Erste Schuldenaufnahme seit 2014 Griechenland drängt zurück auf den Kapitalmarkt

Griechenland will heute zurück an die Finanzmärkte. Der Zeitpunkt ist günstig, die Renditen der Südeuropa-Bonds sind tief gefallen. Der Deal gilt als Testlauf, ob der Krisenstaat finanziell auf eigenen Beinen stehen kann.

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Eine griechische Euro-Münze steht auf einem Leuchttisch: Nach dreijähriger Pause sammelt Griechenland am heutigen Dienstag wieder Geld am Kapitalmarkt ein. Quelle: dpa

Athen Mehr als sieben Jahre nach dem Kollaps 2010 läuft sich Griechenland für den Ernstfall warm. Wenn 2018 das internationale Hilfsprogramm ausläuft, will das Krisenland gewappnet sein. Daher will Griechenland heute nach dreijähriger Pause erstmals eine Anleihe mit fünfjähriger Laufzeit auflegen. Dem Thomson-Reuters-Branchendienst IFR zufolge dürfte der Zins bei 4,875 Prozent liegen.

Vor der mit Spannung erwarteten Rückkehr des Landes an den Kapitalmarkt halten sich die Risikoaufschläge für Staatsanleihen des Landes nahe dem niedrigsten Wert seit 2010. Die Bonds mit zweijähriger Laufzeit wiesen am Dienstag eine Rendite von 3,29 Prozent auf, womit sie nur knapp über dem am Vortag erreichten Sieben-Jahres-Tief von 3,21 Prozent lag. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Schuldverschreibungen aus Griechenland mit einer Laufzeit von zehn Jahren auf: Die wiesen Ende März dieses Jahres noch eine Rendite von 7,5 Prozent auf, mittlerweile ist diese Kennziffer auf 5,2 Prozent gefallen.

„Der Zeitpunkt ist günstig – sowohl aus konjunktureller als auch aus Marktsicht“, sagte der Europa-Chefvolkswirt von Barclays, Antonio Garcia Pascual. Das sieht EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici genauso. Er sei optimistisch, dass Griechenland „ein neues Kapitel aufschlägt“ und sich zu einer „schlüssigen Rendite“ selbst mit frischem Geld eindecken könne. Gleichzeitig drang er bei einem Besuch in Athen darauf, die wirtschaftlichen Reformen fortzusetzen.

Die Regierung hat ein Konsortium aus sechs Banken mit der Emission beauftragt – Deutsche Bank, BNP Paribas, Bank of America Merrill Lynch, Citigroup, Goldman Sachs und HSBC. Der Deal gilt als Testlauf, wie Griechenland nach dem Ende des Euro-Rettungsschirms finanziell auf eigenen Beinen stehen kann.

Es ist die erste Schuldenaufnahme seit 2014, als Griechenland sich zwei Mal über den Kapitalmarkt Geld besorgte, bevor es wieder Finanzierungsprobleme gab. Zuletzt hatte auch der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, das Euro-Land gedrängt, die Rückkehr an den Finanzmarkt vorzubereiten. Das dritte Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro endet im August 2018.

Nach Einschätzung eines hochrangigen EZB-Experten wandern inzwischen womöglich nicht nur mehr Investorengelder nach Griechenland zurück, sondern auch in riskantere Anleihen der anderen südlichen Euro-Länder. „Vielleicht ist eine Sache, die wir jetzt sehen, dass dies zu passieren beginnt,“ sagte der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Europäischen Zentralbank (EZB), Frank Smets, am Montag auf einer Veranstaltung des Münchener ifo-Instituts.


Mehr Kapital in riskantere Anlagen

Es sei etwas überraschend, dass sich nach den jüngsten Kursausschlägen am Anleihenmarkt die Renditeunterschiede eingeengt hätten. Smets zufolge spiegelt dies möglicherweise wider, dass wieder mehr Kapital in riskantere Anlageformen fließt.

Denn ebenfalls deutlich gesunken ist die Rendite für Anleihen aus Italien, dem zweiten hochverschuldeten Land in Europa. Für einen Bond mit einer zehnjährigen Laufzeit liegt sie aktuell bei gut zwei Prozent, Mitte März waren es noch mehr als 2,5 Prozent. Eine gegensätzliche Entwicklung nahmen die deutschen Staatsanleihen, die Mitte April noch eine Rendite von 0,16 Prozent aufwiesen. Aktuell liegt die 0,51 Prozent.

Nach einer Rede von EZB-Präsident Mario Draghi, in der er andeutete, die Notenbank sei möglicherweise zu einer weniger expansiven Geldpolitik bereit, war es zu starken Kursreaktionen bei den Staatsanleihen der Euro-Länder gekommen. Dennoch waren in den vergangenen Wochen die Renditeunterschiede zwischen zehn-jährigen Bundesanleihen und Papieren gleicher Laufzeit aus Italien und Spanien, die als weniger sicher gelten, merklich zurückgegangen.

Smets reagierte mit seiner Antwort auf eine Frage nach den Target-2-Salden im Euro-Raum. Im Zuge des billionenschweren Anleihenkauf-Programms der Euro-Notenbank hatten sich zuletzt die Ungleichgewichte im Zahlungssystem Target-2 der EZB verstärkt.

So führen Banken außerhalb des Euro-Raums, die beispielsweise italienische oder spanische Anleihen an die Währungshüter verkauften, ein Konto bei der Bundesbank. Infolgedessen sind nach früheren Angaben der EZB die Target-2-Forderungen der Bundesbank kräftig gestiegen. Es gab aber auch die Sorge, dass dieser Anstieg womöglich ein Anzeichen für zunehmende Kapitalflucht aus südlichen Ländern wie Italien oder Spanien sein könnte.

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