Wer eine pfiffige Geschäftsidee hat, muss Geldgeber von seiner Vision überzeugen. Am Anfang sind das häufig Familie und Freunde. Später kommen idealerweise Business Angels und Investoren dazu, die Risikokapital zur Verfügung stellen. Ein zeitraubender Vorgang.
Die Unternehmerin Zoe Adamovicz kann sich das alles einfacher, schneller und kostengünstiger vorstellen. Mit ihrem Start-up „Neufund“ will die gebürtige Polin gemeinsam mit ihrem Partner Marcin Rudolf eine Plattform schaffen, auf der sich Investoren mittels der Kryptowährung Ethereum an Start-ups beteiligen können. Es ist ein Experiment, von dem derzeit noch niemand sagen kann, ob es gelingen wird und welche Risiken für den Anleger damit verbunden sind. Die Finanzaufsicht Bafin ist dabei, sich mit diesem Geschäftsmodell auseinanderzusetzen.
Das Unternehmen finanziert sich durch Risikokapital. Es mobilisierte für die Plattform jüngst zwölf Millionen Dollar bei Investoren. Zu den Finanziers gehört beispielsweise der Investor Frank Thelen, der einem breiteren Publikum als Juror der Start-up-Sendung „Höhle der Löwe“ bekannt sein dürfte. Neufund hat diesen Prozess „Initial Capital Building Mechanism“ (ICBM) getauft. Unterstützer sagen also Mittel zu, die sie später auf der Plattform in Unternehmen anlegen können.
Adamovicz und Marcin sind erfahrene Unternehmer. Sie haben 2014 ihre selbst gegründet App-Suchmaschine Xyo an ein US-amerikanisches, gelistetes Unternehmen verkauft. Der Managerin ist es wichtig, sich von sogenannten Initial Coin Offerings (ICO) abzugrenzen. „Neufund macht keinen ICO“, stellt sie klar. „Kein Euro wird durch den ICBM für die Firma verwendet. Wir managen dieses Geld auch nicht.“
Sie will nicht, dass „Neufund“ mit Unternehmen in einen Topf geworfen wird, die durch intransparente ICOs Geld über die Ausgabe von Tokens einsammeln. Hinter Token kann sich vieles verbergen: Manche Unternehmen versprechen eine Beteiligung an möglichen künftigen Gewinnen, andere deklarieren das eingesammelte Geld nur als „Spende“. „Derzeit können sich Investoren, die über Kryptowährungen Unternehmen finanzieren, nicht sicher sein, ob die ausgegebenen Token auch tatsächlich für die Zwecke verwendet werden, für die sie angekündigt werden“, beschreibt Adamowicz das Dilemma. Genau das soll auf der „Neufund“-Plattform anders laufen.
Dort können sich Unternehmen durch sogenannte Equity Token Offerings (ETOs) finanzieren. Adamowicz will damit sicherstellen, dass der Investor, der sich an einem Unternehmen auf der Neufund-Plattform beteiligt, auch von möglichen Gewinnen oder Verkaufserlösen profitiert. Gleichzeitig müssen die Investoren dann auch mögliche Verluste tragen. „Bei einem ETO erwirbt der Investor Rechte an dem Unternehmen, die er gegebenenfalls auch gerichtlich geltend machen kann“, betont sie. Das sei ein großer Unterschied zu Token, die im Rahmen eines ICO vergeben werden.
Das Geschäftsmodell birgt auch Risiken
„Die Idee ist es, am aktuellen Trend der Kryptowährungen zu partizipieren und von den Chancen zu profitieren“, analysiert die Expertin für digitale Geschäftsmodelle von Accenture Stategy, Friederike Stradtmann, das Modell hinter „Neufund“. „Allerdings ist dies auch mit Risiken verbunden“, warnt sie. Der Erfolg von „Neufund“ hinge an der Frage, wie groß die Vorteile der Plattform letztendlich seien.
Die Abwicklung der Geschäfte auf der Plattform erfolgt über eine Blockchain. Das ist eine Art dezentrale Datenbank, auf der alle Nutzer dieses Netzwerks die Transaktionen sehen können und die als fälschungssicher gilt. Börse und Broker werden überflüssig, weil sich Käufer und Verkäufer direkt über Blockchain austauschen können.
Jüngst hat die Finanzaufsicht Bafin Anleger vor den erheblichen Risiken gewarnt, die von ICOs ausgehen. Das Fehlen gesetzlicher Vorgaben und Transparenzvorschriften, wie sie beispielsweise für Börsengänge vorgeschrieben sind, stelle ein großes Risiko dar. Für Zoe Adamowicz sind die Warnungen der Bafin mit Blick auf bekannte Betrugsfälle weltweit nachvollziehbar.
„Tokens stellen in aller Regel Finanzinstrumente (Rechnungseinheiten) im Sinne des Kreditwesengesetzes dar“, schreibt die Bafin. Daher benötigen Akteure, die den Erwerb von Tokens vermitteln oder Zweitmarktplattformen betreiben vorab immer eine Erlaubnis der Bafin. Die Behörde entscheidet dann Einzelfall für Einzelfall: Die konkrete vertraglichen Ausgestaltung eines ICO bestimmt die gesetzlichen Anforderungen an den Anbieter.
Mit der Aufsichtsbehörde befindet sich „Neufund“ im Austausch. Das hat auch die Bafin bestätigt. Bevor rechtlich absolute Klarheit herrscht, werde kein Projekt online gehen, betont Adamowicz. Aktuell geht die Gründerin davon aus, dass Start-ups auf ihrer Plattform je nach konkreter Ausgestaltung der Equity Tokens prospektpflichtig werden.
Das Interesse an ihrer Idee stimmt die Unternehmerin optimistisch. „Offenbar besteht ein sehr großer Bedarf in der der Start-up-Szene an Alternativen zur klassischen Finanzierung“, sagt sie. Doch auch Unternehmen mit „ordentlichen Umsätzen“ hätten schon mal den Finger gehoben. „Grundsätzlich handelt es sich um ein Angebot, das durchaus seine Nische finden kann“, glaubt Stradtmann von Accenture Strategy. „Allerdings wird es kurzfristig nicht die etablierten Venture Capital-Spieler verdrängen.“
Interessierte Anleger werden es in der Regel schwer haben, die Spreu vom Weizen zu trennen. Daher ist Vorsicht geboten. Der Hype um die Kryptowährungen lockt auch viele Betrüger an. In den vergangenen Tagen musste die US-Finanzmarktaufsicht SEC in Sachen ICOs schon mehrfach aktiv werden. So stoppte sie den ICO des kanadischen Unternehmens Plexcorp, das Anleger mit der Verdreizehnfachung ihres Einsatzes gelockt hatte. Auch eine App zur Bewertung von Restaurants brach ihren ICO nach Einspruch der SEC ab.