Also erwarten Sie, dass es für die Aktienmärkte in Europa weiter aufwärts geht?
Der Markt ist im vergangenen Jahr schon ziemlich gut gelaufen. Ich würde aber sagen, das war nur der erste Schub. Jetzt gab es eine erste kleine Konsolidierung. Solche Rücksetzer sind genau das richtige Umfeld, um chancenreiche Aktien zu kaufen. Sicher, wir haben hier und da fallende Kurse gesehen, weil doch zu viel Euphorie im Kurs enthalten war. Das gehört zum Börsenalltag: Nach der Untertreibung kommt die Übertreibung. Mit der Zeit pendeln die Aktienbewertungen aber um ihr fundamental gerechtfertigtes Niveau entsprechend der Unternehmensergebnisse. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Unternehmen schon viel besser dastehen als die europäischen Volkswirtschaften insgesamt. Wir reden immer von der hohen Staatsverschuldung, aber die Unternehmen haben dieses Problem nicht. Die Bilanzen sind sauber und die Verschuldung liegt unter dem historischen Durchschnitt. Auch die Kreditnachfrage zeigt Erholungstendenzen. Die Nachfrage nach Konsumkrediten entwickelt sich weniger schlecht und bei den Krediten für Unternehmen sieht es nach einer Bodenbildung aus.
Befürchten Sie nicht, wichtige Absatzmärkte wie die USA, Japan, China oder andere Schwellenländer könnten einbrechen?
Es mangelt schon an starken Motoren. Aber ich rechne nicht mit einer massiven Enttäuschung. Ich vermute, dass die USA jetzt langsam schwächer werden, nachdem sie vier Jahre lang mit ihrer Geldpolitik massive Kapitalinvestments angeschoben haben. Die Skeptiker hängen sich jetzt nur daran auf, dass es in den vergangenen Jahren so gut gelaufen ist und fragen sich, warum das nicht so weitergehen kann. Aber die Gewinnmargen sind schon sehr hoch, weil sehr gut investiert worden ist. Und viele Kurse sind auch dank der massiven Aktienrückkäufe im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Dass diese Maßnahmen irgendwann enden, sollte niemanden verwundern und ist insofern auch schon in die Kurse eingepreist. China würde ich genauso beurteilen: es wächst, aber eben langsamer als vorher. Bei den Schwellenländern ist zwar damit gerechnet worden, dass die eine oder andere überbewertete Währung fällt, aber eben nicht bei allen Ländern, die jetzt eine Riesenabwertung erlitten haben. Das mag sich noch zwei Quartale so fortsetzen, aber die meisten Analysten bauen diese Risiken jetzt in ihre Modelle ein. Jetzt sind sich alle der Risiken bewusst.
Dennoch werden Unternehmen darunter leiden, wenn die Schwellenländer weiter unter Druck geraten.
Jetzt kommt es darauf an, welche Marktteilnehmer die Absatzmöglichkeiten für die betroffenen Unternehmen richtig einschätzen. Ändert ein Unternehmen seine Preisstrategie so, dass es seine Marktanteile in den jeweiligen Schwellenländern erhält oder sogar erweitern kann, weil es Wettbewerber verdrängen kann? Dann könnten sie in den nächsten drei oder vier Jahren davon profitieren, auch wenn es zunächst die Gewinne schmälert. Oder macht ein Unternehmen mit dem Festhalten an hohen Preisen weiter und verzichtet dafür auf Absatzvolumen? Das richtig einzuschätzen, bedeutet sehr viel Arbeit.
Wie kommen Sie denn zu einer fundierten Einschätzung über solche Fragen?
Wir betrachten jedes Unternehmen einzeln und sprechen diese Themen an. Ich habe drei Unternehmensgespräche pro Tag und kann dafür aus 20 Terminen täglich in ganz Europa auswählen. Wir fragen nach den verschiedenen Unternehmenssparten, in welchen Regionen sie präsent sind und warum sie glauben, schneller als der Markt wachsen zu können. Die Vielfalt der Unternehmen ist dabei groß. Die einen können ihre Geschäfte für die nächsten Monate gut voraussagen, andere planen nur von Tag zu Tag. Mir macht es Spaß, mir einzelne Unternehmen und ihre Aktien genauer anzusehen.