Euro Stoxx 50 Bei Aktien gilt derzeit „Europa zuerst!“

Anlageexperten sehen aktuell gute Chancen und Nachholpotenzial für europäische Aktien. Für ein verstärktes Investment auf dem Kontinent spricht einiges. Doch auch eine andere Anlageklasse hat derzeit Potenzial.

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Pro-Europa-Demonstration in Berlin. Quelle: dpa

Düsseldorf Selten waren sich Anlageexperten derart einig. Fast wie im Chor tönt es aus den Research-Abteilungen der Banken und Vermögensverwalter: Europäische Aktien übergewichten! Die Chefstrategen und Chefvolkswirte sehen Nachholpotenzial. Für europäische Börsen sprechen derzeit in der Tat die Bewertungen, die aktuellen Wirtschaftsdaten und nachlassende politische Risiken.

Hieß es zuletzt frei nach Donald Trumps Wahlversprechen „America first“ an den Aktienmärkten, könnte die Devise für Anleger in den kommenden Monaten deshalb „Europe first“ lauten. „Die Märkte haben ihre Hoffnungen auf Donald Trump schon zu einem starken Anteil ausgepreist“, sagt Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstratege bei Blackrock. US-Nebenwerte und amerikanische Value-Aktien, bis dato Gradmesser der „Make America great again“-Verheißungen, hätten ihre Outperformance in den letzten Wochen eingebüßt. „Dagegen läuft Europa immer besser, getrieben von guten volkswirtschaftlichen Zahlen und positiven Unternehmensberichten“, meint Lück.

Zwar stiegen auch diesseits des Atlantiks die Märkte in den Monaten nach Trumps Wahlsieg, aber Experten sehen noch immer Nachholbedarf. Der Dax notiert nahe seines Allzeithochs und hat im vergangenen halben Jahr fast 20 Prozent zugelegt. Noch ein bisschen besser schnitt der europäische Standardwerteindex Euro Stoxx 50 ab. „Natürlich sind die Märkte weit gelaufen und in den meisten Industrieländern liegen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse über dem langfristigen Durchschnitt“, sagt Tilmann Galler, Anlagestratege bei JP Morgan Asset Management.

Im Vergleich zu US-Aktien sind europäische Aktien aber noch günstiger. Während der S&P 500 auf ein durchschnittliches KGV von fast 19 kommt, ist der Dax mit dem 14-Fachen der erwarteten Gewinne für 2017 bewertet. Noch deutlicher ist der Unterschied beim Vergleich von MSCI USA und MSCI Europe: Die amerikanischen Werte kommen auf ein konjunkturbereinigtes KGV von gut 25, die europäische nur auf etwa die Hälfe – und das trotz der zuletzt sehr guten Börsenentwicklung. „Aber wir sind überzeugt, dass es zu früh ist, um die Aktienquoten runterzuschrauben“, sagt Galler. Anleger sollten die Anlageklasse weiter übergewichten.


Ein Katalysator für europäische Aktien

Vor allem nach den Präsidentschaftswahlen in Frankreich, bei denen der sozialliberale Emmanuel Macron für sich gegen die EU-feindliche Marine Le Pen durchsetzen konnten, sorgen für Erleichterung. Die ist so groß, dass viele Investoren seit Langem wieder optimistisch für die europäischen Märkte und ihre Wirtschaft gestimmt sind. „Ich halte die Wahl für einen Wendepunkt, für einen echten Katalysator, der Europa zumindest kurzfristig zu einer wesentlich attraktiveren Anlageregion mache könnte“, sagt Andrew Suzman, Aktienportfolio-Manager bei der Capital Group. Natürlich gebe es noch immer Herausforderungen und die Wahl löse nicht alle Probleme. „Aber die Bewertungen sind oft sehr niedrig, und die große politische und wirtschaftliche Krise blieb aus.“

Mit der hatte Tilmann Galler allerdings auch gar nicht gerechnet. „Politische Risiken sehen wir eher im kommenden Jahr“, sagt der Experte von JP Morgan mit Blick auf die Wahlen, die im März in Italien anstehen. „Dann könnte die Angst vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union und vor allem der Euro-Zone wieder aufflammen.“ Solche Unsicherheit würden die Börsenkurse belasten. Grundsätzlich schätzt der Experte die politischen Risiken aber eher moderat ein. Und deshalb sieht er auch Aufholpotenzial für europäische Aktien, die an Attraktivität gewonnen haben.

Denn nicht nur die französischen Wahlen verschaffen dem europäischen Markt Rückenwind. Auch Anzeichen für mehr Wirtschaftswachstum beflügeln.  „Die Frühindikatoren für die europäische Wirtschaft sind auf einem Sechs-Jahres-Hoch“, sagt Galler. Die Wirtschaft der Euro-Zone expandiert seit gut zwei Jahren genauso schnell wie die US-Wirtschaft. Hinzu kommt eine allmähliche Abwertung des Dollar. Der starke Anstieg der US-Währung seit 2014 hatte die Erträge europäischer Titel für Anleger aus dem Dollar-Raum geschmälert.

Davon profitieren aber nicht nur die europäischen Märkte. Deshalb sieht Galler derzeit auch nicht nur auf dem hiesigen Kontinent gute Chancen, sondern auch in den Emerging Markets – sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen. Langfristig seien Aktien aus den aufstrebenden Schwellenländern sogar interessanter, aber auch schwankungsfreudiger. „Der MSCI Emerging Markets hat eine deutlich höhere Volatilität als der MSCI World, das müssen Anleger bedenken“, so Galler. Ein Grund seien die lokalen Währungen, aber auch die Entwicklung des Dollars beeinflusst die Emerging Markets stark.

„Wenn der Dollar stark ist, stehen die Emerging Markets voll im Wind“, sagt der Experte. „Wir glauben aber, dass der Zyklus der Dollar-Stärke langsam zu Ende geht und das hilft den Emerging Markets.“ Auch die wirtschaftliche Entwicklung spreche für Investments. Aufgrund der Schwankungen brauchen Investoren aber einen relativ langen Anlagehorizont.

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