Euro-Schuldenkrise Pimco erwartet Zahlungsausfall Griechenlands

In der Schuldenkrise taumelt Europa von einer Panikattacke an den Börsen zur nächsten. Und es könnte noch schlimmer kommen: Der weltgrößte Anleiheverwalter erwartet eine Umschuldung Griechenlands im nächsten halben Jahr.

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Pimco-Chef Mohamed El-Erian. Quelle: handelsblatt.com

Für Portugal und Irland sieht der Vorstandsprecher der Fondsgesellschaft Pimco, Mohamed El-Erian, zwar ein Umschuldungsrisiko. Eine Umstrukturierung ist seiner Meinung nach aber nicht unvermeidlich. Spanien ist laut El-Erian relativ stark. Der Pimco-Chef hält das Land aber ebenso wie Italien bei einer psychologischen Eskalation der Lage in der EU für anfällig. Das Übergreifen der Marktverwerfungen auf Italien hält er für beunruhigend. Pimco steuert über 900 Milliarden Euro und gehört zu Allianz Global Investors, der 1,5 Billionen Euro großen Vermögensverwaltungsgruppe der Allianz.

Das größte Risiko sieht El-Erian in einem Run auf die Banken in Griechenland und in den anderen anfälligen Staaten. Die Bankeinlagen in Griechenland sind seinen Angaben zufolge in Griechenland schon um zehn Prozent gesunken. „Das kann sehr schnell eskalieren“, sagt er. Solche Entwicklungen führten nach den Erfahrungen in anderen Ländern rasch zu einer massiven Wirtschafts- und Finanzkrise. Entscheidend ist seiner Meinung jetzt die Umsetzung des Sparprogramms, begleitet von Maßnahmen, die dem Schuldenüberhang begegnen und Wirtschaftswachstum ermöglichen.

El-Erian erkennt ein besonderes Risiko auch in den Aufkäufen griechischer Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank. Seiner Meinung nach müsste die EZB ab einem kritischen Punkt ihr Eigenkapital erhöhen. Das dürfte ihm zufolge in den nächsten drei Jahren der Fall sein. Der Kritik an den Ratingagenturen setzt er die Idee eines stärkeren Wettbewerbs auf diesem Feld durch Beteiligung weiterer Adressen entgegen. Außerdem sollten die Agenturen durch die Aufsichtsbehörden kontrolliert werden.

Nach den Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wird es beim zweiten Rettungspaket für Griechenland eine Beteiligung privater Gläubiger geben. Das sagte er nach dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. Alle Optionen dazu würden jetzt vorbehaltlos geprüft. Der CDU-Politiker führte aus, Griechenland müsse seine Finanzen dauerhaft unter Kontrolle bringen. Die von der Europäischen Union zugesagten längeren Laufzeiten und niedrigeren Zinsen für Hilfskredite seien ein Beitrag dazu.

Neuer EU-Sondergipfel zur Schuldenkrise geplant

EU-Währungskommissar Olli Rehn betonte, das zweite Rettungspaket für Griechenland müsse so schnell wie möglich fertig gestellt werden. Ansonsten bestünde für andere Staaten eine große Ansteckungsgefahr. Wie Korrespondenten unter Berufung auf Diplomatenkreise berichten, soll es am Freitag einen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zur Schulden-Krise in der Euro-Zone geben.

Nach Griechenland, Irland und Portugal wird derweil von den Märkten auch Italien ins Visier genommen. Die Märkte treiben die Politik quasi vor sich her, während die EZB als Ausweg aus dem Dilemma auf eine stärkere zentrale Steuerung in Europa drängt. EZB-Ratsmitglied Lorenzo Bini Smaghi rät den Staaten inzwischen sogar, die Ausgabe von Staatsanleihen an eine europäische Institution abzutreten. Aber auch wenn die Märkte nach einem solchen Schritt zur Ruhe kommen sollte, wäre nach Einschätzung von Experten das Grundproblem der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten nicht gelöst: „Man würde sich der gefährlichen Illusion hingeben, dass alle Länder gleich sind“, meint Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud.

Deutschland spielt derzeit in einer anderen Liga als etwa Griechenland, Irland oder Portugal. Die größte Volkswirtschaft auf dem Kontinent hat sich im vergangenen Jahrzehnt zum Muskelprotz entwickelt - gestärkt durch niedrige Lohnstückkosten und eine schmerzhaften Rosskur am Arbeitsmarkt. Die strukturschwachen Euro-Randstaaten befeuerten hingegen mit relativ billigem Geld der EZB einen trügerischen Aufschwung, der auf Sand gebaut war. Die Kapitalmärkte deckten diese Schwäche im Nachhinein schonungslos auf und reagieren mit satten Risikoaufschlägen für den Schuldendienst.

Nach Berechnungen des Freiburger Centrums für Europäische Politik (CEP) hat auch Italien schon seit zwei Jahren mehr Kapital im Ausland geliehen als es für Investitionen in die Erweiterung seiner Produktionskapazitäten ausgibt. Dass nun auch für dieses Land die Risikoaufschläge am Kapitalmarkt steigen, erscheint somit folgerichtig. Die Märkte bilden auf diese Weise die Fieberkurve ab, die bei offen zu Tage liegenden wirtschaftlichen und fiskalischen Problemen von Ländern steigt.

Immer neue Geldtöpfe keine Lösung

Sollte die Währungsunion eines Tages mit der Ausgabe gemeinsamer Euro-Bonds diesen „Röntgen-Blick“ des Marktes verstellen, wäre damit nichts gewonnen, warnt Expertin Traud: „Die Ausdifferenzierung der Märkte, die die Staaten unterschiedlich hoch bewertet, würde einfach zugeschüttet.“ Beim Kurieren der Probleme gebe es „kein Allheilmittel“. Die Volkswirtin plädiert zugleich dafür, sich vom kurzfristigen Krisenmanagement zu verabschieden: „Die Politik muss weg von der Idee, dass man immer neue Geldtöpfe aufmachen kann, um die Finanzlöcher in den Ländern zu stopfen.“

Bini Smaghi verbindet mit seinem Reform-Aufruf die Hoffnung, dass die Euro-Länder quasi durch die Hintertür eine Schuldenbremse einführen müssten. Denn die Ausgabe der Anleihen über eine supranationale Organisation wäre nach seinem Modell nur über einen „Rahmen für jedes einzelne Land“ möglich, das durch ein gemeinsam angenommenes Stabilitätsprogramm definiert würde. Mit dem Eurorettungsschirm EFSF steht bereits ein Vehikel bereit, mit dem Bini Smaghis Modell in die Spur gesetzt werden könnte. Die Euro-Finanzminister einigten sich grundsätzlich darauf, dass der EFSF künftig griechische Anleihen zurückkaufen darf.

Analyst Andrew Garthwaite von Credit Suisse spinnt den Gedanken bereits weiter: „Was wäre, wenn der EFSF am Sekundärmarkt nicht nur zu Marktpreisen Anleihen aufkaufen, sondern auch neue Anleihen für das entsprechende Euro-Land mit Spitzenrating ausgeben würde?“ Möglicherweise könne auch der IWF mit ins Boot geholt werden.

Ob der Rettungsfonds eines Tages tatsächlich die Lizenz zum Auflegen von Länder-Anleihen erhalten wird, steht zwar noch in den Sternen. Zumindest dürfte in einem solchen Fall aber die Europäische Zentralbank (EZB) erleichtert sein, dass sie die ungeliebte Aufgabe des Aufkaufs von Anleihen klammer Euro-Staaten am Sekundärmarkt nicht mehr alleine bewältigen muss. Obwohl als Mittel zur Stabilisierung der Märkte deklariert, waren die Ankäufe in den Augen von Kritikern als Sündenfall gewertet worden. Der Vorwurf: Die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik wird verwischt.

Antje Praefcke, Devisenanalystin bei der Commerzbank, glaubt, dass sich der Sturm an den Märkten auch ohne grundlegende Reformen in Europa bald legen wird. „Wenn das zweite Rettungspaket für Griechenland endlich steht, sollten sich die Märkte beruhigen.“ Die Anleger wollen eine klare Linie sehen und wissen, wohin die Reise geht. Derzeit herrscht an den Märkten einfach nur Panik, weil die Unsicherheit so groß ist.

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