Elsässers Auslese

Gehören RWE und E.On noch an die Börse?

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Schwerfälliges Modell

Zum System gehörte der Aufbau großer Aufsichts- und Beiratsgremien. So unterhält RWE traditionell Regionalbeiräte mit über 100 Mandatsträgern. Viele Beiräte werden dabei aus dem Kreis der Kommunen gewonnen (Landräte, Oberbürgermeister und andere politische Figuren. Ein Blick in die Listen lohnt sich). Das Resultat ist eine sehr eigene Mischung aus Managern, Gewerkschaftsvertretern und Funktionären mit politischem Background. Ein kostenträchtiges, eher schwerfälliges Business Modell, welches sich mit den Anforderungen der heutigen Zeit schwer tut.

Die Zeit des Aufbaus von Wirtschaftsimperien, letztlich finanziert auf dem Rücken und auf Kosten der Stromverbraucher, ist vorbei. Auch die Substanz von einst ist mehr oder minder dahin. Der RWE Konzern hat heute eine Marktkapitalisierung von gerade mal etwa sechs bis sieben Milliarden Euro. E.On wird mit etwa 16 Milliarden Euro an der Börse bewertet.

Wer übernimmt die Zukunft, wer den Ballast?
Eon übernimmt 33 Millionen Kunden – in Deutschland, Großbritannien, Skandinavien, Osteuropa oder der Türkei. Das Geschäft ist solide, die Margen sind aber dünn. Neue Produkte und Dienstleistungen müssen her. Das Problem: Eon wird sich mit neuen, schlagkräftigen Konkurrenten messen. Die heißen, Google, Apple oder Samsung. Fazit: Hoffnungswert. Quelle: AP
Jahrzehntelang produzierten Kohle- und Gaskraftwerke nicht nur Strom, sondern auch Unmengen an Geld. Strom wurde eben in großen, zentralen Anlagen produziert. Jetzt hat per Gesetz grüner Strom Vorrang im Netz und drängt die großen Kraftwerke aus dem Markt. Allein in den ersten neun Monaten brach das Ebitda der Sparte um 32 Prozent ein. Uniper muss retten was noch zu retten ist. Fazit: Sanierungsfall. Quelle: dpa
Eon stieg spät in das Geschäft mit erneuerbaren Energien ein. Inzwischen hat das Unternehmen aber schon Windanlagen mit mehr als vier Gigawatt Leistung installiert – das entspricht rund vier Kernkraftwerken. Bei Offshore-Wind sieht sich Eon weltweit an Nummer zwei, bei Onshore auf Position zwölf. Bald schon wird beim Ebitda die Milliardenmarke geknackt – kein Wunder das Eon die Sparte behält. Fazit: Zukunftsgeschäft. Quelle: obs
Eons Stromleitungen reichen theoretisch 25 Mal um die Erde. Eine Million Kilometer hat der Konzern verlegt. Das Netz will Eon auch behalten und hat gute Gründe: Die Renditen werden zwar von Regulierungsbehörden gedeckelt, aber lieber kleine Renditen als gar keine Renditen wie bald in der Stromproduktion. Fazit: Solides Geschäft. Quelle: dpa
Den Großhandel gibt Eon ab, damit Uniper den Strom aus den Kraftwerken wenigstens selbst vermarkten kann. Die Tochter bewegt Milliarden, kauft Kohle zum Verfeuern ein und bringt russisches Gas in Europa unter. Das war früher einmal ein einträgliches Geschäft, aber auch die Zeiten sind längst vorbei. Fazit: Spekulationsobjekt. Quelle: AP
Jahrelang hat Eon gekämpft, um einen eigenen Zugang zu den russischen Gasfeldern zu bekommen, jetzt übernimmt Uniper das Geschäft. Die neue Gesellschaft ist an einem lukrativen Feld in Westsibirien beteiligt, Juschno Russkoje, fördert dort pro Jahr knapp sechs Milliarden Kubikmeter Gas und fährt solide Gewinne ein. Dumm nur, dass neben dem Strompreis auch der Ölpreis im Keller ist, aber das muss ja nicht so bleiben. Fazit: Dauerbrenner. Quelle: obs
Jahrzehntelang haben die Atomkonzerne mit ihren Reaktoren unverschämt viel Geld verdient, jetzt sind die Anlagen nur noch eine einzige Last. Die Reaktoren müssen teuer abgebaut und die Brennelemente noch teurer entsorgt werden. Kein Wunder, dass Eon die Aufgabe gerne Uniper überlassen hätte. Daraus wird aber nichts: Mit einem neuen Gesetz schob die Bundesregierung dem einen Riegel vor, Eon muss sich um die drei noch aktiven und fünf bereits im Rückbau befindlichen Reaktoren kümmern. Fazit: Ballast. Quelle: dpa

Vieles spricht dafür, die Rolle der Energieversorger grundsätzlich neu zu überdenken. Aufspaltungen in verschiedene Bereiche und ähnliche Pläne treffen meiner Ansicht nach nicht den eigentlichen Punkt. Heute geht es darum, den Wirtschaftsstandort Deutschland optimal und so kostengünstig wie möglich mit Energie zu versorgen. Dabei müssen gesellschaftspolitische Anliegen, wie Umweltschutz und erneuerbare Energiequellen, gleichermaßen mit reinen wirtschaftsstrategischen Standortüberlegungen unter einen Hut gebracht werden. Das Mandat einer börsengelisteten Aktiengesellschaft lautet aber anders. Hier geht es um ein freies kaufmännisches, erfolgreiches Handeln, zum Wohl der Aktionäre im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft. Das Ziel eines börsengelisteten Unternehmens ist die dauerhafte Gewinnsteigerung und langfristige Stärkung der anvertrauten Substanz, bei Wahrung der Interessen aller Stakeholder.

Es passt nicht mehr in die heutige Zeit, Anteilseigner an einem Energieversorger dauerhaft zu „bereichern“, auf Kosten der Allgemeinheit. Die Vorstände der Energieversorger können sich angesichts der politischen Eingriffe unmöglich treusorgend für das Kapital der Anteilseigner einsetzen.

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So seltsam es aus dem Munde eines Börsen-Value-Investors klingen mag: In dieser Gesamt-Konstellation macht aus meiner Sicht eine Börsennotiz keinen Sinn. Es wäre eine Überlegung wert, die großen Energieversorger, wie RWE und E.On, in Staatsbesitz zu überführen. Die Aktionäre erhalten Abfindungsangebote, was bei den niedrigen Marktkapitalisierungen für den Staat leicht zu finanzieren wäre.

Zurück zum Staat?

Hier könnte ich mir zwei Varianten vorstellen: Wahlweise erhielte der Aktionär eine Barabfindung oder einen bevorrechtigten Bezug von festverzinslichen Energieversorger-Anleihen. Das würde Sinn machen. Denn die Energieversorger mit staatlicher Absicherung wären ideale Anleihenschuldner, die schadlos einen festen jährlichen Zins zur Finanzierung erwirtschaften können. Den Geldanlegern wäre damit mehr gedient. Die Anforderung stetig steigender Dividenden und eines Wertzuwachs seitens privater Aktionäre sehe ich auf Dauer nicht gesichert.

Der Anleihen-Kurszettel am Bonds-Markt würde also um einige sichere Obligationen reicher.

Und was das Organisatorische angeht, so wäre denkbar,  kompliziert und teuer strukturierte Aktienkonglomerate Schritt für Schritt in einfach organisierte Dienstleister mit Behördencharakter zu transformieren. In einem solchen Szenario würde ich die Energieversorgungswirtschaft auf eine Stufe mit der Polizeiorganisation eines Landes stellen. Kein Investor käme auf die Idee, die Polizei an die Börse zu bringen. Wir sind in einem Zeitalter angekommen, wo die Absicherung wichtiger nationaler Grundbedürfnisse über kaufmännische Belange gestellt werden sollten.

Dies mag vermessen klingen, ist aber in der Marktwirtschaft nichts Neues. An der Börse ist das immer schon so gewesen. Für die einen bricht der Frühling an, für die anderen gehen die Lichter aus und sie verschwinden vom Kurszettel.

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