Elsässers Auslese

Warum es an der Börse rumpelt

Seite 2/2

Schar der Geldanleger als Spielball des Systems

Verliert beispielsweise eine Aufwärtsbewegung der Kurse an Momentum, lassen sich immer weniger Anleger dazu bewegen, Aktien zu kaufen, dann muss etwas passieren. Früher oder später testet in diesem Fall die Börsen-Maschinerie, ob sich mit der entgegengesetzten Richtung, also mit fallenden Kursen, nicht mehr Umsätze generieren lassen. Die Schar der Geldanleger wird zum Spielball des Systems. Es müssen nun Argumente her, damit die Kursänderung auch an Fahrt aufnehmen kann. Ist das Votum für fallende Kurse hinter den Kulissen erst einmal gefallen, so werden Nachrichten entsprechend negativ interpretiert und lanciert.

Betrachten wir nun das aktuelle Szenario, die vergangenen Wochen mit ihren teils dramatischen Kursstürzen der Aktien. Drei Argumente werden weltweit permanent als Begründung angeführt:

Das Wachstum in China verlangsamt sich. Aber 2015 lag es bei 6,8 Prozent. Eine Beruhigung nach einem so hohen Niveau würde in einem anderen „Umfeld“ als gesund und positiv angesehen werden.

Die zweite Bedrohung der Börse: Der sinkende Ölpreis. Tatsächlich sind die Aussichten der meisten Firmen besser denn je, dank tiefer Einstandskosten beim Öl. Allen Unternehmen, die chemische Produkte verarbeiten, von Waschmitteln bis zu Automobilzulieferern, winken dank tiefer Ölpreise höhere Gewinnmargen. Schauen Sie sich mal zu Hause und bei der Arbeit um, wo überall Chemie verarbeitet ist. Und Chemie besteht im Kern aus Öl und Salz. Wird denn ein stark anspringender Ölpreis – sagen wir von 30 Dollar auf 110 Dollar – dann positiv von den Börsenmachern bewertet werden?

Es wird weiter gekauft

Das dritte Bild der Börsenbedrohung: Die sich verdüsternde Weltwirtschaft. Tatsache ist, dass Audi und Daimler 2015 einen Rekordabsatz verzeichnen konnten. Bewusster Konsumverzicht ist weltweit kaum anzutreffen. Die Restaurants sind voll, die Menschen kleiden sich jedes Jahr neu ein, es wird so viel gereist wie noch nie. Unser Schreiner ist auf ein Jahr ausgebucht. Auch anderen Handwerksbetrieben geht es gut. Große Unternehmen fahren gewaltige Milliarden-Gewinne ein. Viele Unternehmen haben gar keine Bankschulden mehr. Deutschland hat erneut ein Rekord-Exportergebnis erzielt. Trotz geringerer Einnahmen der Ölförderländer. Haben sich die Aussichten für den Verkauf der Nivea-Dose und von Fielmann-Brillen seit Jahresanfang verschlechtert? Sind die privaten Eigentümer der DM-Drogerie, von Lidl und Aldi oder von Schrauben Würth seit Silvester „hypernervös“, wie die Börse? Sicher nicht.

Wir haben es seit Anfang dieses Jahres mit der klassischen, oben beschriebenen Börsen-Konstellation zu tun. Von 2011 bis 2014, über vier Jahre lang, marschierte die Börse recht brav aufwärts. Das Jahr 2015 war dann schon zäh. Im Sommerloch 2015 gab es den ersten Versuch einer Trendumkehr. Mit vielen Aktien ging es nicht mehr so richtig bergan. Selbst die gute Berkshire Hathaway Aktie von Altmeister Warren Buffett hat im vergangenen Jahr an Wert verloren, während andere Aktien, wie Starbucks, gut zulegen konnten. Nur wenigen Fondsmanagern und Vermögensverwaltern gelang 2015 ein beachtliches Jahresresultat.

Die Zeit war reif, in der Stille der Weihnachtsferien, das Rad der Nachrichten stimmungsmäßig auf Moll zu drehen. Der Versuch ist gelungen. Der aktuelle Kurseinbruch ist also nicht das Resultat rationaler Abwägungen, sondern eines sich aufbauenden Angst-Sentiments geschürt vom Börsensystem der variabel bezahlten Teilnehmer. Fallen die Kurse erst einmal, so werden immer mehr Anleger nervös. Die Abwärtsspirale verstärkt sich. Hinzu kommen dann die automatisierten Computerprogramme. In der Gerüchteküche ist auf einmal Platz für viele dampfende Töpfe.

Wer sein Geld an der Aktienbörse oder in Aktienfonds anlegt, sollte sich dieser Mechanismen bewusst sein. Die Psyche der Massen, gesteuert vom Börsensystem, ist die eigentliche Bedrohung der Kursstabilität. Ich empfehle allen Family Offices und Aktionären einmal im Jahr, stets auf Neue, daher den ultimativen Lackmustest: Können Sie einen zeitweiligen Kursrückgang von 90% , auch Ihrer guten Aktien, nervlich und finanziell aushalten? Glauben Sie mir, das ist keine absurde Fragestellung. Geldanleger, die ruhig schlafen wollen, sollten mit einem klaren – Ja – antworten können.  

In meiner nächsten Auslese werde ich darauf eingehen, wie der Geldanleger sich in solchen Phasen fallender Kurse verhalten sollte und wie er von der Massenpsyche bestens profitieren kann.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%