ETF schlägt S&P 500 Das Rendite-Mysterium der Wall Street

Weniger Risiko – und mehr Ertrag? Mit einem ETF auf wenig volatile Aktien konnten Anleger binnen zwei Jahren mehr Rendite erzielen als der S&P 500. Experten sprechen von der vielleicht „größten Anomalie am Finanzmarkt“.

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Da kann man sich nur am Kopf kratzen: Mit weniger Risiko zu mehr Gewinn. Quelle: AP/dpa

New York Wer als Anleger Anteile am Powershares S&P 500 Low Volatility Portfolio bei seiner Auflegung vor knapp zwei Jahren als Absicherung gegen Kursschwankungen am Aktienmarkt erworben hat, kann sich über einen hübschen Nebeneffekt freuen: mit dem börsennotierten Fonds kommt er auch auf höhere Gewinne als mit dem S&P-500-Index.

Der 4,1 Milliarden Dollar schwere börsennotierte Fonds (ETF) hält die 100 Aktien im S&P 500, die die geringste Volatilität aufweisen. Seit er im. Mai 2011 an den Start ging, hat er 30 Prozent gewonnen. Der Benchmarkindex hingegen kommt nur auf ein Plus von 21 Prozent. Der Powersshares-ETF – der größte seiner Art – hat sein Ergebnis mit rund 70 Prozent der Volatilität im S&P 500 erreicht und kommt damit risikobereinigt auf einen doppelt so hohen Ertrag wie der Markt, das zeigen Daten von Bloomberg.

Der von einer Sparte der in Atlanta ansässigen Investmentfirma Invesco angebotene ETF ist der älteste und größte einer ganzen Reihe solcher Fonds, die nach der Finanzkrise aufgelegt wurden. Sie versprechen Investoren einen aktienbasierten Ertrag ohne die heftigen Kursschwankungen, die der Aktienmarkt in Folge der Insolvenz von Lehman Brothers im Jahr 2008 erlebte. Ähnliche Fonds hat inzwischen auch die weltweite Nummer eins in der Vermögensverwaltung, Blackrock, im Angebot.

Der Powershares ETF basiert auf einem Index, der von der S&P-Tochter Dow Jones Indices erstellt und gepflegt wird. Der Index berücksichtigt die 100 Aktien im S&P 500, die in den vergangenen zwölf Monaten die geringste Volatilität aufwiesen. Seine Zusammensetzung unterscheidet sich deutlich von der des breiten Börsenbarometers.

Im volatilitätsarmen Index machen Versorgungsunternehmen laut Angaben von S&P 31 Prozent des Portfolios aus, verglichen mit 3,4 Prozent im S&P 500. Basiskonsumwerte kommen auf 24 Prozent, während sie am größeren Index nur einen Anteil von elf Prozent haben. Deutlich geringer repräsentiert sind IT-Aktien mit 3,6 Prozent im volatilitätsarmen Index und 18 Prozent im S&P 500.

Zu den größten Einzelpositionen des ETF gehören Johnson & Johnson und Pepsico, die beiden Titel im S&P 500 mit der geringsten Volatilität über die vergangenen zwölf Monate. Der Pharmazie- und Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson, hierzulande bekannt für Marken wie o.b. und Penaten, hat innerhalb eines Jahres 21 Prozent zugelegt, der Getränkeproduzent Pepsico kommt auf ein Plus von 18 Prozent.


Wissenschaftler suchen nach einer Erklärung

Einige wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass über größere Zeiträume Investments in weniger volatile Aktien vergleichbare oder sogar bessere Ergebnisse einbringen als breite Marktindizes. Ein weiterer Vorteil: Aufgrund der geringeren Schwankungen müssen Anleger nicht die ganze Zeit das Geschehen an den Märkten beobachten und ruhiger schlafen. S&P prüfte bei der Entwicklung des volatilitätsarmen Index seine Entwicklung zurück bis ins Jahr 1990. Dabei zeigte sich, dass über drei, fünf und zehn Jahre der volatilitätsarme Index auf eine bessere Gesamtrendite kam als der S&P 500.

„Die langfristig bessere Entwicklung der Portfolios mit geringeren Risiken ist möglicherweise die größte Anomalie am Finanzmarkt“, schrieb Professor Malcolm Baker von der Harvard Business School in einem 2011 veröffentlichten Artikel im Financial Analysts Journal. Marktdaten bis zurück in die 1930er Jahre zeigen laut Baker, dass Aktien mit geringer Volatilität in etwa die gleichen Erträge erzielten wie Markt-Indizes. Das widerspricht der Idee, dass ein höheres Risiko auch mit höheren Erträgen entlohnt wird. „In diesem Falle geht man geringere Risiken ein, verzichtet aber nicht auf Ertrag“, erläutert er.

Auch andere Studien seien zu ähnlichen Ergebnissen gekommen, berichtet Joel Dickson, leitender Investmentstratege beim amerikanischen Vermögensverwalter Vanguard. Mit einer Erklärung tue sich die Wissenschaft schwer, die meisten Erklärungsansätze zielten auf das Verhalten der Investoren ab, so Dickson. Investoren seien von schnell wachsenden und glanzvollen Unternehmen so begeistert, dass sie die Kurse so stark in die Höhe trieben, dass sich dies negativ auf künftige Erträge auswirke, erläutert er.

Eine Einschränkung gibt es laut Dickson allerdings bei den Vorteilen der volatilitätsarmen Aktien. Wenn der Aktienmarkt allgemein stark steige wie in den 1990er Jahren, könnten Aktien mit geringer Volatilität über lange Zeiträume schlechter abschneiden als der Markt, warnt er. „Man muss als Investor bereit sein, über einen gewissen Zeitraum ein Versagen dieser Strategie in Kauf zu nehmen.“

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