Erholung oder Bullenfalle? Aktien schütteln Brexit ab - scheinbar

War da was? Die Briten wollen aus der EU raus, die Märkte brechen ein – und plötzlich ist alles wieder gut. Den Eindruck erweckt jedenfalls der Aktienmarkt in London. Doch da stimmt was nicht.

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Das Logo der London Stock Exchange in London. Der schwere Verfall der britischen Währung lockt ausländische Schnäppchenjäger an. Quelle: AFP

New York Der breite Index FTSE 100-Index schloss am Mittwoch mit 6360 Punkten – und damit so geringfügig höher, als er am vergangenen Donnerstag geendet hatte, bevor das Ergebnis des Brexit-Referendums bekannt wurde. Die Aktien der Euro-Zone haben sich zwar seit vergangenem Freitag auch erholt, liegen aber immer noch rund sechs Prozent niedriger als vor dem überraschenden politischen Knall.

Die US-Aktien erholten sich deutlicher, aber erreichten noch nicht wieder ihr Vor-Brexit-Niveau. In den USA spielte die Erholung des Ölpreises eine positive Rolle, außerdem zeigt die Statistik für den Mai, dass die Amerikaner immer noch kräftig konsumieren und neue Autos kaufen. Überall auf der Welt haben sich vor allem die zuletzt gebeutelten Finanzwerte erholt.

Dass nach dem übertriebenen Absturz eine Erholung folgt, ist normal. Aber angesichts der tiefen politischen und wirtschaftlichen Probleme, die mit dem Brexit verbunden sind, dürfte die Entwicklung der Börsen in der Euro-Zone von mehr Realismus zeugen als die fulminante Erholung in London. Schließlich, darf man nicht vergessen, ist zurzeit unklar, wer künftig Großbritannien regiert. Und wer den harschen Protest der Schotten im Unterhaus mitbekommen hat, fragt sich, ob aus Großbritannien demnächst Kleinbritannien wird, wenn Schotten und Nordiren lieber zur EU als zu den Engländern halten wollen.

Ein Grund für die übertriebene Erholung in London dürfte sein, dass die Aktien dort aus amerikanischer Sicht immer noch neun Prozent billiger sind als vor dem Brexit. Darin kommt zum Ausdruck, wie dramatisch das britische Pfund gefallen ist. Wer immer mal ein Schnäppchen in London machen wollte, kann daher immer noch recht billig einsteigen, jedenfalls aus amerikanischer Sicht. Und die US-Investoren bestimmen nun einmal das Geschehen an den Kapitalmärkten.

Experten warnen jetzt einstimmig, die Erholung der Kurse nicht zu ernst zu nehmen. Denn in den kommenden Monaten werden die Aktien auf jede politischen Wendung nervös reagieren. Vorsicht ist angesagt, die Chance, taktische Gewinne zu erzielen, dürfte wie fast immer nicht höher als 50 Prozent liegen.

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