Elsässers Auslese

Spekulation mit System - der "Verzehnfacher"

Markus Elsässer Value Investor

Am Aktienmarkt sind fast alle Geldanleger als Investoren unterwegs. Ein Börsenspekulant will keiner sein. Doch das Spekulieren kann sich lohnen. Aber nur mit System.

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Diese Investmentlegenden sollten Anleger kennen
Benjamin Graham (1894 - 1976) Graham wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, nachdem seine verwitwete Mutter alles Hab und Gut durch Aktienspekulationen verloren hatte. Der Ausnahmeschüler schloss bereits mit 20 Jahren sein Studium ab und arbeitete anschließend an der Wall Street, wo auch die New Yorker Börse beheimatet ist. Später lehrte er an der Columbia University Wirtschaftswissenschaften. Sein Buch "Security Analysis" (1934) gilt als Standardwerk, die spätere populärwissenschaftliche Version "Intelligent Investor" gilt als Bibel der sogenannten Value-Investoren und war ein Bestseller. Quelle: Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0 ,Equim43
André Kostolany Quelle: dpa/dpaweb
Warren Buffett Quelle: REUTERS
George Soros Quelle: dpa
Jens Ehrhardt Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Der Beruf des Spekulanten an der Aktienbörse ist aus der Mode gekommen. Alle wollen weise Investoren vom Schlag eines Warren Buffett sein. Immer häufiger treffe ich ältere Herren, auf deren Visitenkarte die Berufsbezeichnung „Privatinvestor“ steht. Das klingt gut. Meist sind es frühpensionierte Banker oder Industriemanager. Mit einer Abfindung ihres letzten Arbeitgebers in der Tasche spielen sie nun den Vollzeit-Investor. Spekulanten? Nein, das sind sie sicher nicht!

Dabei gibt es für den schlechten Ruf eines „Börsenspekulanten“ gar keinen Grund. In den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts wurde noch exakt zwischen den Investoren einerseits und den Spekulanten andererseits unterschieden.

Der Investor orientiert sich an der Bewertung des Unternehmens. Er interessiert sich für seine eigenen Berechnungen des „wahren Wertes“, den er für eine Aktiengesellschaft ermittelt. Das Auf und Ab der Börsenkurse lässt ihn kalt. Er ist überzeugt, dass sich der wahre Wert der Aktie an der Börse langfristig in höheren Kursen niederschlagen wird. Was die anderen Aktionäre so machen, kann ihm egal sein.

Der Börsenspekulant dagegen hat primär die Kurse im Auge. Er sinniert darüber, wie sich die Börsenkurse entwickeln könnten, allein aufgrund der Börsenstimmung und der Trends der Kapitalströme. Wie es im Einzelnen um das Unternehmen steht, weiß er häufig gar nicht. Oftmals wissen Spekulanten nicht einmal, was die Firma überhaupt herstellt, wie der CEO heißt oder wo sich die Firmenzentrale befindet. Der Spekulant muss sich mit mit den Mechanismen der Finanzmärkte und der Börsen-Massenpsychologie auskennen; nicht mit der einzelnen Aktiengesellschaft.

Wer als Geld- und Kapitalanleger gradlinig denkt, sollte sich entscheiden: Will er ein Spekulant oder Investor sein? Die Erfahrung zeigt, dass ein Wandern von der einen Fraktion zur anderen, schnell in den finanziellen Ruin führt. Wer ehrlich in die Selbsterforschung geht, wird feststellen, zu welcher Gattung Börsianer er gehört. Es geht also nicht darum, was besser klingt oder womit man beim Rotary Treffen punkten kann. Vielmehr gilt es herauszufinden, auf welchem Börsenfeld man sich zu Hause fühlt. Es ist am Ende eine Charakter- und Typ-Frage.

Ohne eigene Strategie geht es nicht

Diejenigen Geldanleger, die eindeutig ins Spekulantenlager gehören, haben den Nachteil, dass sie ihre Anlagestrategien selber entwickeln müssen. In Fachbüchern, bei den Banken und an den Universitäten wird man kaum eine Bedienungsanleitung zum erfolgreichen Spekulieren finden. Im Gegensatz dazu werden die zahlreichen Investoren-Anlagetheorien auf einem quasi pseudo-wissenschaftlichen Status gehandelt.

Ein erfolgreicher Spekulant darf sich nicht von den täglichen Verlockungen an der Börse in die Irre führen lassen. Morgens gibt es ein Fusionsgerücht an der Frankfurter Börse, mittags wird ein Vorstandsvorsitzender in Zürich entlassen, abends legt ein Britischer Konzern gute Quartalszahlen vor und in der Nacht präsentiert ein Softwarekonzern in New York ein neues Produkt mit bahnbrechenden Aussichten.

In Asien geht es dann weiter. An der Börse in Hongkong purzeln die Casino-Aktien, weil die Chinesen überraschend mit Visa-Einreisebeschränkungen den Zustrom an Spielsüchtigen nach Macao begrenzen wollen. Und so geht es Tag für Tag, Gelegenheiten über Gelegenheiten. Dem Spekulanten schwirrt der Kopf und sein Pulver hat er schnell verschossen. Meist springt er im falschen Moment auf einen fahrenden Zug, der allzu oft im Sackbahnhof endet.

Ich habe im Verlauf meines Lebens einige extrem erfolgreiche Spekulanten kennengelernt. Warum waren Sie erfolgreich? Sie hatten alle hohe Ziele und Erwartungen. Da es für sie um viel ging, haben sie ihren Erfolg nicht dem Zufall überlassen. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie diszipliniert mit einer klaren Strategie gearbeitet haben. Und gleichzeitig sind sie mit beeindruckender Strenge einem konsequenten System gefolgt.

Amateure haben wenig Chancen

Um als Spekulant zu bestehen, sollte man sich auf den Weg machen, ein Profi zu werden. Amateure haben als Spekulanten wenig Chancen. Die erfolgreichen Spekulanten betrachten sich nicht als Verwalter ihres Vermögens. Nein, sie sehen sich als „Kapital-Vervielfacher“. Nach meiner Beobachtung versuchen sie, in Zeitabständen von drei bis vier Jahren ihr Kapital zu verzehnfachen. Die Amerikaner nennen das die „Ten Bagger“.

Während meiner Jahre in Singapur habe ich einen solchen Super-Spekulanten kennengelernt. Er war damals über 70 Jahre alt, Amerikaner, vor langer Zeit nach Singapur ausgewandert. Seit über 30 Jahren hatte er keinen Job mehr. Ein vollkommen unauffälliger Mann, stets freundlich und entspannt. Er arbeitete von einem Zimmer von zu Hause aus. Seine Treffen hielt er in Hotellobbys ab. Er hatte sich ganz auf kleinere Explorationsfirmen an der australischen Börse spezialisiert. Ein hoch riskantes Metier.

Sein Umgang mit dem Hochrisiko war einfach: Sein Kapital war immer auf etwa 50 Aktienpositionen verteilt. Jede Position war zum Zeitpunkt seines Investments in seinem Depot gleich gewichtet. Ihm war völlig klar, dass über 90 Prozent seiner Engagements nicht fruchten würden. Im besten Fall würden sich die Totalverluste und die Gewinne die Waage halten.

Mit diesen Aktien scheffelt Warren Buffett Milliarden
DirecTV-Satellittenschüssel Quelle: dpa
U.S. Bancorp Quelle: AP
Procter&Gamble Quelle: dapd
Walmart Quelle: AP
Munich Re Quelle: dpa
American Express Quelle: AP
IBM Quelle: REUTERS

Doch er konnte mir nachweisen, dass er in regelmäßigen Abständen ein oder zwei „Volltreffer“ im Depot hatte. So stieg im Uranboom 2004 auf 2006 die Aktie der Alliance Resources von ein paar Cents im Kurs auf über 200 Cents. Jahre später profitierte er von dem gewaltigen Nova Nickelfund in West Australien. Seine Sirius-Aktien schossen in ungeahnte Höhen. Die kleine Explorationsfirma Sirius wurde vom Independence Rohstoffkonzern für 1,8 Milliarden Australische Dollar aufgekauft.

Disziplin über Jahrzehnte

Sein ganzes Netzwerk hatte er im Lauf der Jahre in der australischen Brokerszene aufgebaut – und zwar überwiegend bequem von Singapur aus per Telefon. Ihm war völlig gleich, ob die Geschäftsaussichten der Branche gut oder schlecht waren. Er wusste aus Erfahrung, dass es immer zu solchen Super-Explorations-Erfolgen kommt. Mit seinem Standard „50-Aktien-Depot“ und mit seinem „Gleichgewichtungsansatz“, hatte er seine Systematik gefunden. Der Schlüssel zu seinen Großerfolgen lag darin, dass er sein System über Jahrzehnte durchgehalten hat.

Wen eine solche Spekulationsmethodik anspricht, der muss nicht gleich nach Singapur oder Australien zu den Geologen auswandern. Nach meiner Einschätzung funktioniert dies auch mit einem anderen Spekulationsfokus: Aktiengesellschaften, die mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben und kurz vor dem Bankrott stehen. Hier muss der Spekulant sein Depot international aufbauen. Dann kann er eine gute Mischung angeschlagener Unternehmen zusammen bekommen. Auf den Mix aus großen und kleinen Firmen aus verschiedenen Branchen ist dabei zu achten. Dies wäre ein typisches „Sanierungs-Turnaround-Depot“.

Je nach Fachwissen und Berufserfahrung kann sich der Spekulant auch Gedanken machen, ob er sich auf bestimmte Sachgebiete wie Biotech-Start-ups oder Softwareschmieden in Silicon Valley spezialisieren will. Es gibt unzählige Börsenmöglichkeiten zum Spekulieren. Aber denken Sie immer daran: Überprüfen Sie, ob Ihr Nervenkostüm auch dazu passt. Wenn ja, dann aber dem System treu bleiben. Viel Erfolg!

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