
WirtschaftsWoche Online: Herr Lecoq, viele ihrer Kollegen im Fondsmanagement dürften Sie gerade beneiden.
Philippe Lecoq: Wie kommen Sie darauf?
Europäische Aktien gelten nach der ersten Zinserhöhung in den USA seit neun Jahren jetzt als besonders attraktiv. Und Sie verwalten zwei Fonds mit Fokus auf europäische Aktien.
Ob wir deshalb zu beneiden sind? Auch in anderen Ländern gibt es spannende Konzerne mit vielversprechenden Aktien.
Zur Person_Lecoq
Philippe Lecoq (51) ist verantwortlich für europäische Aktien bei Edmond de Rothschild Asset Management. Aus Paris verwaltet er den Fonds Value & Yield mit Fokus auf Dividendenaktien sowie den Synergy-Fonds, der auf Übernahmeaktien setzt. Vor seinem Wechsel zu Edmond Rothschild 2005 arbeitete er beim französischen Vermögensverwalter Ofivalmo.
Nun investieren Sie in Europa. Sind sie optimistisch für ihre Aktien 2016?
Natürlich schauen wir sehr optimistisch in das neue Jahr, aber das auch mit guten Gründen: Die Europäische Zentralbank flutet mit ihrem Anleihekaufprogramm und niedrigen Leitzinsen weiter den Markt. Das Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone wächst voraussichtlich um fast zwei Prozent - und die Europäer blicken positiv auf ihre künftige Wirtschaftskraft.
Also leichtes Spiel für Sie und alle Anleger in Europa, während Investoren in den USA oder den Schwellenländern pessimistisch auf die Börsen blicken?
Auf keinen Fall, wir müssen auch hierzulande Vorsicht walten lassen. Schon 2015 war ein sehr gutes Jahr in Europa, damit haben wir jetzt vier Jahre positive Entwicklung an den europäischen Aktienmärkten in Folge. Trotz ausbleibender Gewinnzuwächse in den Konzernen haben Investoren ihren Ausblick immer wieder nach oben angepasst. Und das, obwohl die positiven Signale ausschließlich von der europäischen Zentralbank kamen. Diese Phase könnte nun zum Ende kommen.





Europäische Aktien sind im Schnitt dennoch weiterhin deutlich günstiger bewertet als US-Papiere.
Natürlich. Aber mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von aktuell 18 empfinden wir auch die europäischen Bewertungen als relativ hoch. Wir warten darauf, dass die Nettogewinne der Konzerne 2016 steigen und den Aktien einen neuen Schub geben. Dann würden sie auch die hohen Kurse wieder in ein angemesseneres Verhältnis setzen.
Ansonsten können sich Anleger doch in bewährter Manier auf die nötige Unterstützung von Mario Draghi und der Europäischen Zentralbank (EZB) verlassen.
Vielleicht. Aber ich denke, dass die Maßnahmen der EZB langsam ihre unterstützende Wirkung verlieren. Der Markt lässt sich doch kaum noch zufrieden stellen. Wie im Dezember, als Draghi zwar den Einlagenzins auf minus 0,3 Prozent senkte und das Anleihekaufprogramm ausweitete. Anschließend rutschten die Kurse dennoch ab.
Fühlen sich die Investoren von Draghi verschaukelt? Schließlich hatte er zum Jahresende Aussicht auf starke Unterstützung gegeben.
Vielleicht hat der Markt einfach zu viel erwartet. Und eingepreist sind die Maßnahmen der EZB ohnehin schon. Der Spielraum, Investoren zu überraschen, dürfte langsam gegen Null gehen.