Elsässers Auslese

Ist mein Aktiendepot richtig strukturiert?

Markus Elsässer Value Investor

Mit dem Wegfall der Zinseinnahmen ist der Weg in die Aktie für Kapitalanleger vorgezeichnet. Doch wie soll man sein Depot richtig strukturieren? Zwei wichtige Tipps.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
DAX Quelle: dpa

Es wird schwer werden für viele Geldanleger. Sie waren gewohnt, Ihr Geld auf Sparbüchern, Festgeldern oder in Anleihen zinsbringend anzulegen. Da konnten selbst große Kapitalbeträge jahrelang „ohne viele Gedanken“ vor sich her geschoben werden. Wer sich bei den Anleihen auf eine gute Bonität des Schuldners konzentrierte hatte de facto kein Risiko.

Durch die jährlich festen Zinseinnahmen hatte der Anleger einen automatischen Puffer gegenüber Schwankungen in dem Teil seines Vermögens, welches er in anderen Anlageklassen, wie zum Beispiel in Aktien oder Gold, investiert hatte. Das hatte zur Folge, dass viele Anleger mit einer entspannten Haltung an das Thema ihrer Kapitalanlage herangingen und sich nicht allzu viel Mühe damit machten.

Bei der weit verbreiteten Aufteilung früherer Jahre, 25 Prozent in Festgeldern und Barmitteln, 50 Prozent in Anleihen und 25 Prozent in Aktien anzulegen, beschäftigten sich die Sparer nicht sehr intensiv mit der Aktienquote. Diese wurde eher als Beimischung betrachtet. So nach dem Motto: Wenn es denn sein muss... Große strategische Überlegungen wurden gar nicht angestellt.

Typischerweise bangte der Bankberater oder Vermögensverwalter den Jahresendgesprächen mit seinen Kunden entgegen. Wehe, wenn die vorgeschlagenen Aktien im Verlauf der vergangenen zwölf Monate an Wert verloren hatten. Dann gab es bei den meisten Anlegern ein Donnerwetter. „Da haben wir es wieder. Immer mit diesen Aktien. Die Börse ist doch einfach ein Casino. Wir haben es ja gleich gewusst. Hätten wir uns bloß nicht bequatschen lassen.“ Fazit: Verringerung der Aktienquote zu Gunsten der Anleihen. Alterantiv wurde der Kauf einer Vermietungsimmobilie in Angriff genommen.

Anfang des Umdenkens

Nun, die Zeiten haben sich geändert. Seit geraumer Zeit hat sich die Welt der Geldanleger komplett und wahrscheinlich für lange Zeit geändert. Wir stehen noch am Anfang des Umdenkens. Der Prozess, sich wirklich Gedanken zu machen, welchem Risiko der Anleger sein Kapital aussetzen soll, hat erst langsam angefangen. Noch stapeln sich die liquiden Mittel zinslos auf den Bankkonten.

Die Minus-Zinsen fressen sich durch
Platz 10: ShellDer Ölkonzern hat zwei Euro-Anleihen im Wert von insgesamt 3,5 Milliarden ausstehen, bei denen Anleger, die sie jetzt kaufen und bis zur Fälligkeit halten, draufzahlen. Damit rentieren 27 Prozent der auf Euro lautenden Shell-Bonds im Negativ-Bereich. Bei der in acht Monaten fälligen Anleihe liegt die Rendite bei minus 0,09 Prozent, bei der fünfjährigen bei minus 0,06 Prozent. Die großen Ratingagenturen bewerten die Bonität von Shell im Schnitt mit A und damit als gut. Quelle: dpa
Platz 9: SnamDer italienische Gasnetzbetreiber – eine Abspaltung des Versorgers Eni – ist mit vier Anleihen im Wert von zusammen 3,8 Milliarden Euro am Markt, die im Minus rentieren. Das sind die Hälfte aller Euro-Eni-Bonds. Die Minus-Renditen reichen von 0,14 Prozent für neunmonatige und 0,03 Prozent für ein dreieinhalbjähriges Papier. Das durchschnittliche Rating liegt im Bereich Dreifach-B für mittlere Bonität. Quelle: PR
Platz 8: SiemensBeim deutschen Industriekonzern liegen die Renditen von 79 Prozent aller ausstehenden herkömmlichen Euro-Bonds im negativen Bereich. Minus-Renditen gibt es dabei bei drei Papieren im Volumen von 4,85 Milliarden Euro. Die Renditen liegen bei minus 0,27 Prozent (Restlaufzeit fünf Monate) und minus 0,19 Prozent (Restlaufzeit viereinhalb Jahre). Die Bonität liegt bei Einfach A für eine gute Kreditwürdigkeit. Quelle: dpa
Platz 7: CarrefourDer französische Einzelhandelskonzern hat vier Bonds über zusammen vier Milliarden Euro mit negativen Renditen ausstehen. Das entspricht 62 Prozent der ausstehenden Bonds. Bis zu Laufzeiten von gut viereinhalb Jahren zahlen Anleger bei Carrefour drauf: Die Rendite des im April 2021 fälligen Papiers liegt hauchdünn im Minus bei minus 0,002 Prozent. Bei einer schon im nächsten Juli fälligen Anleihe sind es minus 0,22 Prozent. Dabei ist die Bonität mit Dreifach-B nur mittel. Quelle: dpa
Platz 6: DaimlerDer deutsche Autokonzern zählt zu den größten Schuldnern am Euro-Bondmarkt mit Papieren über insgesamt 16 Milliarden Euro. Davon rentieren vier Anleihen im Wert von zusammen vier Milliarden Euro und somit ein Viertel aller ausstehenden herkömmlichen Daimler-Anleihen im Minus. Betroffen sind Papiere mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren, Hier liegt die Rendite bei minus 0,02 Prozent, bei dem in zwei Monaten fälligen Siemens-Bonds sind es 0,4 Prozent. Quelle: AP
Platz 5: VinciVon den Anleihen des französischen Baukonzerns rentieren 58 Prozent im negativen Bereich. Betroffen sind sechs Bonds im Umfang von insgesamt 4,,57 Milliarden Euro mit Laufzeiten bis zu drei Jahren. Beim dreijährigen Papier liegt die Rendite bei minus 0,02 Prozent, bei einem in zwei Monaten fälligen bei minus 0,4 Prozent. Die Bonität bewerten die Ratingagenturen im Bereich Einfach-A. Quelle: dpa
Platz 4: EngieBis zum Frühjahr vergangenen Jahres hieß der im Schnitt ebenfalls mit A-Rating bewertete französische Versorger noch GDF Suez. Von seinen Anleihen rentiert die Hälfte im Minus. Betroffen sind sechs Bonds über zusammen fünf Milliarden Euro. Die längste Laufzeit beträgt gut vier Jahre, die Rendite bei dieser Anleihe liegt für Käufer aktuell bei minus 0,1 Prozent. Bei einem in einem halben Jahr fälligen Papier sind es minus 0,18 Prozent. Quelle: REUTERS

Immer weniger sind die Sparer bereit, ihrem alten Anlagemodell zu folgen. Die aktuellen Angebote bei den Anleihe-Emissionen sehen verheerend aus. Kürzlich sind Industrieanleihen zu „Null-Prozent“ mit einer Laufzeit von drei Jahren Laufzeit auf den Markt gekommen und überzeichnet worden. Da frage ich mich, welcher normale Mensch geht denn so mit seinen Ersparnissen um?

Der Weg ist klar vorgezeichnet: Bei den liquiden Kapitalvermögen wird in den kommenden Jahren kein Weg an den Aktien vorbeiführen. Den Sparern wird nicht viel anderes übrig bleiben, als sich mit dem Thema „Aktie“ zu beschäftigen. Jeder einzelne wird da sein eigenes Risikoprofil finden müssen. 

Berater sind gefordert

Das bedeutet zweierlei: Der Auswahl der richtigen Aktien oder Aktienfonds kommt eine ganz andere Bedeutung zu als in der Vergangenheit. Hier muss sich der Anleger der Aufgabe stellen und wirklich strategische Überlegungen anstellen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der Unmut und Frust über die Banken und Berater massiv zunimmt. Denn in dieser neuen Konstellation stellen viele Sparer überhaupt erst einmal fest, wie wenig an Fachwissen und Hilfe ihnen geboten wird. Die Defizite in der Beratung treten offen zu Tage. Das Postulat dieser Tage lautet daher: Millionen von Anleger brauchen bessere Betreuung bei ihren Finanzen.

Zum anderen sollte der Anleger sich genau überlegen, wie er sein Aktiendepot strukturieren soll. Dieser Aspekt wird weitestgehend übersehen. Da werden kreuz und quer Aktien hin und her gekauft, je nach Laune, Börsenlage oder Kassenhaltung. Eine klare Struktur im Aktiendepot trägt aber mit wesentlich zur Risikominimierung bei.

Es sind so oft ganz simple und erprobte Regeln für ein Aktiendepot, die dem Anleger einen zusätzlichen Halt geben. Das praktizieren wir in unserem Value Fonds „ME Fonds - Special Values“ erfolgreich nunmehr schon im 15. Jahr.

Worauf legen wir wert?

Erstens sollte ein Aktiendepot nur eine begrenzte und feste Anzahl von Positionen enthalten. Ich nenne dies: „Meine Parkplätze“. Ist der Parkplatz voll, ist eben kein Platz für einen weiteren Zukauf von einer neuen Aktie. Das diszipliniert ungemein. Denn bevor ich mich emotional zu einem weiteren Engagement hinreißen lasse, muss ich erst einmal eine alte Aktie im Depot verkaufen. Und dabei stellt sich dann die Frage: ist die neue Aktie denn wirklich so viel besser als die alte Idee?

Das hört sich so nach gar nichts an. Aber Sie glauben gar nicht, wie viele Depotaufstellungen ich im Verlauf meines Lebens schon gesehen habe, die sich über sechs Seiten erstreckten und 70 Aktienposten enthielten. „Wegen des Risikoausgleichs“, heißt es dann immer. Das ist ein grober Unfug. Ab einer gewissen Anzahl von Aktien kann kein Mensch mehr den Überblick behalten, wie es bei den einzelnen Unternehmen zugeht. Also schlummern die Risiken im Wust des Depots und das Ganze basiert lediglich auf der Hoffnung: „Wenn ich so viel Verschiedenes habe, dann wird schon nichts Böses passieren“.

Ich halte nichts von diesem „Gießkannen-Prinzip“. Hauptsache man bewässert unbedacht eine große Fläche, irgendwo wird schon etwas sprießen? Ich wässere lieber ganz gezielt, was ich auch mit vollem Verstand als Setzling gepflanzt habe. Ob sie nun 25 oder 35 Aktienposten für Ihr Depot auswählen, das ist reine Geschmacksache und ganz Ihnen überlassen. Aber mehr Aktien sollten es wirklich nicht sein.

Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln

Und nun kommt die zweite wichtige Empfehlung: Gewichten Sie Ihre Aktien gleichermaßen. Also, wenn Sie sich für 30 Positionen in Ihrem Depot entscheiden, dann sollte jeder Aktienposten etwa drei Prozent des Depotvolumens einnehmen. Sind es 25 Aktien, dann wird in jede Ihrer Aktien oder Aktienfonds vier Prozent investiert.

Klumpenrisiken bei Aktienverliebten

Warum ist dies von Bedeutung?  Es verhindert zum einen, dass die „Pferde mit Ihnen durchgehen“. Es ist gar nicht so selten, dass man sich in eine gewisse Aktie „verliebt“. Da ist man total überzeugt, glaubt besonderes Wissen zu besitzen, kauft unverdrossen bei fallenden Kursen nach, und ehe man sich versieht, hat man ein „Klumpenrisiko“ im Depot. So ein Aktienposten nimmt dann plötzlich 15 Prozent des Depotvolumens ein. Das ist ein gefährliches Einzelrisiko. Davon halte ich nichts.

Zum anderen sorgt die emotionslose Gleichgewichtung der Posten dafür, dass Sie sich besser überlegen, ob Sie der Aktie oder dem Aktienfonds wirklich vertrauen. Denn Sie müssen ja drei oder vier Prozent des Depots (in unserem Fallbeispiel oben) dann auch investieren. Da braucht es eine bewusste und klare Entscheidung.

Wie sieht es aber in der Realität meistens aus? Der Anleger hört von einer vermeintlich interessanten Aktie, der Berater empfiehlt ein Papier, der Anleger ist sich nicht schlüssig, will aber auch nicht Nein sagen. „Ach, dann kaufen Sie mal für 10.000,- Euro“, so heißt es dann und der Anleger hat schon wieder einen „angebissenen Apfel“ ohne große strategische Überlegung im Depot „rumliegen“. So wird das nichts, das kann ich Ihnen versichern.

Also: Wenn es um Ihr Aktiendepot geht, bitte nehmen Sie sich vor, eine feste und disziplinierte Struktur anzusteuern. Legen Sie eine nicht allzu große Anzahl an „Parkplätzen“ im Depot fest und verteilen Sie Ihre Investments in gleichen Größen auf die jeweilige „Parkposition“.

Faire Chance auf Gewinn- und Verlustausgleich

Das machen Sie natürlich nicht alles auf einen Schlag, sondern bauen das nach und nach auf. Schritt für Schritt kommen Sie dann Ihrem Depot-Endziel näher. Nach einer Weile haben Sie schließlich, zum Beispiel, 30 gute Aktien oder Aktienfonds zu je drei Prozent im Depot.

Sie werden sehen, was das für ein gutes Gefühl sein wird. Sie wissen, was Sie haben, wo Ihr Geld eigentlich sitzt und können der Entwicklung ruhig entgegen sehen. Die eine Aktie wird sich besser als die andere im Kurs entwickeln. Aber Sie haben eine faire Chance, dass sich das Eine mit dem Anderen per Saldo schön ausgleichen wird.

Wenn Sie dieses Strukturmodell im Depot beharrlich durchhalten und beherzigen, dann haben Sie auch bei weiteren Geldzuflüssen keine Kopfschmerzen. Sie wissen ja, nach welcher Methode die neuen Mittel ins Aktiendepot zu fließen haben. Immer nach festen Prozentanteilen auf die „Parkplätze“. Das wird Ihnen viel Ruhe geben. Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei. Wachsen Sie in die Größe. Sie haben es verdient.

 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%