Elsässers Auslese

Woran Anleger globale Champions erkennen

Markus Elsässer Value Investor

Anleger auf der Suche nach den globalen Champions müssen mehr als nur die Bilanz des Unternehmens studieren, denn ohne die richtige Firmenkultur wird der Schritt hin zum Global Player nicht gelingen.

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Kinder in Peking Quelle: dpa

Am besten fährt man in die tiefe Provinz in Deutschland und in der Schweiz. Dort sitzen unzählige Unternehmen, die sich über die Jahrzehnte zu Marktführern in ihren jeweiligen Nischen gemausert haben. Außerhalb ihrer Branche hat noch nie ein Mensch von ihnen gehört.

Oder kennen Sie den Weltmarktführer für Kartoffelerntemaschinen? Was ist mit dem Weltmarktführer für Düngerverteil-Equipment? Kennen Sie den Namen des Unternehmens, welches mit 90 Prozent Marktanteil die Welt mit Maschinen zur Fertigung von Dosen beliefert? Diese Maschinen können bis zu 1600 Dosen in der Minute fertigen. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal eine Dose Red Bull in die Hand nehmen. Das Leistungsspektrum im Mittelstand ist beeindruckend.

Eine gute Bilanz sichert nicht den globalen Erfolg

In der Tat, viele Unternehmen haben sich zu Exportweltmeistern gemausert. Die Gewinnmargen sind hoch. Die Bilanzen strotzen vor finanzieller Kraft. Die Produktion und die Innovationen werden „schnörkellos“ vorangetrieben. Also, alles zum Besten, sollte man meinen?

Zur Person

Doch der nächste Schritt zu einem global tätigen Unternehmen ist eine große Herausforderung. Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen einem lokal, zentral-dominierten Unternehmen mit angehängter Exportabteilung und einer weltweit aufgestellten Firma.

Alte Exportmanager können davon ein Lied singen. Traditionell werden sie an dem Stammsitz der Firma als Exoten betrachtet. Der mühsame und zeitraubende Aufbau von zunächst kleinem Geschäft in weit entfernten Märkten wird oft belächelt und gering geschätzt.

Langfristige Chancen eines Export-Marktes werden vernachlässigt

Außer dem Exportmann hat nur selten jemand im Unternehmen Landeskenntnisse, geschweige denn Interesse an den Märkten fernab. Entsprechend fehlt es an der langfristigen strategischen Unterstützung. Typischerweise muss lange bei der obersten „Heeresleitung“ gerungen werden, um in bisher unberührte Exportmärkte aufbrechen zu dürfen. „Umsatz kommt ja bei der ersten Reise sowieso keiner herum“. Da bleibt die Geschäftsführung nur zu gerne im kurzfristigen Budgetdenken verhaftet. Die langfristigen Chancen eines Aufbaus der Märkte von Morgen werden vernachlässigt. 

Die Top 10 der Weltmarktführer im deutschen Mittelstand

Ein Bekannter von mir, der sein Leben lang im Export gearbeitet hat, kann ganze Nachmittage lang die tollsten Geschichten aus seiner aktiven Export-Berufszeit erzählen. Besonders „gefällt“ mir folgende Anekdote: Bei der Rückkehr nach einer strapaziösen Rundreise zur Erkundung von Uruguay und Chile, mit Nachtflügen und Jetlag, erwartete den Heimkehrer im Hauptquartier in Geislingen an der Steige der Schlachtruf der Daheimgebliebenen: „Na, wie war der Urlaub?“

Besonders in Unternehmen mit großen Heimatmärkten, wie Deutschland, bei denen mit wenigen Key Accounts mehr Umsatz pro Jahr gemacht wird, als mit 20 Auslands-Absatzmärkten, rangiert „Export und Ausland“ in der zweiten oder dritten Reihe. Da haben kleine Länder, wie die Niederlande, Dänemark oder die Schweiz, von Alters her einen Vorsprung im Verständnis für die internationalen Verhältnisse.

Worauf kleine Mittelständler beim Gang ins Ausland achten sollten

Alleine schon die lange physische Abwesenheit des Exportbeauftragten im Hauptquartier, bedingt durch die vielen Auslandsreisen, schwächt die innenpolitische Stellung in der firmeneigenen Hackordnung. Für die meisten Firmen gilt leider immer noch die Empfehlung meines Vaters: „Wer Karriere im Haus machen will, bleibt lieber täglich sichtbar im Zentrum der Macht“.

Immer wieder ist zu hören, dass die mangelnde Mobilität und Flexibilität junger Mitarbeiter bemängelt wird. Doch glauben Sie nicht, dass Sie so „mir nichts dir nichts“ in eine Auslandsniederlassung versetzt werden, nur weil Sie bereit sind, sogar im Hindukusch oder in Nepal zu arbeiten.

Ist die Einbindung der Exportbemühungen in die Unternehmen schon schwer genug, so stellt der Aufbau einer wirklich global tätigen Firma mit einer Vielzahl von eigenen Niederlassungen eine echte Herausforderung dar.

Geschäftsführer und Eigentümer wollen oft nicht in neue Märkte

Viele Geschäftsführer oder auch Eigentümer von Unternehmen scheuen die langfristigen Anlaufverluste bei der Eroberung neuer Märkte. Besonders der Vorstandsvorsitzende, der in ein paar Jahren pensioniert und gleichzeitig stark gewinnabhängig vergütet wird, ist ein gefährlicher „Kantonist“. Hat er die freie Wahl, so wird er wenig Neigung verspüren, eine Kürzung seines Bonus-Schecks hinzunehmen – nur weil Burma nun erschlossen werden soll, mit einer Payback Periode von zehn Jahren.  

Das gleiche gilt für die Geschäftsführer, die nur „auf Zeit“ mit einer Söldnermentalität, von Job zu Job springen – als gern gesehene Lieblinge der Headhunter. Ich habe es selbst erlebt, wie der Einfallsreichtum auf höchster Organisationsebene, warum es sich eben nicht lohnt Burma „zu erobern“, keine Grenzen kannte.

Drei wichtige Erfolgsfaktoren

Gott lob, gibt es aber eine Vielzahl von Unternehmen, in denen doch weitsichtig und strategisch über den Tellerrand geschaut wird. Für den Aufbau einer internationalen Organisation sind dann drei Punkte zu beachten:

1.  Bei der Personalrekrutierung müssen im vorhin systematisch Mitarbeiter angeworben werden, die das Potential zum Auslandseinsatz besitzen. Hier gilt es, eine Art Personalreserve aufzubauen. Das kostet Geld.

2.  Durch jahrelanges Training, viele Reisen und Schulungen müssen diese Mitarbeiter an das Thema herangeführt werden. Zu empfehlen sind „Auslands-Testeinsätze“ für ein oder zwei Jahre bei Korrespondenzpartner-Unternehmen. Nur so lässt sich ein erfolgsversprechender Personaleinsatzplan entwickeln, der die Auslandstauglichkeit der Mitarbeiter berücksichtigt.

3.  Die Anreize, den wohlig warmen Herd der Heimat mit Familie zu verlassen, müssen ganz klar im Unternehmen gesetzt und kommuniziert werden. Wer sich in das Auslandsabenteuer in ferne Länder begibt, der muss finanziell großzügig entschädigt werden und sich gleichzeitig auf der „Karriereleiter“ befinden.  

Kosten sind Hauptthema bei der Expansion

Sie werden sagen, dass das doch selbstverständlich ist. Keineswegs. Ich werde nie vergessen, wie mir bei einem Zwischenstopp in Hong Kong ein deutscher Freund sein Leid klagte. Er war für ein DAX-Unternehmen in Peking leitend tätig. Er verfügte über exzellente Sprachkenntnisse (Chinesisch und Japanisch fließend!) und jahrzehntelange Asienerfahrung. Der Mann war genau der richtige auf dem Job.

Er hatte gerade den jährlichen Besuch seines Konzernvorstands hinter sich. Emotional aufgewühlt, berichtete er mir, wie er von seinem „Oberen“ in den Schwitzkasten genommen wurde. Der deutsche Vorstand war in seinem Leben nur zweimal umgezogen: Von Bonn ins Rhein-Main-Gebiet. Mit diesem Background war er kürzlich zum Auslands-Konzernvorstand ernannt worden.

In giftiger Atmosphäre wurde meinem Freund in Peking stundenlang zum Vorwurf gemacht, wie es sein könnte, dass seine Firmenwohnung in Peking weit mehr kostete, als das Einfamilienhaus des Vorstands im geliebten Bad Godesberg. Die Tatsache, dass der Auslandsmitarbeiter höhere Kosten verursachte, als das Vorstandsgehalt des Vorgesetzten in der Heimat, war das eigentliche Thema des Besuchs in Peking. Gespräche über das Kundengeschäft waren sekundär.

Dies ist eine Geschichte aus dem wahren Leben einer gut beleumundeten Aktiengesellschaft. Wenn Sie mir nicht glauben, gebe ich Ihnen gerne die Telefonnummer meines Freundes in Hong Kong. Sie haben richtig gelesen: Hong Kong. In Peking ist er zwischenzeitlich nicht mehr anzutreffen. Er arbeitet jetzt für ein amerikanisches Unternehmen als Asienchef.

Dr. Elsässer legt eine kreative Sommerschreibpause ein. Die nächste Auslese erscheint Ende August 2016.

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