Ethereum-Blockchain Krypto-Kunst, Computerkatzen, Klopapier: Wo NFTs schon heute die Preise treiben

Krypto-Kunst, Computerkatzen, Klopapier: Wo NFTs schon heute die Preise treiben Quelle: Getty Images

Die Blockchain hat eine neue Anlageklasse geschaffen: Non-fungible Token, digitale Echtheitszertifikate, verleihen virtuellen Sammlerstücken einen Wert. Wer geschickt einkauft, kann auf hohe Wertzuwächse spekulieren.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Das Auktionshaus Christie’s versteigert ein Digitalgemälde für 69 Millionen Euro, ein Stück virtuelles Land wandert für 1,6 Millionen Dollar über den digitalen Tresen und eine pastellfarbene Computerkatze wechselt für mehr als 21.000 Dollar ihren Besitzer. Im Schatten von Kryptowährungen entwickeln sich digitale Sammlerstücke derzeit zum Markt-Hype des Jahres. 

Dabei bestehen sie alle nur aus Rechenleistung – aufhängen, anfassen oder streicheln kann man die digitalisierten Werte nicht. Und dennoch werden sie gerade für astronomische Summen gehandelt. Der Grund: Die virtuellen Besitztümer sind die ersten Unikate des Internets. Möglich macht es eine Blockchain-Technologie, die sogenannten NFTs. 

Das Kürzel steht für „non-fungible Token“ und bedeutet so viel wie „nicht ersetzbare Wertmarken“. Anders als „fungible Token“ wie etwa Kryptowährungen, Euro oder Dollar, die allesamt innerhalb ihrer Anlageklasse getauscht werden können, ohne dass sich ihr Wert dabei ändert, ist jeder NFT einzigartig. Er kann nicht durch einen anderen Token ersetzt werden.

Mit den NFTs gelingt nun, was es im Internet bislang nicht gab: eine echte Verknappung digitaler Inhalte. Denn bei einem NFT verwandeln die Macher virtuelle Güter über die Ethereum-Blockchain in einzigartige und fälschungssichere Sammlerstücke.

Das Prinzip dahinter funktioniert so: Die Blockchain schreibt jedem Gut eine eindeutige Kennung zu, indem sie es wie eine Münze mit einer einzigartigen Token-Nummer prägt. Das gibt den virtuellen Assets einen Seltenheitswert, den die per Rechtsklick beliebig vervielfältigbaren Internet-Inhalte bisher nicht hatten. Zudem lässt sich einsehen, wer die Rechte an den jeweiligen Inhalten besitzt. Und die Blockchain-Technologie verhindert, dass diese Informationen verfälscht werden. Jede Nutzung dieser Inhalte ist dann vom Besitzer kontrolliert.

Auf eigenen NFT-Marktplätzen wie Opensea oder Rarible können die Krypto-Sammler ihre digitalen Besitztümer online handeln. Dort können sie „nicht-fungible“ Vermögenswerte wie Kunst, Digitalcharaktere und Fußballkarten gegen „fungible“ Vermögenswerte wie Bargeld oder Kryptowährung eintauschen. 

Blockchain-Sammelmarkt hat sich vervierfacht 

Seit Jahresbeginn explodiert der Handel auf diesen Plattformen förmlich. Den Zahlen der größten NFT-Datenbank (Nonfungible.com) zufolge wurden allein im ersten Quartal 2021 weltweit NFTs im Wert von über zwei Milliarden Dollar gehandelt. Damit haben die diesjährigen Transaktionen schon fast zwei Drittel des Gesamtvolumens von 2020 erreicht. Das lag Ende 2020 bei rund 3,4 Milliarden Dollar – und damit fast viermal so hoch wie noch 2018. Allein auf Opensea wechselten bis Mitte Mai (Stichtag 18.05) bislang NFTs im Wert von über 115 Millionen Dollar den Besitzer. Zum Vergleich: Im gesamten Monat April lag das Handelsvolumen bei rund 93 Millionen Dollar.

Hinter den Rekordverkäufen steckt die Hoffnung auf hohe Wertzuwächse: Wie physische Sammlerstücke erzielen NFTs zwar keine laufenden Erträge, können Anlegern aber als Investitionsobjekt dienen, wenn sie die Tokens teurer weiterverkaufen.

Die teuersten NFT-Sammelobjekte
Rund 70 Millionen US-Dollar: Mike „Beeple“ Winkelmanns „Everydays: the First 5000 Days“Seit 2007 postete der US-Künstler „Mike Winkelmann“ fast täglich ein digitales Bild bei der Online-Plattform Tumblr. Anfang des Jahres fügte er die insgesamt 5000 Abbildungen zu einer Collage zusammen und erstellte daraus einen NFT. Mitte März brachte das Werk mit dem Namen „Everyday: The First 5000 Days“ beim Auktionshaus Chrsitie’s rund 69 Millionen Dollar ein – damit ist es das teuerste je von einem lebenden Künstler versteigerte Gemälde.Hinweis: Der Markt ist sehr volatil und vom US-Dollar / ETH-Preis abhängig; Stand: 07. Mai 2021Mehr zum Thema: Digitale Kryptoschlüssel könnten die Finanzwelt verändern. Wo sie bereits zum Einsatz kommen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Rund 1,2 Millionen US-Dollar: Der Virtuelle Charakter „CryptoPunk #6965“Die verpixelten Portraits der CyrptoPunks sind begehrt, weil es nur 10.000 Stück davon gibt. Das Höchstgebot dieses seltenen „Ape Punks“ liegt aktuell bei rund 7,3 Millionen Dollar. Quelle: Screenshot
1,5 Millionen US-Dollar: Ein virtuelles Grundstück aus dem Spiel „Axie Infinity“Ein virtueller Landstrich im Blockchain-Computerspiel Axie Infinity hat Anfang Februar für rund 1,5 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt. Mittlerweile hat der explodierende Ether-Kurs den Wert des virtuellen Anwesens auf über 3,5 Millionen Dollar hochgeschraubt. Quelle: Presse
Rund 920.000 US-Dollar: Die Krypto-Katze „Dragon“Für diese Krypto-Katze namens „Dragon“ hat der aktuelle Besitzer Anfang des Jahres rund 920.000 Dollar bezahlt. Mittlerweile ist das pastellfarbene Kätzchen fast 2,4 Millionen Dollar wert. Quelle: Screenshot
Rund 590.000 US-Dollar: Das Meme „Nyan Cat“Die animierte Nyan Cat fliegt schon seit fast einem Jahrzehnt durchs Internet. Als NFT wurde digitale Regenbogenkatze Ende Februar für rund 600.000 Dollar versteigert. Damit ist die Nyan Cat nun nicht nur das bekannteste, sondern auch das bislang teuerste GIF der Welt. Quelle: Screenshot
Rund 100.000 US-Dollar: Digitale NBA-Sammelkarten des Top-Basketballspielers LeBron JamesDer Basketballer Lebron James ist ein NBA-Superstar. Ein von der US-Basketball-Liga offiziell lizensierter Videoclip einer seiner spektakulärsten Würfe wurde Mitte März wurde für rund 210.000 Dollar versteigert – als NFT. Mehr zum Thema: Digitale Kryptoschlüssel könnten die Finanzwelt verändern. Wo sie bereits zum Einsatz kommen. Quelle: imago images

Ob das klappt, darauf lässt sich derzeit nur spekulieren. Der Markt ist noch jung, es fehlt an ausreichend Transaktionen, anhand derer sich die zukünftige Wertentwicklung der Sammlerstücke abschätzen ließe. Zudem ist der ausbezahlte Preis in Euro zumeist von der Kursentwicklung des Ethers abhängig – und der schwankt wie bei den meisten Kryptowährung extrem. Mehr als ein Viertel Wertgewinn oder -verlust innerhalb eines Tages sind keine Seltenheit.

Für Anleger bedeutet das: Wer einen seltenen NFT besitzt, kann in Online-Auktionen gigantische Gewinne erzielen – geht aber gleichzeitig ein hohes Risiko ein. Welche Krypto-Sammlerstücke besonders beliebt sind, zeigt ein Überblick:

CryptoPunks: Die Höhlenmalerei der NFT-Kunst

2017 hat sie das Software-Unternehmen Larva Labs im Internet noch umsonst verteilt, heute sind sie Millionen wert.  Hinter den CryptoPunks verbirgt sich eine Sammlung von rund 10.000 einzigartigen Portraits, die allesamt pixelige Gesichter zeigen. Mit ihren bunten Frisuren und rebellischem Stil erinnern die Charaktere an die Londoner Punk-Szene. Da die CryptoPunks eines der ersten NFT-Projekte auf der Ethereum Blockchain sind, haben sie mittlerweile in der Krypto-Welt Kultstatus erlangt. Die gesamte Kollektion wird laut der Website des Entwicklers aktuell für rund 713 Millionen Dollar gehandelt, selbst der billigste Punk ist 59.000 Dollar wert.

Befeuert durch den Krypto-Markt ist auch um die um die algorithmisch generierten Bildchen ein wahrer Sammelhype entstanden. Seit Jahresbeginn sind die Preise der Punks deutlich gestiegen. So ging etwa Punk 9378, ein zigarettenrauchender junger Mann samt pinker Sonnenbrille, am 21. März für umgerechnet rund 40.000 Dollar über die Ladentheke. Der Verkäufer, laut Plattform ein User namens „0x6f1724“, hatte das NFT-Portrait am 28. August 2018 noch für umgerechnet 35 Dollar erstanden. Das letzte Gebot von Mitte Mai liegt nun bei über 147.000 Dollar.

Was gibt NFT-Kunst ihren Wert? NFT-Kunst: Vermögens- oder Spekulationsobjekt?
  • Einzigartig
    Jeder NFT ist einzigartig (= nicht fungibel / non-fungible). Die Blockchain schreibt jedem NFT einen eindeutige Kennung, indem sie das Kunstwerk wie eine Münze mit einer einzigartigen Token-Nummer prägt. Jedes NFT-Kunstwerk existiert also nur einmal auf der Blockchain.
  • Unfälschbar
    Die Blockchain speichert alle Informationen zum NFT dezentral, das heißt auf mehreren Rechnern. Kein Rechner, weiß alle Informationen gleichzeitig. Dadurch ist es praktisch unmöglich digitale Kunst zu fälschen. Im Gegensatz zu einfachen digitalen Bildern, die per Mausklick kopiert werden können, werden durch NFTs also erstmalig digitale „Originale“ geschaffen.
  • Selten
    Die Erstellung („Minten“) eines NFTs ist aktuell noch vergleichsweise teuer und erfordert technisches Wissen. Dadurch gibt es im Moment noch sehr wenige NFTs von einem bestimmten Künstler. Wer ein NFT-Kunstwerk erwirbt, besitzt quasi einen Teil einer noch stark begrenzten NFT-Gallerie.
  • Unzerstörbar
    Jeder NFT ist in der Blockchain verewigt, das heißt für immer eingeschlossen. Niemand kann NFT-Kunst entfernen oder ihren Namen ändern. Das bedeutet auch, dass ein NFT-Kunstwerk niemals an „Qualität“ verliert, oder restauriert werden muss.
  • Handelbar
    NFT-Kunst kann einfacher als analoge Kunst gehandelt werden. Möglich macht es die Ethereum-Blockchain, genauer gesagt der ERC-721 Standard. Er schafft die Rahmenbedingungen dafür, dass erstmals einzigartige, „nicht-fungible“ Vermögenswerte wie Kunst relativ einfach gegen „fungible“ Vermögenswerte wie Bargeld oder Kryptowährung eingetauscht werden können – ganz ohne Kunstgutachter oder Auktionshaus.
  • Sammlerstück
    NFTs sind Sammlerstücke. Ihre Besitzer können an der digitalen Kunst festhalten, verschiedene NFTs von einem Künstler sammeln, eintauschen oder sie weiterverkaufen. Der bekannteste Kryptokünstler ist der US-Amerikaner Beeple. Sein teuerstes Kunstwerk wurde zuletzt für knapp 70 Millionen Dollar versteigert.
  • Spekulationsobjekt
    Der Wert von NFTs ist in den letzten Jahren explodiert. Wer vor einem Jahr einen NFT für 2000 Euro gekauft hat, könnte ihn heute für über 8000 Euro verkaufen – oder auf weiteren Wertgewinn spekulieren. Die Preisentwicklung am NFT-Markt ist jedoch sehr volatil. Sie ist hauptsächlich vom Ether-Preis und trotz des jüngsten Hypes von vergleichsweise wenigen Marktakteuren abhängig.
  • Ewige Rendite
    Wer selbst NFT-Kunst erstellt, kann diesen mit einer „Royalty Fee“ versehen. Sie stellt sicher, dass der NFT-Künstler bei jedem kommerziellen Weiterverkauf einen bestimmten Prozentsatz vom Verkaufspreis erhält – und somit auf ewig von der Wertsteigerung seines Werks profitiert.

Noch gewaltiger ist der Wertgewinn bei Punk 3100, ein seltener Alien Punk, von denen es insgesamt nur neun Stück gibt. Mitte Dezember lag das Höchstgebot noch bei 1,2 Ether, was 670 Dollar entsprach. Am 11. März wechselte der türkisfarbene Avatar für 4200 Ether, zum damaligen Zeitpunktumgerechnet 7,5 Millionen Dollar, den Besitzer. Nach dem jüngsten Rekordhoch von Ethereum hat sich der Wert auf fast 14 Millionen Dollar hochgeschraubt.

Selbst das weltweit größte Auktionshaus Christie‘s hat mittlerweile Gefallen an den bunten Avataren gefunden. Mitte Mai kam bei einer Online-Auktion ein Paket aus insgesamt neun CryptoPunks unter den Hammer. Das Endgebot der NFT-Kollektion lag bei 14,5 Millionen Dollar. Zuzüglich Gebühren ergibt das einen Kaufpreis von fast 17 Millionen Dollar.

CryptoKitties: Geld für gute Gene

Wie macht man die Kryptotechnologie der breiten Masse zugänglich? Mit süßen Kätzchen natürlich. 2017 vom IT-Unternehmen Dapper Labbs entwickelt, gelten die pastellfarbenen „CryptoKitties“ zusammen mit den CryptoPunks als die ersten Bewohner des NFT-Universums. 

Bereits 2018 haben die einzelnen Kätzchen Rekordsummen von bis zu 200.000 Dollar eingebracht. In der ersten Woche nach Veröffentlichung von CryptoKitties machte der virtuelle Katzen-Handel sogar rund elf Prozent aller Transaktionen mit Ethereum aus. Zwischenzeitlich brachte der Hype um die Krypto-Katzen das weltweit zweitgrößte Blockchain-Netzwerk fast zum Stillstand: Die Ethereum Blockchain kam mit der Bearbeitung der Transaktionen nicht mehr hinterher und die Netzwerkgebühren schossen in den Himmel.

Das Zucht-Prinzip ist einfach: In einer Art digitalem Sammelspiel, das auf der Ethereum-Blockhain beruht, können Nutzer virtuelle Katzen kaufen, verkaufen oder miteinander paaren. Jede Kryptokatze ist als NFT gespeichert – damit ist jedes gezüchtete Tier einmalig und kann weder kopiert noch gelöscht werden.

Zudem hat jede „Cryptokitty“ einen individuellen Wert in Ether, der sich aus verschiedenen Kriterien wie etwa dem Aussehen oder dem Alter zusammensetzt. Je mehr besondere Eigenschaften – sogenannte „cattributes“ – die digitale Katze hat und je älter sie ist, desto höher ist ihr Marktwert.

Katzen der Generation Null sind besonders wertvoll. Von ihnen gibt es nur gut 50.000 Stück. Denn sie wurden nur im ersten Marktjahr alle 15 Minuten automatisch vom System geschaffen und an den Höchstbietenden verteilt. Damit ist die Anzahl der „Gen-0-Kitties“ begrenzt – alle anderen Generationen können die Spieler selbst und beliebig oft heranzüchten.

Allgemein gilt: Der Nachwuchs ist immer eine Generation höher als die ältere der beiden Erzeuger-Katzen. Paaren sich zwei Katzen der Generation null, erhält man eine Kitty der Generation eins. Der Nachwuchs ist demnach wertvoller als eine Katze der Generation zwei, die bei der Paarung zweier Gen-1-Kitties entstehen würde. Paart sich eine Katze der Generation drei mit einer Katze der Generation vier, zählt der Nachwuchs zur Generation fünf und ist mehr wert als eine Katze der Generation 17, die beispielsweise bei der Paarung einer Gen-2-Kitty mit einer Gen16-Kitty entstehen würde.

Gewinn erzielen demnach die Züchter, die für das Paaren einer Katze mehr Geld einnehmen, als sie für die Katzen ursprünglich bezahlt haben. Doch aufgepasst:  Je öfter eine Katze gedeckt wird, desto länger dauert es, bis sie sich wieder paaren kann. Außerdem kostet jede Paarung 0,008 Ether, also rund 30 Dollar. Die Besitzer müssen also abwägen, mit wem und wie oft sie ihre Lieblinge paaren – und wie viel Geld sie dafür nehmen oder ausgeben möchten. Mittlerweile sind Katzen über 4000 verschiedener Generationen auf dem Markt.

CryptoKitties der Generation null werden derzeit für bis zu über eine Millionen Dollar gehandelt. Aber auch Kitties höherer Generationen, die dafür umso mehr seltene Eigenschaften besitzen, erzielen bereits siebenstellige Beträge. So etwa das Kätzchen „Tekashi 89“ – das Tier zählt zur Generation hundert, ist aber trotzdem über eine Million Dollar wert. Der Grund: „Tekashi 89“ hat ganze zwölf „cattributes“, darunter ein Einhorn und Engelsflügel. Das billigste Kätzchen, „Honey B“, ein einfaches senffarbenes Tier mit grau getigertem Schweif, kostet hingegen nur vier Dollar.

Krypto-Kunst: Pixelhaufen, Katzen-Gifs und nackter Trump

Es scheint, als wäre alles wie immer auf dem Kunstmarkt. Werke werden zu Rekordsummen versteigert, ihre Motive und Preise sorgen außerhalb der Szene für Fassungslosigkeit.  Doch diesmal erhalten die Käufer keine Bilder in antiken Rahmen, sondern Digitaldateien in ihre Krypto-Wallets. Anfassen oder aufhängen kann man die virtuelle Kunst nicht, dafür aber für eine Menge Geld weiterverkaufen.

So etwa im Oktober 2020, als ein Kunstsammler aus Miami fast 67.000 Dollar für einen zehnsekündigen Videoclip ausgab. Zu sehen ist darin ein übergroßer Donald Trump, der nackt zusammengebrochen am Boden kauert. Ende Februar verkaufte der Sammler das animierte Video dann für 6,6 Millionen Dollar weiter. Oder das Kunstwerk „Everydays: The First 5.000 Days“ – eine digitale Collage, des US-Künstlers Mike Winkelmann alias Beeple, der auch das Trump-Video erschaffen hat. Beim renommierten Auktionshaus Christie’s hat es im März über 69 Millionen Dollar eingebracht. Das Digitalgemälde zeigt Beeple’s Arbeit der letzten 13 Jahre, in denen er jeden Tag ein Bild auf Instagram gepostet hat. Zusammengeflickt und als NFT verpackt zählt der Pixelhaufen nun zum teuersten je von einem lebenden Künstler versteigerten Kunstwerk. Der Künstler selbst kommentierte den Preis auf Twitter nur mit einem „Holy Fuck“.

Der Kauf markiert den bisherigen Höhepunkt des Hypes um digitale Kunst. Auf Online-Marktplätzen, die in der Kunstwelt bisher kaum jemand Kenntnis genommen hat, ist mittlerweile ein reger Handel entstanden. Die populärsten Portale für NFT-Kunst heißen Nifty Gateway, SuperRare, Foundation, MakersPlace, Rarible und Zora.

Auf ersterer ist unter anderem die kanadische Sängerin Grimes, zugleich Partnerin von Tesla-Chef Elon Musk, unterwegs. Zusammen mit ihrem Bruder Mac Boucher hat Grimes im März eine Kollektion namens „War Nymphs“ auf dem Portal Nifty Gateway teils verkauft, teils versteigert. Die Sammlung enthielt digitale Gemälde, aber auch Animationen und Videoclips – oder aber Werke, die alle drei Ausdrucksformen kombinieren. So enthielten etwa die animierten Sequenzen „Earth“ und „Mars“, die beide eine düstere, planetarischen Außenwelt darstellen, eigens komponierte Musik. Rund 400 Exemplare pro Darstellung hat Grimes verkauft. Einzelpreis: 7.500 Dollar.

Etwa hundert Bilder mit dem Namen „Newborn“ spielten der Künstlerin jeweils 20 Dollar pro Stück ein. Ihre zwei größten Gemälde hat die Kanadierin versteigert. Mit Erfolg: Bis zu 111.000 Dollar boten einzelne Auktionsteilnehmer. Insgesamt verkaufte sie digitale Objekte im Wert von 5,8 Millionen US-Dollar – innerhalb von 20 Minuten. Derweilen erzählen auch Künstler auf der Plauder-App Clubhouse, dass sie in fünf Minuten digitale Kunst für 1,4 Millionen Dollar verkauft haben. Summen, die man sich nicht erklären kann, wenn man mit der „Drop Culture“, eine spezielle Verkaufstaktik der NFT-Märkte, nicht vertraut ist.

Die Strategie lebt vom Hype. Der psychologische Trick besteht darin ein limitiertes Produkt oder eine Kollektion ohne große Vorankündigung herauszubringen. Die Grundidee ist es, ein Gefühl der Dringlichkeit und eine Illusion der Knappheit bei den Verbrauchern zu erzeugen.

Käufer können Kunst mitgestalten

Europäischer Pionier am Blockchain-Kunstmarkt ist eine Schweizer Firma namens Suum Cuique Labs. Bereits 2019 experimentierte das Start-up, bestehend aus insgesamt 70 Künstlern aus aller Welt, mit digitalen Porträts. Im Frühjahr dieses Jahres gelang ihnen der Durchbruch – das teuerste ihrer „Hashmasks“, wie sie ihre digitalen Kunstwerke betiteln, spielte 16 Millionen Dollar ein. Aktuell gibt es 16.384 digitalen Porträts mit verschiedenen Masken, Hintergründen und Augenfarben. Die Bilder bestehen allesamt aus verschiedenen Teilen, die jeweils unterschiedlich oft vorhanden sind.

So schafft das Hashmask-Projekt eine künstliche Verknappung, die sich auch in den Preisen zeigt: Je nach Seltenheitsgrad der dargestellten Elemente kosten die auf der NFT-Handelsplattform Opensea angebotenen Portraits derzeit zwischen 371 und 6,9 Millionen Dollar. Der Durchschnittspreis pro Stück liegt bei 2,45 Ether, also rund 8.500 Dollar.

Das Besondere: Die Käufer können an der Fertigstellung des Kunstwerks mitwirken, indem sie den Hashmasks über einen ihnen zugeordneten Token – den sogenannten „Name Chaniging Token“, kurz NCT – einen Titel ihrer Wahl geben. Verkaufen sie das Porträt weiter, kann es auch der neue Käufer umbenennen. Nach zehn Jahren wird die Möglichkeit, einzelne Kunstwerke umzubenennen, immer exklusiver. Dann stoppt die Ausgabe von neuen NCTs, sodass keine Namensänderungen mehr möglich sind.

Zum Verkaufsstart Anfang des Jahres schlug als einer der ersten Kunden Bitcoin-Millionär Jordan Fish zu. Er twitterte: „Warum habe ich 100.000 Dollar für verdammte Hashmasks ausgegeben?“ – und schob noch einmal 100.000 Dollar nach. In den folgenden sechs Stunden wurden rund 3.000 Werke verkauft. Eines der Porträts, dessen Einstandspreis bei 130 Dollar lag, wechselte drei Tage später für – für rund 130.000 Dollar den Besitzer. Rekordverkäufe wie diese verhalfen Hashmasks zu weiterer Bekanntheit.

Inzwischen sind alle Portraits in festen Händen, nur rund 50 Besitzer bieten ihre Gemälde derzeit zum Wiederverkauf an. Darunter zum Beispiel ein Werk namens „Covid“ – es zeigt einen jungen Mann auf rotem Hintergrund, der einen schwarzen Mundschutz trägt und eine Klopapierrolle auf dem Handrücken balanciert. Das Höchstgebot liegt bei 139.000 Dollar.

Selbst die Nyan Cat, die wohl bekannteste Gif-Animation der Welt, hat sich mittlerweile in einen NFT verwandelt. Jahrzehntelang geisterte die Katze samt Teiggebäck-Körper und Regenbogenschweif kostenlos durchs Internet. Nun hat ihr Schöpfer Chris Torres die Nyan Cat als Token auf dem Portal Foundation verkauft – für knapp 600.000 Dollar.

Ein BigMac zum Aufhängen

Etwas günstiger kommen Kunstsammler mit einem Faible für Fastfood davon: So verkaufte die US-Kette Taco Bell Anfang des Jahres eine „NFTacoBell-Collection“. Die insgesamt 25 Krypto-Bilder, die verschiedenen Menüs zeigen, waren innerhalb von 30 Minuten ausverkauft. Ursprünglich waren die Preise auf einen Dollar pro Stück festgelegt, die teuersten NFTs wurden zuletzt allerdings für mehr als 3.600 Dollar gehandelt. Mit jedem Weiterverkauf verdient Taco Bell 0,1 Prozent an Lizenzgebühren, die der Konzern an die Taco Bell Foundation spendet.

Vor wenigen Wochen stieg dann auch der Fast-Food-Riese McDonald’s in das NFT-Geschäft ein. Der französische Ableger des Franchise-Unternehmens veröffentlichte kürzlich auf Instagram zwei hauseigene NFTs. Darauf zu sehen sind zwei absolute Fast-Food-Klassiker: Ein Big Mac und eine Portion Chicken McNuggets – begleitet von dem Hashtag „#McDoNFT“.

Eine Woche später folgte ein Twitter-Post, der zwei weitere McDonald’s NFTs ankündigte – diesmal Eis und Pommes. Von jedem Produkt gibt es fünf Exemplare, also insgesamt 20 NFTs. Anders als bei klassischen NFT-Auktionen wurden, die McDonald’s-Werke über Twitter und Instagram verlost. Der Clou daran: Die NFTs von Mäckes können dank eines extra entwickelten digitalen Rahmens auch als Kunstwerk an die Wände gehangen werden. Bloß essen kann man die tokenisierten Burger, Nuggets und Fritten (noch) nicht.

Dass inzwischen sogar schon der Toilettenpapierhersteller Charmin eigene NFT-Kunst als Marketingaktion versteigert, sollte allerdings zu denken geben. Die teuerste der auf sieben Stück limitierten Klopapierrollen-Animationen zeigt abwechselnd eine Toilettenpapierrolle und einen blinkenden Emoji-Kackhaufen. Im Hintergrund steht: „Enjoy the go“, was so viel wie „Genieße den Toilettengang“ bedeutet.“ Kunst ist frei – auch in der Kryptowelt.

Mehr zum Thema: Wer bei Krypto nur an Bitcoin denkt, übersieht womöglich das Wichtigste: Der Handel mit Kryptoschlüsseln ist längst ein Millionengeschäft. Bald schon könnten virtuelle Aktien über die Blockchain gehandelt werden. Krypto-Revolution NFTs: Und was bringt das Anlegern?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%