Vergleich zu den fünfziger und sechziger Jahren ist der Ausbildungssektor regelrecht erblüht. Man hat den Eindruck, dass es bald in jedem vierten Ort eine Fachhochschule oder sonstige Ausbildungsanstalt gibt. Die Vielfalt neuer Berufsangebote ist gewaltig. In vielen Städten gibt es alternative Schulangebote, alle auf engem Raum nahe beieinander.
Deutschland ist ein preiswertes Land geworden. Es gibt kaum Länder, wo die Nahrungsmittel so billig angeboten werden. Im internationalen Vergleich ist die Bauqualität der Häuser und Wohnungen ungewöhnlich gut. Und diese Bauqualität ist auch für „kleineres Geld“ zu haben. Wer bereit ist, aus den Zentren der „angesagten“ Metropolen wie Hamburg oder München zu ziehen, der findet meist schon eine halbe Stunde entfernt Immobilienangebote zum halben Preis.
Gute Infrastruktur gibt es in Deutschland zum kleinem Preis
Wer bereit ist, nochmals ein Stück weiter hinauszuziehen, kann äußerst preiswert leben. Und dort kann er in der Regel die gleiche gute Infrastruktur genießen. Immer mehr Menschen können davon in Deutschland profitieren: vor allem die Rentner sowie die immer grösser werdende Zahl der „Home-Office- und Skype“-Arbeiter. Leben auf einem angenehmen Niveau, nahezu losgelöst vom Einkommen für den der mobil ist.
Diese soziale Sicherheit auf einem hohen infrastrukturellen Niveau auch für „kleinere Portemonnaies“ ist nur selten auf der Welt anzutreffen. Wenn Sie beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika ihren Job verlieren und Sie sich immobilienmäßig verkleinern müssen, droht Ihnen ein Umzug in eine „slumartige“ Nachbarschaft. Die Wohnviertel liegen oft nur einen Straßenzug von einander getrennt.
Bildung ist preiswert und gut
Zum Schulsystem: Was habe ich mich über die Experimente der Beamten im Schulministerium mit den ständigen Änderungen im Lehr-Curriculum sowie mit der verkürzten Schulzeit aufregen müssen. Doch, wenn ich heute meine Praktikanten im Büro anschaue, dann muss ich sagen: Da wächst eine ganz tüchtige junge Generation nach. Leute, die mir gut gefallen.
Times Higher Education-Ranking 2016: Das sind die besten deutschen Unis
Seit 2004 kürt das britische Magazin "Times Hgher Education" die 100 besten Universitäten der Welt. Für das Ranking werden nicht nur die Qualität und das Renommee von Forschung und Lehre bewertet, sondern auch die Internationalität der Hochschulen und das Forschungsbudget. Unter die Top 100 haben es in diesem Jahr auch neun deutsche Hochschulen geschafft.
Die Uni Freiburg ist die erste deutsche Hochschule, die im Ranking auftaucht. Im vergangenen Jahr noch auf Platz 84 reicht es für die Hochschule im baden-württembergischen Breisgau dieses Jahr nur noch für Platz 95.
Etwas besser steht die Uni Tübingen da: Sie belegt, gemeinsam mit dem Korea Advanced Institute of Science and Technology, Platz 89.
Technische Universität Berlin
Die 1879 gegründete TU Berlin ist 2016 erstmals im Ranking vertreten und belegt Platz 82. Die Uni glänzt besonders in den Naturwissenschaften, Wirtschaftsingenieurwesen und in Informatik.
Obwohl die RWTH Aachen in Deutschland als die Adresse für Informatik, Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau gilt, reicht es im internationalen VErgleich nur für Platz 78. Im Vergleich zum Vorjahr hat die RWTH damit vier Plätze gut gemacht. Mit ihrem Zukunftskonzept „RWTH 2020“ hat sie sich zum Ziel gesetzt, bis zum Ende des Jahrzehnts eine der weltweit besten „integrierten interdisziplinären technischen Hochschulen“ zu werden.
Auf Platz 75 folgt die Freie Universität Berlin - eine von drei Berliner Unis, die es unter die Top 100 geschafft haben.
Deutlich weiter vorne - nämlich auf Platz 57 - liegt die zweite Berliner Alma Mater: Die Humboldt-Universität. Sie teilt sich die Platzierung mit der Washington University in St Louis.
Die Technische Universität München belegt Platz 46. Im Vorjahr lag die Tu noch auf dem 53. Rang. Unter den deutschen Unis im Times-Ranking reicht diese Wertung für den dritten Platz.
Die Uni Heidelberg, geistige Heimat zahlreicher Juristen, belegt international Platz 43. Diesen Rang teilt sie sich mit der Universität Hong Kong. Unter den deutschen Hochschulen ist die 1386 gegründete Uni jedoch die Nummer zwei. Noch besser schneidte nur eine im internationalen Vergleich ab.
Wie schon 2015 ist die Ludwig-Maximilians-Universität München Deutschlands beste Uni. International belegt sie Rang 30.
Kaum ein Land bietet so preiswerte Universitäts- und weiterführende Ausbildungen an wie Deutschland. Der Einrichtung und Pflege der deutschen Lehre, sei es in Handwerk oder in kaufmännischen Ausbildung, gebührt meiner Meinung nach ein Nobel-Preis.
Als ich jung war, träumten meine Freunde und ich in Westdeutschland von einem freieren und preiswerten Leben in Rhodesien, in Uruguay oder in Neuseeland. Das hat sich total geändert. Heute haben wir die Angebote vor der Haustür, in schönster Landschaft und Sicherheit: beispielsweise in der Oberlausitz oder in der Eifel, um nur zwei Regionen zu nennen.
Die Welt zieht nach Deutschland
Viele Ausländer haben die Attraktivität von Deutschland erkannt. Es ist ja komplett irreführend, wenn wir nur auf die politischen Flüchtlinge, die "Willkommenskultur“ und die offerierten Sozialleistungen schauen. Seit zehn Jahren ziehen immer mehr Menschen aus der ganzen Welt nach Deutschland. In Berlin leben alleine 20.000 Israelis. Diese Menschen kommen nach Deutschland, weil es sich hier so gut leben lässt.
Ich habe viel Verständnis für diejenigen, denen die aktuellen Verhältnisse im Land arg an die Nerven gehen. Zur Linderung der Schmerzen empfehle ich: Gehen Sie auf Reisen. Aber legen Sie sich nicht im Holiday Resort an den Strand oder feiern Sie mit Ihren Freunden von zu Hause auf der Partymeile. Entdecken Sie Land und Leute, wie man früher sagte.
Mein Großvater, der als Kaufmann vor dem Zweiten Weltkrieg in Südamerika tätig war, sagte immer: Den einen kann man um die ganze Welt schicken, und er kommt doch mit dem gleichen Kragen zurück. Und der andere, der ist nach seiner Reise ein anderer Mensch. Ich bin gespannt auf Ihre Sicht auf „mein Value-Paradies“ - Deutschland.